VwGH 2008/02/0084

VwGH2008/02/008420.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des W H in W, vertreten durch Mag. Johannes Mutz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 2. Oktober 2007, Zl. KUVS-711-712/6/2007, betreffend Übertretungen der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs5 Z2;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs5 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit im Beschwerdefall noch wesentlich - den Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe 1. als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKW der Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht durch deutlich sichtbare Zeichen (mittels roten Anhaltestabes) zum Anhalten nicht Folge geleistet, zumal er ohne anzuhalten seine Fahrt fortgesetzt habe sowie 2. den nach dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKW in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich am 17. Jänner 2006 um 00:02 Uhr in W. gegenüber einem einschreitenden und besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Polizeibeamten geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen bzw. da infolge der tiefen Außentemperaturen die Atemalkoholuntersuchung vor Ort nicht habe durchgeführt werden können, weil das Alkotestgerät abgeschaltet habe, sich einer Atemalkoholuntersuchung auf dem Wachzimmer zu unterziehen; er habe die Mitfahrt auf ein Wachzimmer zum Zwecke der Durchführung der Alkotests abgelehnt, obwohl bei der Lenkerkontrolle deutlich Symptome einer Alkoholisierung festgestellt worden seien wie Geruch der Atemluft nach Alkohol, unsicherer Gang, gerötete Augenbindehäute und lallende Aussprache.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde der Beschwerdeführer gemäß § 97 Abs. 5 StVO (zu 1.) mit einer Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) und gemäß § 5 Abs. 2 StVO mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) bestraft.

In der Begründung des nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder, in der dieser unter anderem vorgebracht habe, an Asthma zu leiden, so dass er nicht in der Lage gewesen sei, auf die Dienststelle mitzufahren. Ein Anhaltezeichen sei in Anbetracht der Sicht- und Straßenverhältnisse zum Tatzeitpunkt nicht sichtbar gewesen.

Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Der (Beschwerdeführer) hat am 17. Jänner 2006 um 00:00 Uhr das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen K ... auf dem R.Weg im Ortsgebiet von Wölfnitz gelenkt. Im Bereich des Gebäudes R.weg Nr. 36 hat sich am Straßenrand eine Polizeistreife befunden und wurde von einem Polizisten mittels Anhaltestab mit rotem Licht dem Beschwerdeführer als Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges ein deutlich sichtbares Anhaltezeichen gegeben; der (Beschwerdeführer) hat jedoch darauf nicht reagiert. Daraufhin haben sich die Polizisten ins Dienstfahrzeug begeben und sind dem gegenständlichen Fahrzeug nachgefahren. Auf Grund der Straßenverhältnisse (Schneefahrbahn) ist das vom (Beschwerdeführer) gelenkte Fahrzeug vor der Einfahrt zu seinem Wohnhaus ... ins Rutschen gekommen; die Polizisten haben daraufhin das vom (Beschwerdeführer) gelenkte Fahrzeug angeschoben und hat der (Beschwerdeführer) das Fahrzeug im Bereich seiner Hauseinfahrt abgestellt. Anschließend wurde von den Polizisten eine Fahrzeug- und Lenkerkontrolle durchgeführt. Im Zuge der Amtshandlung wurden von den Polizisten beim Beschuldigten Alkoholisierungssymptome, wie z.B. Alkoholgeruch aus dem Mund, leichte Schwankung, undeutliche Aussprache, wahrgenommen und wurde er zu einem Alkomatentest aufgefordert. Der Beschwerdeführer ist mit dem Polizisten zum Dienstfahrzeug gegangen und hat der Polizist versucht, den Alkomaten zu aktivieren, damit eine Atemluftuntersuchung durchgeführt werden kann; dies ist jedoch nicht gelungen. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zur nächsten Polizeidienststelle mitzufahren, damit dort der Alkomatentest durchgeführt werden kann; dies hat der Beschwerdeführer abgelehnt. Der Beschwerdeführer wurde auch auf die Rechtsfolgen einer Verweigerung aufmerksam gemacht; er hat jedoch bis zum Ende der Amtshandlung ein Mitfahren zur nächsten Dienststelle abgelehnt. Während der Amtshandlung ist auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführer aus dem Haus gekommen und hat mit den Polizisten geredet."

In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, diese Feststellungen stützten sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes und auf die in den Verhandlungen aufgenommenen Beweise. Der Meldungsleger habe in der Verhandlung glaubwürdig seine Wahrnehmungen im Zuge der Amtshandlung dargelegt, seine Aussagen wiesen keine Widersprüche zu den Angaben in der Anzeige auf. Der zweite Polizist, der bei der Amtshandlung anwesend gewesen sei, habe die Aussagen des Meldungslegers grundsätzlich bestätigt. Der Meldungsleger habe in der Verhandlung glaubwürdig ausgeführt, dass im Zuge der Verkehrskontrolle mehreren Fahrzeuglenkern ein Anhaltezeichen gegeben worden sei und dieses von allen anderen Fahrzeuglenkern befolgt worden sei, sodass die Behauptung in der Berufung, dass auf Grund der Witterungsverhältnisse ein Anhaltezeichen nicht erkennbar gewesen sei, nicht überzeuge. Daher werde davon ausgegangen, dass das vom Polizisten abgegebene Anhaltezeichen sichtbar gewesen sei. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer zur Atemluftalkoholuntersuchung aufgefordert worden sei. Es werde den glaubwürdigen Aussagen der Polizisten gefolgt, dass an den im Dienstfahrzeug mitgeführten Alkomaten ein betriebsbereiter Zustand nicht hergestellt habe werden können, sodass eine Beatmung des Gerätes durch den Beschwerdeführer nicht erfolgt sei und der Beschwerdeführer daher aufgefordert worden sei, zur nächsten Dienststelle mitzufahren. Es seien im durchgeführten Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, um an der Richtigkeit der Aussagen der einschreitenden Polizisten zu zweifeln. Die Aussage der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugin (Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) sei nicht geeignet gewesen, um die Angaben der einschreitenden Polizisten zu widerlegen, zumal sie nicht während der gesamten Amtshandlung anwesend gewesen sei und nicht habe bestätigen können, dass der Beschwerdeführer den Alkomaten beatmet habe.

In der rechtlichen Beurteilung wies die belangte Behörde zu Spruchpunkt 2. darauf hin, dass die Straßenaufsichtsorgane in der Verhandlung glaubwürdig ausgeführt hätten, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen habe, dass er auf Grund einer Erkrankung nicht in der Lage sei, mitzufahren bzw. den Alkomaten zu beatmen. Die Straßenaufsichtsorgane hätten auch ausgesagt, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung beim Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen sei. Derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert werde, habe umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomaten aus medizinischen Gründen hinzuweisen, sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt würden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei der Bundespolizeidirektion tätigen Arzt zu bringen. Da der Beschwerdeführer auf seinen gesundheitlichen Zustand (Asthma) nicht hingewiesen habe und für die Straßenaufsichtsorgane eine Erkrankung nicht erkennbar gewesen sei, sei für den Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nichts zu gewinnen.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers keine einschlägigen Strafvormerkungen aufschienen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat und ob der Sachverhalt genügend erhoben ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0288).

Zwar hat sich die belangte Behörde entgegen dem Gebot, alle in Betracht kommenden Umstände vollständig zu berücksichtigen und den Sachverhalt ausreichend zu erheben, in der Beweiswürdigung nahezu ausschließlich mit den Aussagen der beiden Beamten auseinander gesetzt und diese ohne nähere Begründung als "glaubwürdig" bezeichnet; auch soll der eine Beamte die Angaben des Meldungslegers "grundsätzlich bestätigt" haben. Letzteres deckt sich nicht mit den Angaben des zweiten Beamten in der Verhandlung am 2. Oktober 2007, wonach sich der zweite Beamte in wesentlichen Punkten, etwa der Frage, ob der Beschwerdeführer den Alkomaten beatmet habe, nicht habe erinnern können bzw. dies nicht mehr wisse, obwohl er sich "in unmittelbarer Nähe der Amtshandlung aufgehalten" haben will. Auch an ein Husten des Beschwerdeführers habe er sich nicht erinnern können, während der die Amtshandlung leitende Beamte in der Verhandlung am 18. September 2007 aussagte, der Beschwerdeführer "hat im Zuge der Amtshandlung auch gehustet". Auch hat sich die belangte Behörde mit keinem Wort mit den Angaben des Beschwerdeführers auseinandergesetzt.

Allerdings vermag die mangelhafte Beweiswürdigung an dem Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt hat. Er behauptet nämlich keinen Sachverhalt, der zu einem anderen Bescheid hätte führen können. Weder hat er umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hingewiesen noch hat er vorgebracht, dass der von ihm behauptete Zustand für Dritte sofort klar erkennbar gewesen wäre (vgl. das Erkenntnis vom 15. April 2005, Zl. 2003/02/0258).

Zu Spruchpunkt 1. enthält die Beschwerde keinerlei Vorbringen, weshalb darauf nicht einzugehen war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. März 2009

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