Normen
AsylG 2005 §27;
AsylG 2005 §28 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs6;
AVG §71;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
AsylG 2005 §27;
AsylG 2005 §28 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs6;
AVG §71;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit dem zitierten Bescheid vom 14. Dezember 2006 wies die belangte Behörde eine vom Mitbeteiligten, einem nigerianischen Staatsangehörigen, eingebrachte Schubhaftbeschwerde, soweit sie sich gegen den Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 28. Oktober 2006 sowie die Anhaltung in Schubhaft von 28. Oktober 2006 bis 7. Dezember 2006 richtete, gemäß § 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) als unbegründet ab. Die ab 7. Dezember 2006 erfolgte Anhaltung des Mitbeteiligten stellte die belangte Behörde als rechtswidrig fest. Unter einem sprach sie gemäß § 83 Abs. 4 FPG aus, dass im Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe am 5. September 2006 einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 habe das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters sei er gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen worden.
Mit e-Mail vom 24. Oktober 2006 habe das Bundesasylamt der Bezirkshauptmannschaft Baden mitgeteilt, dass "die Durchführbarkeit fremdenpolizeilicher Maßnahme zulässig" und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 3 AsylG 2005 "negativ mit 20.10.2006 in Rechtskraft erwachsen" sei. Dies gelte auch für die Feststellung nach § 8 AsylG 2005 sowie für die nach Nigeria ausgesprochene Ausweisung.
Am 27. Oktober 2006 habe die Bezirkshauptmannschaft Baden einen Festnahmeauftrag erlassen, auf Grund dessen der Mitbeteiligte am 28. Oktober 2006 festgenommen worden sei. Noch am Tag seiner Festnahme habe die Bezirkshauptmannschaft Baden die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft angeordnet.
Mit Telefax vom 24. November 2006 habe der Mitbeteiligte beim Bundesasylamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Oktober 2006 eingebracht. Diesen Antrag habe er mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden.
Den Wiedereinsetzungsantrag habe der Mitbeteiligte folgendermaßen begründet: Er wäre des Lesens und Schreibens nahezu unkundig. In der von ihm besuchten Grundschule in Nigeria wäre er in Englisch alphabetisiert worden. Der Bescheid des Bundesasylamtes hätte neben der in deutscher Sprache gehaltenen Rechtsmittelbelehrung auch eine Rechtsmittelbelehrung in Igbo enthalten. Einen in der Sprache Igbo geschriebenen Text könnte er nicht lesen. Deutsch könnte er ebenfalls nicht lesen und auch nicht schreiben. Es wäre ihm auch anlässlich der Übergabe des Bescheides des Bundesasylamtes nicht mitgeteilt worden, dass es sich dabei um einen seinen Antrag abweisenden Bescheid gehandelt hätte. Davon hätte er erstmals im Zuge der der Schubhaftverhängung vorangegangenen Vernehmung am 28. Oktober 2006 erfahren. Weder der Spruch noch die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des Asylamtes wären für den Mitbeteiligten verständlich gewesen.
Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - den Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt. Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft sei ein rechtskräftiger Bescheid vorgelegen, mit dem der Asylantrag des Mitbeteiligten abgewiesen und seine Ausweisung verfügt worden sei. Der Mitbeteiligte sei zu dieser Zeit nicht Asylwerber gewesen. Auf Grund der Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Baden, der Mitbeteiligte sei im Inland nicht sozial verankert, habe keine familiären oder sonstigen Bindungen zu Österreich, dürfe keiner legalen Beschäftigung nachgehen und verfüge über keine finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, seien ausreichende Gründe für die Annahme vorhanden gewesen, der Mitbeteiligte werde sich dem weiteren Verfahren entziehen. Vom Mitbeteiligten seien keine hinreichend konkreten Tatsachen vorgebracht worden, die diese Beurteilung in Zweifel ziehen würden. Die Anwendung gelinderer Mittel im Sinn des § 77 FPG sei somit nicht in Betracht gekommen.
Soweit der Mitbeteiligte einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 AsylG 2005 geltend mache und deswegen einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe, sei davon auszugehen, dass die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von der Bezirkshauptmannschaft Baden gemäß § 38 AVG als Vorfrage zu prüfen gewesen wäre.
Der Mitbeteiligte mache geltend, dass ihm ab Stellen des Wiedereinsetzungsantrages wieder die Stellung eines Asylwerbers zugekommen und die Anwendung des § 76 Abs. 1 FPG unzulässig gewesen wäre. Dabei sei allerdings § 76 Abs. 6 FPG zu berücksichtigen, wonach die Schubhaft aufrecht erhalten werden könne, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Das Stellen eines Wiedereinsetzungsantrages, der den Zweck habe, dem Mitbeteiligten wieder die Stellung als Asylwerber zu verschaffen, könne nicht anders gesehen werden, als ob der Mitbeteiligte während der Schubhaft einen neuerlichen Asylantrag gestellt hätte. Allerdings habe der Mitbeteiligte zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach ihm die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen wäre und er daher jedenfalls bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht hätte abgeschoben werden dürfen.
Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe diese Frage jedoch bis zur Erhebung der Schubhaftbeschwerde nicht beurteilen können, weil ihr der vom Mitbeteiligten gestellte Wiedereinsetzungsantrag vorerst nicht bekannt gewesen sei. Erst auf Grund der Übermittlung der Schubhaftbeschwerde am 7. Dezember 2006 habe die Bezirkshauptmannschaft Baden davon Kenntnis erlangt. Diese treffe auch kein Verschulden daran, dass sie davon nicht in Kenntnis gewesen sei. Sohin hätte sie erst ab 7. Dezember 2006 Schritte setzen können und müssen, die zur Enthaftung des Mitbeteiligten hätten führen müssen. Aus diesem Grund sei Rechtswidrigkeit der Schubhaft erst ab 7. Dezember 2006 vorgelegen.
Die gegenständliche Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich richtet sich gegen diesen Bescheid, soweit die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft ab 7. Dezember 2006 für rechtswidrig erklärt und die Feststellung getroffen wurde, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Fortsetzung der Schubhaft nicht zulässig gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Ausgehend von den unbestritten gebliebenen Feststellungen ergibt sich, dass der Mitbeteiligte gegen jenen Bescheid, mit dem seinem Antrag auf internationalen Schutz keine Folge gegeben und er nach Nigeria ausgewiesen wurde, nicht rechtzeitig Berufung erhoben hat, sowie dass über seinen während der Anhaltung in Schubhaft gestellten Antrag, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuerkennen, bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entschieden wurde.
Daraus folgt, dass das den Mitbeteiligten betreffende Asylverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes vom 4. Oktober 2006 als abgeschlossen anzusehen war. Am rechtskräftigen Abschluss dieses Asylverfahrens vermochte das Stellen eines Wiedereinsetzungsantrages bzw. die damit verbundene Erhebung einer Berufung gegen die in erster Instanz erfolgte Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nichts zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2007, Zl. 2007/20/0672). Da dem Wiedereinsetzungsantrag von der Asylbehörde im hier relevanten Zeitraum auch nicht gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt war, kam dem Mitbeteiligten während dieses Zeitraumes weder (wieder) die Stellung als Asylwerber noch die eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, im Sinn des § 76 Abs. 2 FPG zu.
Die Schubhaft des Mitbeteiligten konnte daher ungeachtet des Wiedereinsetzungsantrages grundsätzlich weiterhin auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 76 Abs. 6 FPG bedurft hätte.
In der Amtsbeschwerde wird die Ansicht der belangten Behörde, dass dem Antrag, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge zu geben gewesen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2002/20/0078), und dass die belangte Behörde dies im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft nach § 76 Abs. 1 FPG berücksichtigen durfte, nicht bestritten. Diese Ansicht begegnet keinen Bedenken (vgl. zur Pflicht zur Berücksichtigung von im Asylverfahren zu setzenden Verfahrensschritten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Pkte 3.2.2. f des hg. Erkenntnisses vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/21/0582, mwN).
Jedoch macht die beschwerdeführende Sicherheitsdirektion in diesem Zusammenhang geltend, dass selbst die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im den Wiedereinsetzungsantrag betreffenden Verfahren die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert hätte. Dazu wird vorgebracht, dass dem Mitbeteiligten nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung lediglich faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zugekommen wäre. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin allerdings, dass jenes Asylverfahren des Mitbeteiligten, dessen Weiterführung er mit Hilfe des Wiedereinsetzungsantrages zu erreichen sucht, zugelassen war und ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgehändigt wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach betont hat, kommt eine Anhaltung in Schubhaft nach § 76 Abs. 2 FPG nach Zulassung des Asylverfahrens infolge Fehlens eines anhängigen Ausweisungsverfahrens (eine auf § 27 Abs. 1 Z 2 oder § 27 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 gestützte Einleitung eines Ausweisungsverfahrens lag hier nicht vor) nicht in Betracht (vgl. etwa aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zl. 2007/21/0037, sowie hinsichtlich jener Konstellation, in der das Asylverfahren ohne vorangegangene nach § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgte Einleitung eines Ausweisungsverfahrens zugelassen wurde, Pkte 6.2.2. f des hg. Erkenntnisses vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/21/0582).
Würde dem Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben (die diesbezügliche Pflicht der Asylbehörde wurde nach den - in der Amtsbeschwerde unbestritten gebliebenen und im Einklang mit der zuvor zitierten hg. Rechtsprechung stehenden - Ausführungen der belangten Behörde bejaht), wäre sein Status bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag so zu betrachten, als ob die (bis dahin formell rechtskräftige) erstinstanzliche Entscheidung des Bundesasylamtes ihre Rechtswirkungen nicht entfalten könnte und er sohin bis zum Abschluss des Wiedereinsetzungsverfahrens sich wieder in jener Position befunden hätte, in der er sich zuvor befunden hat. Er würde demnach als Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen wurde, und der über ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 verfügt, gelten. Schubhaft käme dann nach dem Gesagten nicht in Betracht, zumal entgegen der Ansicht der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin eine analoge Anwendung des § 76 Abs. 6 erster Satz FPG auf eine derartige Konstellation ausschiede (vgl. zur Ablehnung einer analogen Anwendung des § 76 Abs. 6 FPG in einem ähnlich gelagerten Fall betreffend einen Antrag auf Fortsetzung eines eingestellten Asylverfahrens Punkt 4.2.2. des hg. Erkenntnisses vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/21/0582).
Welche Gründe aber nun vorgelegen wären, die (entgegen der Ansicht der belangten Behörde) im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Ergebnis erbracht hätten, die weitere Anhaltung des Mitbeteiligten, der sich bis zu seiner Festnahme im ihm zugewiesenen Quartier der Betreuungsstelle Traiskirchen aufhielt, wäre trotz der ihm (alsbaldigst) zu gewährenden aufschiebenden Wirkung (mit den oben aufgezeigten Folgen) bis zur Entscheidung über seinen Antrag rechtmäßig gewesen, legte die beschwerdeführende Sicherheitsdirektion nicht näher dar.
Es kann sohin nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs die Auffassung der belangten Behörde, die Anhaltung des Mitbeteiligten erweise sich für die hier verfahrensgegenständlichen Zeiten als nicht zulässig, im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Kostenersatz war der belangten Behörde trotz ihres diesbezüglichen Antrages und trotz ihres Obsiegens nicht zuzuerkennen, weil ein solcher im Verfahren über Amtsbeschwerden weder für den Beschwerdeführer noch die belangte Behörde vorgesehen ist (§ 47 Abs. 4 VwGG).
Wien, am 8. Juli 2009
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