Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0221, verwiesen.
Im fortgesetzten Verfahren wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Oktober 1992 (neuerlich) keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "daß der Berufungswerberin ihre Gewerbeberechtigungen für das Immobilienmaklergewerbe und das Immobilienverwaltergewerbe im Standort W gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 in Verbindung mit den §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und 13 Abs. 5 GewO 1994 entzogen werden".
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, mit Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung vom 17. März 1995 sei der Beschwerdeführerin im Auftrag des Bundesministeriums eröffnet worden, daß auf Grund des Umstandes, daß mit den Beschlüssen des Landes- als Handelsgerichtes Klagenfurt vom 30. März 1981 und vom 11. August 1981 Anträge von Gläubigern auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der F-Gesellschaft m.b.H. mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden seien, sich auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter ihrer Gesellschaft D der im § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 angeführte Entziehungsgrund nach § 13 Abs. 5 GewO 1994 beziehe; die Beschwerdeführerin sei darin gleichzeitig aufgefordert worden, D innerhalb einer Frist von acht Wochen ab Zustellung dieser Aufforderung aus ihrer Gesellschaft zu entfernen. Die Beschwerdeführerin sei dieser ihr am 30. März 1995 zugestellten Aufforderung nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sei nach Erteilung der gegenständlichen Gewerbeberechtigungen D zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bestellt worden. D sei zuvor handelsrechtlicher Geschäftsführer und Liquidator einer anderen Kapitalgesellschaft - der F-Gesellschaft m.b.H. - gewesen. Mit Beschlüssen des Landes- als Handelsgerichtes Klagenfurt vom 30. März 1981 und vom 11. August 1981 seien Anträge von zwei Gläubigern auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der F-Gesellschaft m.b.H. mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Daß D ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte der F-Gesellschaft m.b.H. zugestanden sei, sei in Ansehung der ihm nach dem Gesetz vom 6. März 1906, RGBl. Nr. 58, über Gesellschaften mit beschränkter Haftung zugestandene Befugnisse anzunehmen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 4. September 1995, daß der damalige zweite Gesellschafter es unterlassen habe, D als Geschäftsführer im damaligen Handelsregister beim Landesgericht Klagenfurt löschen zu lassen, vermöge hieran nichts zu ändern. Auf Grund seiner Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt vom 19. Jänner 1982 stehe es nämlich fest, daß D als Geschäftsführer und Gesellschafter in schuldhafter Weise die Zahlungsunfähigkeit der in Rede stehenden Gesellschaft herbeigeführt habe. Auf D, dem als alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer und Gesellschafter der Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen ein maßgebender Einfluß auf den Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin zustehe, beziehe sich daher der in § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 angeführte Entziehungsgrund nach § 13 Abs. 5 GewO 1994. Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin D innerhalb der ihr hiefür mit Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung vom 17. März 1995 gesetzten Frist nicht aus ihrem Geschäftsbetrieb entfernt habe, lägen sohin die Voraussetzungen für die Entziehung der gegenständlichen Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m. den §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und 13 Abs. 5 GewO 1994 vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich "in ihrem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtentziehung von Gewerbeberechtigungen bei Nichtvorliegen von Ausschlußgründen beschwert". In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird u.a. geltend gemacht, daß sich die belangte Behörde in keiner Weise mit dem Berufungsvorbringen hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße betreffend die §§ 113 und 302 StGB auseinandergesetzt habe. Insofern erledige der bekämpfte Bescheid die Berufung nicht abschließend, sodaß der Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet sei.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
§ 91 Abs. 2 GewO 1994 hat folgenden Wortlaut:
"Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle, daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen."
Wie im zitierten Vorerkenntnis ausgeführt wurde, ist aus der Formulierung des § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu schließen, daß Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten behördlichen Frist unbeachtlich sind; der Gesetzgeber sieht insofern mit der genannten Regelung nur eine Sanktion für die Nichtentfernung vor. Die Aufforderung im Grunde des § 91 Abs. 2 leg. cit. hat der Gewerbeentziehung nach dieser Gesetzesstelle voranzugehen und stellt insofern eine Voraussetzung für diese dar.
Aus den - im oben dargestellten Sinne - akzessorischen Charakter einer Entziehung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 folgt aber auch, daß durch die Aufforderung im Grunde des § 91 Abs. 2 leg. cit. die "in Verhandlung stehende Angelegenheit" bestimmt wird.
"Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist nämlich die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfaßte Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist). Der Akzent liegt hiebei auf der "Angelegenheit" im Sinne der "in Verhandlung stehenden Angelegenheit", die der Spruch zu erledigen hat, und nicht auf dem verbalen "Inhalt des Spruches". Unter diesem Bezug kann die "Sache" nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, "berührt" werden (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 90/04/0302).
Die Behörde erster Instanz hat ihre Aufforderung vom 21. Jänner 1992, D innerhalb der gesetzten Frist zu entfernen, nicht auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1973 (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992) gestützt, wie dies im zitierten Vorerkenntnis unter Wiedergabe der angesprochenen Aufforderung bereits ausgeführt wurde.
Entsprechend dem oben dargestellten akzessorischen Charakter einer Entziehung nach § 91 Abs. 2 GewO 1973 - und zwar in der Fassung sowohl vor als auch nach der Gewerberechtsnovelle 1992 - entzog die Behörde erster Instanz der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung mit Bescheid vom 29. Oktober 1992 vielmehr gemäß § 91 Abs. 2 i.V.m. § 89 Abs. 1 GewO 1973 (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992), also deshalb, weil D, als eine Person mit maßgebendem Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte der Beschwerdeführerin, Handlungen oder Unterlassungen begangen habe, die die Annahme rechtfertigten, daß er die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze und - bezogen auf diesen Entziehungstatbestand - die Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Entfernung nicht entsprochen habe. Das war aber auch - als "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG - die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat.
Wenn nunmehr die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid "mit der Maßgabe" bestätigte, "daß der
Berufungswerberin ihre Gewerbeberechtigungen ... gemäß § 91
Abs. 2 GewO 1994 in Verbindung mit den §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und 13 Abs. 5 GewO 1994 entzogen werden", und auch inhaltlich (anders als die Behörde erster Instanz) nunmehr auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z. 1 i. V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 abstellt, so verkennt sie, daß die umfassende reformatorische Befugnis der Berufungsbehörde ihre gesetzliche Begrenzung durch die Entscheidung "in der Sache" findet.
Die belangte Behörde belastete damit schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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