VwGH 2008/04/0213

VwGH2008/04/021318.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der I M OG in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Dr. Roland Kier, Dr. Thomas Neugschwendtner, Dr. Richard Soyer und Dr. Alexia Stuefer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 2008, Zl. M63/01359/2007, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §91 Abs2;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §91 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien (Erstbehörde) vom 22. Juli 2005 wurde die beschwerdeführende Partei, eine offene Erwerbsgesellschaft (nunmehr: offene Gesellschaft), als Inhaberin näher genannter Gewerbeberechtigungen gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 aufgefordert, innerhalb einer Frist von sechs Wochen die beiden vertretungsbefugten Organe I.M. und F.O. als Geschäftsführer bzw. Personen mit maßgeblichem Einfluss auf die Geschäfte der beschwerdeführenden Partei zu entfernen, widrigenfalls die Gewerbeberechtigungen der beschwerdeführenden Partei entzogen würden. Als Grund wurde angeführt, im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Durchsuchung des Gewerbelokals der beschwerdeführenden Partei seien größere Mengen an Drogen gefunden worden. Da den verantwortlichen Organen der beschwerdeführenden Partei "der Drogenhandel in dem Geschäftslokal nicht entgangen sein kann" und dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen die bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Rechtsvorschriften darstelle, sei nach Ansicht der Erstbehörde die Annahme gerechtfertigt, dass die vertretungsbefugten Organe die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besäßen (Verweis auf § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994).

In ihrer Stellungnahme vom 7. September 2005 teilte die beschwerdeführende Partei mit, ihr Gewerbelokal ("Callshop" für Internet, Telefonie, etc.) sei ein multikultureller Treffpunkt aller Volksgruppen, wobei es für sie oberste Maxime sei, jedwede Art von Suchtgifthandel und Suchtgiftkonsum zu unterbinden. Bei der Hausdurchsuchung am 31. Mai 2005 sei zwar Suchtgift gefunden worden, dies allerdings bei drei Gästen des Lokales sowie im öffentlich zugänglichen Innenhof des Objektes. Es sei der beschwerdeführenden Partei nicht möglich, sämtliche Kunden einer Leibesvisitation zu unterziehen; als Maßnahme sei aber mit der Hausverwaltung vereinbart worden, den Zutritt zum Hof zu versperren. Die beschwerdeführende Partei habe ihre Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden unter Beweis gestellt und dies auch gegenüber den Gästen auf einem Aushang bekannt gegeben. Der genannte Vorfall könne den verantwortlichen Organen der beschwerdeführenden Partei nicht zur Last gelegt werden.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 20. Dezember 2005 wurde die näher bezeichnete Gewerbeberechtigung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der "Drogenhandel in dem Geschäftslokal" den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern I.M. und F.O. nicht entgangen sein könne und dass diese trotz Aufforderung vom 22. Juli 2005 nicht fristgerecht aus ihrer Funktion entfernt worden seien.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, in der sie unter anderem bestritt, dass die beiden persönlich haftenden Gesellschafter Kenntnis von einem angeblichen Drogenhandel im Geschäftslokal gehabt hätten. Wäre dies der Fall, so wäre gegen die beiden Gesellschafter ein Strafverfahren eingeleitet worden, was aber nicht der Fall sei. Vielmehr sei sowohl für die die Hausdurchsuchung durchführenden Organe als auch für die Strafverfolgungsbehörde klar gewesen, dass die beiden Gesellschafter nichts mit den Drogenfunden zu tun gehabt hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. September 2008 (wesentlich ist gegenständlich nur der Spruchpunkt I.) bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid und stellte den Standort des entzogenen Gewerbes richtig. In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass ein Zusammenhang zwischen den im Zuge der Hausdurchsuchung vom 31. Mai 2005 sicher gestellten Drogen und den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern der Beschwerdeführerin nicht habe festgestellt werden können, zumal weder gegen I.M. noch gegen F.O. ein diesbezügliches Strafverfahren eingleitet worden sei. Nach Ansicht der belangte Behörde komme es darauf aber nicht an, weil die beiden Gesellschafter schon aus einem anderen Grund, nämlich "auf Grund der Vielzahl der ... begangenen Verwaltungsübertretungen" die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besäßen. Dazu verwies die belangte Behörde auf im angefochtenen Bescheid konkret wiedergegebene Übertretungen der GewO 1994, des AuslBG, des LMG und des Preisauszeichnungsgesetzes, welche die beiden Gesellschafter "im Zeitraum August 2005 bis Oktober 2007" zu verantworten hätten. Diese Verwaltungsübertretungen seien nach Ansicht der belangte Behörde im gegenständlichen Fall heranzuziehen, weil die belangte Behörde auf die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebene Sachlage abzustellen habe und weil sich durch die nunmehrige Bedachtnahme auf die Verwaltungsübertretungen - im Vergleich mit der eingangs genannten Verfahrensanordnung vom 22. Juli 2005 - eine Änderung des Entziehungsgrundes der mangelnden Zuverlässigkeit nicht ergebe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der hier maßgebende § 91 Abs. 2 GewO 1994 lautet:

"Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen."

Wie bereits die Erstbehörde erachtet offenbar auch die belangte Behörde den Entziehungsgrund des § 91 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 deshalb für verwirklicht, weil die beschwerdeführende Partei ihre beiden persönlich haftenden Gesellschafter, sohin Personen mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der beschwerdeführenden Partei, innerhalb der von der Erstbehörde gesetzten Frist nicht aus dieser Funktion entfernt hat. Anders als die Erstbehörde begründete die belangte Behörde die Verpflichtung, die beiden persönlich haftenden Gesellschafter zu entfernen, nicht mit dem genannten Drogenfund sondern vielmehr mit näher bezeichneten Verwaltungsübertretungen.

Zutreffend führt die Beschwerde dagegen ins Treffen, dass die belangte Behörde damit die "Sache" (§ 66 Abs. 4 AVG) des erstinstanzlichen Verfahrens überschritten hat, weil sie damit die Entziehung der Gewerbeberechtigung auf andere Gründe als jene gestützt, die in der Aufforderung vom 22. Juli 2005 genannt waren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0221, zur im Wesentlichen gleichlautenden Fassung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 ausgeführt, dass die dort geregelte Entziehung der Gewerbeberechtigung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung darstellt und dass Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich sind. In diesem Erkenntnis lautet es weiter (Hervorhebung nicht im Original):

"Die Aufforderung im Grunde des § 91 Abs. 2 leg. cit. hat der Gewerbeentziehung nach dieser Gesetzesstelle voranzugehen und stellt insofern eine Voraussetzung für diese dar. Diese Aufforderung ist mangels eines rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Inhalts kein Bescheid. Dem Rechtsschutzbedürfnis dessen, dem bei nicht fristgerechter Befolgung der Aufforderung die Gewerbeberechtigung entzogen wird, ist jedoch Rechnung getragen, wenn er die Rechtmäßigkeit der Aufforderung, also auch die hiefür bestimmenden Gründe, im sodann folgenden Entziehungsverfahren geltend machen sowie den (allenfalls) ergangenen Entziehungsbescheid (auch) aus diesen Gründen im Rechtsmittelweg bekämpfen kann.

Aus dem - im oben dargestellten Sinne - akzessorischen Charakter einer Entziehung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 folgt aber auch, dass diese nicht (wie hier im Instanzenzug) auf einen Entziehungstatbestand gegründet werden darf, der nicht Gegenstand der vorausgegangenen Aufforderung war."

Unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/04/0083, zum akzessorischen Charakter der Entziehung klargestellt, dass durch die Aufforderung im Grunde des § 91 Abs. 2 GewO 1994 die "in Verhandlung stehende Angelegenheit", somit die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG bestimmt werde.

Im vorliegenden Fall war daher durch die an die beschwerdeführende Partei gerichtete Aufforderung vom 22. Juli 2005, die beiden Gesellschafter wegen ihres angeblichen Drogenhandels zu entfernen, die Sache des gegenständlichen Entziehungsverfahrens festgelegt. Die Nichtbeachtung dieser Aufforderung könnte somit nur dann zur Entziehung der Gewerbeberechtigung der beschwerdeführenden Partei führen, wenn zumindest einer der persönlich haftenden Gesellschafter den in der Aufforderung genannten Drogenhandel (und damit einen schwerwiegenden Verstoß im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994) mitzuverantworten hätte und die beschwerdeführende Partei diesen Gesellschafter trotz behördlicher Aufforderung in seiner Funktion belassen hätte. Dies ist aber, wie bereits dargelegt wurde, hier nicht der Fall, ist doch die belangte Behörde (anders als die Erstbehörde) im angefochtenen Bescheid selbst davon ausgegangen, dass keinem der beiden Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei ein Suchtgiftdelikt vorzuwerfen sei. Vielmehr vertritt die belangte Behörde die Meinung, die beschwerdeführende Partei hätte die genannten Gesellschafter deshalb abberufen müssen, weil diese näher bezeichnete Verwaltungsübertretungen begangen hätten. Damit entfernt sich die belangte Behörde jedoch von der erwähnten Aufforderung vom 22. Juli 2005 und von der "in Verhandlung stehenden Angelegenheit" im Sinne der zitierten Judikatur.

Da somit an die beschwerdeführende Partei keine Aufforderung im Sinne des § 91 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 erging, die Gesellschafter wegen der Begehung der genannten Verwaltungsübertretungen zu entfernen (die meisten dieser Verwaltungsübertretungen wurden im Übrigen erst nach der genannten Aufforderung vom 22. Juli 2005 begangen und konnten schon deshalb von dieser Aufforderung nicht erfasst sein), fehlte es gegenständlich an der Voraussetzung für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung.

Im Hinblick auf die Ausführungen im Erkenntnis Zl. 94/04/0221 stand es der belangten Behörde, anders als sie offenbar meint, nämlich nicht zu, nach der Aufforderung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 die Gründe, aus denen sie die Entfernung der Personen mit maßgebendem Einfluss für erforderlich hielt, auszutauschen. Dies würde nämlich, weil nur die im Entziehungsbescheid genannten Gründe überprüfbar sind, dazu führen, dass die genannte (nicht gesondert anfechtbare) Aufforderung und vor allem die dafür bestimmend gewesenen Gründe keiner rechtlichen Kontrolle unterlägen, was im Sinne des zitierten Erkenntnisses dem Rechtschutzbedürfnis des Gewerbetreibenden zuwider liefe.

Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid in seinem ersten Spruchpunkt als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Februar 2009

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