VwGH 2007/21/0545

VwGH2007/21/054517.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des R, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. November 2007, Zl. 2/4033/47/02, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1981 geborene und ab 1992 rechtmäßig in Österreich aufhältige Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, war mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Februar 2002 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt worden. Dem Urteil lag zu Grunde, der Beschwerdeführer habe

"zu datumsmäßig nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca. 1997 und 18. 11. 2001 im Großraum Reutte, München und an anderen Orten

A)

den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs. 6), nämlich 550 Stück Ecstasy-Tabletten ('Sky') von Österreich (Reutte) aus- und in die Bundesrepublik Deutschland (München) eingeführt ;

B)

den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen und anderen überlassen und zwar

1) durch Erwerb von insgesamt ziffernmäßig nicht mehr feststellbaren Mengen an Ecstasy-Tabletten, Heroin, Morphin, Kokain und Cannabisprodukten bei den abgesondert verfolgten K. und

R. sowie weiteren, namentlich nicht bekannten Personen und deren Besitz;

2) dadurch, dass er zusammen mit den abgesondert verfolgten

R. und B. Cannabisprodukte und Heroin konsumierte, wobei er zumindest teilweise das Suchtgift dafür zur Verfügung stellte und

3) durch Schmuggel von insgesamt nicht mehr feststellbaren Mengen Heroin und Cannabisprodukten von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich."

Im Hinblick auf dieses Urteil und das vom Beschwerdeführer gesetzte Gesamtfehlverhalten erließ die belangte Behörde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 16. Mai 2002 gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm den § 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Die gegen dieses Aufenthaltsverbot erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wies dieser mit Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0148, als unbegründet ab.

Nach vorzeitiger Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 27. November 2002 aus dem Bundesgebiet abgeschoben. Im April 2007 stellte er in weiterer Folge den Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes.

Mit dem nunmehr bekämpften, gleichfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 2007 wurde dieser Antrag gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG abgewiesen. Das begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass eine Gefährlichkeitsprognose im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG dergestalt weiterhin zu treffen sei, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich sei, um eine vom Beschwerdeführer ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. Dass von ihm weiterhin erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe, ergebe sich aus der Art und Schwere seines Gesamtfehlverhaltens vor der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Sein Wohlverhalten seit der Straftat bzw. seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 25. November 2002 sei zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur auf eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können. Im Fall des Beschwerdeführers liege ein die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit beeinträchtigendes Fehlverhalten von sehr großem Gewicht vor, weil er eine Straftat in Bezug auf eine große Suchtgiftmenge bzw. Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz über einen langen Zeitraum begangen habe. Vor diesem Hintergrund biete selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie - insbesondere diesen Umstand hatte der Beschwerdeführer neben seinem nunmehrigen Wohlverhalten und seiner Berufstätigkeit in Kroatien als Grund für seinen Aufhebungsantrag ins Treffen geführt - keine Gewähr dafür, dass von ihm keine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen mehr ausgehe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2007/21/0544). Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 66 FPG zulässig ist (siehe dazu etwa das noch zu § 44 Fremdengesetz 1997 ergangene, wegen der insoweit unverändert gebliebenen Rechtslage auch zum FPG anwendbare hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0152, sowie das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2007/18/0244).

Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er bei Begehung der dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Februar 2002 zu Grunde liegenden Straftaten unter dem Einfluss von Suchtgiften gestanden sei. Er habe nach seiner Abschiebung in Kroatien freiwillig eine Therapie absolviert und diese erfolgreich abgeschlossen, er sei nunmehr frei von Suchtgiften und entwöhnt. Als weitere Änderungstatsache machte der Beschwerdeführer, wie schon erwähnt, geltend, dass er sich seit seiner Verurteilung wohlverhalte und einer geregelten Arbeit nachgehe.

Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde nicht im Detail eingegangen. Sie erachtete das geltend gemachte Wohlverhalten jedenfalls als zu kurz und ging davon aus, dass selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie an der nach wie vor zutreffenden Annahme, vom Beschwerdeführer gehe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen aus, nichts ändere.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass bei Suchtgiftdelikten bekanntermaßen eine hohe Rückfallsquote besteht und ein großes öffentliches Interesse an der Bekämpfung dieser gefährlichen Kriminalitätsform sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen gegeben ist. Die ungeprüfte Abweisung des Aufhebungsantrages des Beschwerdeführers wird allerdings den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten zwischen 1997 und dem 18. November 2001 begangen wurden. Sie liegen daher einerseits sechs und mehr Jahre zurück, andererseits befand sich der Beschwerdeführer während seines deliktischen Verhaltens im Alter von 15 oder 16 bis 20 Jahren. Hinzu kommt, dass ungeachtet des langen Tatzeitraumes nur eine einzige strafgerichtliche Verurteilung erfolgte, sodass dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden kann, er sei schon einmal rückfällig geworden. Trifft es vor diesem Hintergrund zu, dass seine Delinquenz - wie behauptet - unter dem Einfluss seiner (seinerzeitigen) Suchtgiftabhängigkeit erfolgte, dass er nunmehr nach einer erfolgreichen Therapie entwöhnt sei und auch beruflich Fuß fassen konnte, so wäre in der Tat davon auszugehen, dass die Prognose, vom Beschwerdeführer gehe eine maßgebliche Gefährlichkeit aus, nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte (zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall siehe etwa das, wenngleich noch zum Fremdengesetz 1997 ergangene, hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, Zl. 2001/21/0196). Das hat die belangte Behörde verkannt, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. März 2009

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