VwGH 2007/20/0672

VwGH2007/20/067214.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Jänner 2007, Zl. 222.316/0/9E-II/06/01, betreffend Behebung eines auf §§ 6 Z 3 und 8 Asylgesetz 1997 gestützten Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs6;
FrPolG 1954 §115;
FrPolG 1954 §116;
FrPolG 1954 §117;
FrPolG 1954 §118;
FrPolG 1954 §119 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs6;
FrPolG 1954 §115;
FrPolG 1954 §116;
FrPolG 1954 §117;
FrPolG 1954 §118;
FrPolG 1954 §119 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 wies das Bundesasylamt den am 3. Oktober 2000 gestellten Asylantrag des T, eines Staatsangehörigen von China, gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet ab und stellte gleichzeitig fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die VR China nach § 8 AsylG zulässig sei.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde unter anderem aus, den Angaben des Asylwerbers hinsichtlich einer ihm drohenden Verfolgung sei jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Das Vorbringen "zu einer Bedrohungssituation" entspreche "offensichtlich den Tatsachen nicht", sodass der Asylantrag "eindeutig jeder Grundlage entbehrt und daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen" gewesen sei.

Dieser Bescheid wurde dem Asylwerber am 21. Dezember 2000 durch Hinterlegung zugestellt. Er erhob dagegen mit Schriftsatz vom 28. März 2001 - somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - Berufung und verband diese Berufung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde vom Bundesasylamt (mit Bescheid vom 23. April 2001) und vom unabhängigen Bundesasylsenat (mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 16. Mai 2001) abgewiesen, ohne dass dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG von der Asylbehörde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre. In Stattgebung der gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Mai 2001 erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid mit Erkenntnis vom 29. Jänner 2004, Zl. 2001/20/0425, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil der unabhängige Bundesasylsenat (belangte Behörde) unzutreffend davon ausgegangen war, dass der Wiedereinsetzungsantrag ohne Durchführung der zur Bescheinigung beantragten Beweise schon auf Grundlage des Vorbringens des Asylwerbers abzuweisen gewesen wäre.

In der Folge erließ die belangte Behörde - nach der Aktenlage ohne neuerlich über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen worden war, entschieden zu haben - den nunmehr mit Amtsbeschwerde angefochtenen Bescheid. Mit diesem Bescheid hob sie den erstinstanzlichen Asylbescheid "in Erledigung der Berufung" auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Begründend ging die belangte Behörde davon aus, dass der Sachverhalt im erstinstanzlichen Verfahren nicht hinreichend festgestellt worden sei. Es erweise sich das erstinstanzliche Verfahren "in concreto" mangels der gemäß § 119 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) "verpflichtenden Identitätsfeststellung und mangels der Feststellung der genauen Herkunft und Nichtbeachtung der Informations- und Weiterleitungspflichten gemäß §§ 115 - 119 FPG als mangelhaft". Andere Gründe, auf die die Behebung der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG gestützt werde, wurden im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, zu der die belangte Behörde mit der Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet hat. Der Asylwerber hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Über die Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt hat, dass das den Asylwerber betreffende Asylverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des negativen erstinstanzlichen Asylbescheides vom 19. Dezember 2000 als abgeschlossen anzusehen ist, solange über den vom Asylwerber gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht (in einer dem Antrag stattgebenden Weise) entschieden worden ist.

Die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages bzw. die Erhebung einer Berufung gegen die Abweisung dieses Antrages in erster Instanz änderte grundsätzlich nichts am rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0332; siehe aber zur Rechtslage, wenn dem Wiedereinsetzungsantrag von den Asylbehörden gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre - was im Beschwerdefall jedoch nicht der Fall war - das Erkenntnis vom 13. Oktober 2006, Zl. 2003/01/0411, und den Beschluss vom 15. März 2003, Zl. AW 2003/20/0062).

Ohne Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte daher über die - als verspätet anzusehende - Berufung des Asylwerbers nicht inhaltlich abgesprochen werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. September 1998, Zl. 97/06/0023). Somit ist der der Berufung durch Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG stattgebende angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet.

2. Soweit die belangte Behörde ihre den erstinstanzlichen Bescheid behebende Entscheidung mit dem Vorliegen von (aus § 119 Abs. 2 FPG abgeleiteten) Ermittlungsdefiziten zur Identität und Herkunft des Asylwerbers begründet hat, ist sie überdies darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsansicht mit dem hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/19/0086, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, als verfehlt erkannt hat.

3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. November 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte