VwGH 2007/18/0396

VwGH2007/18/039624.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B S in L, geboren am 18. Mai 1984, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Mai 2007, Zl. St 92/07, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 3. Mai 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dem Beschwerdeführer sei am 2. November 2004 erstmals eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" (der Vater des Beschwerdeführers sei österreichischer Staatsbürger) erteilt worden, die in der Folge immer wieder verlängert worden sei.

Am 28. Februar 2007 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz wegen § 27 Abs. 1 (erster, zweiter und sechster Fall) und Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, davon sechs Monate bedingt, verurteilt worden. Er habe im Zeitraum vom 29. Mai bis zum 1. November 2006 50 g Marihuana, die er von einem unbekannten Schwarzafrikaner angekauft habe, erworben und bis zum Eigenkonsum besessen. Er habe weiters Suchtgift in einer einfach großen Menge (im Oktober 2006 ca. 190 bis 200 g Marihuana von einem unbekannten Schwarzafrikaner auf Kommission um EUR 590,-- und am 31. Oktober 2006 ca. 400 g Marihuana von einem unbekannten Schwarzafrikaner um EUR 800,--) mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und er habe schließlich gewerbsmäßig einer anderen Person Suchtgift (die oben angeführten Mengen Marihuana um EUR 1.500,-- bzw. um EUR 500,-- sowie am 3. November 2006 93,6 g Marihuana auf Kommission um EUR 500,--) durch Gewinn bringenden Verkauf überlassen.

Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt. Der Beschwerdeführer versuche (in seiner Berufung) die verwirklichten Taten zu bagatellisieren, indem er ins Treffen führe, dass er ausschließlich im Bezug auf Marihuana strafrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht hätte. Er distanziere sich zwar von diesen Taten, merke jedoch an, dass Marihuana in einigen Staaten freigegeben und als minder gefährlich zu werten sei und diese Droge auch nicht im Zusammenhang mit der ansteigenden Suchtgiftkriminalität zu sehen sei, weshalb auch eine erhebliche Sozialschädlichkeit seines Verhaltens zu verneinen sei. Aus Sicht der belangten Behörde sei sehr wohl eine erhebliche Sozialschädlichkeit seines Verhaltens zu bejahen, habe er doch mehrere Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz über einen längeren Zeitraum, nämlich vom 19. Mai 2005 bis zum 1. November 2006 begangen. Darüber hinaus habe er auch Suchtmittel gewerbsmäßig einem Dritten durch Gewinn bringenden Verkauf überlassen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten.

Der Beschwerdeführer sei ledig, lebe bei seinem Vater und gehe im Bundesgebiet einer Beschäftigung nach. Auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend erforderlich, weil er mehrere Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz über einen längeren Tatzeitraum verwirklicht habe und zudem auch Suchtmittel Gewinn bringend an einen Dritten veräußert habe. Im Hinblick darauf, dass sämtliche dem Beschwerdeführer nahe stehenden Personen in Österreich ihren Hauptwohnsitz hätten, er in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe, das Aufenthaltsverbot seine (wirtschaftliche) Existenz gefährden würde und er in seiner Heimat weder Verwandte noch eine Möglichkeit habe, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sei ihm eine entsprechende Integration zuzugestehen. Diese sei jedoch in ihrer sozialen Komponente auf Grund des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers in erheblichem Ausmaß gemindert. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG.

Aus den genannten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen, weil eine Abstandnahme diesbezüglich die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten überwiege die von ihm geltend gemachte Integration. Weder aus dem Akt noch aus der Berufungsschrift des Beschwerdeführers könnten besondere Umstände ersehen werden, die eine Ermessensübung zu seinen Gunsten begründen könnten. Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Berufungsschrift darauf hinweise, dass es ihm in seiner Heimat nicht möglich sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. auch keine verwandtschaftlichen Beziehungen in seiner Heimat bestünden, sei ihm entgegen zu halten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen werde, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

Vor Ablauf der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes könne nicht erwartet werden, dass sich der Beschwerdeführer wieder an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die von ihm begangenen Straftaten und seine deswegen erfolgte Verurteilung nicht. Er bringt jedoch vor, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass es sich bei dem Suchtgift, das er erworben und bis zum Eigenkonsum besessen sowie gewerbsmäßig einer anderen Person durch Verkauf überlassen habe, ausschließlich um Marihuana gehandelt habe. Diese Substanz sei als "minder gefährlich" zu werten und mache weder süchtig noch abhängig. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei zwar rechtswidrig gewesen, von einer erheblichen Sozialschädlichkeit desselben sei jedoch nicht auszugehen. Ihm könne nicht angelastet werden, für das Ansteigen der Suchtgiftkriminalität mitverantwortlich zu sein.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der besagten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 28. Februar 2007 lag zu Grunde, dass er im Zeitraum vom 19. Mai 2005 bis zum 1. November 2006 Suchtgift erworben und bis zum Eigenkonsum besessen hat bzw. weiteres Suchtgift mit dem Vorsatz erworben und besessen hat, dass es in Verkehr gesetzt werde, und dass er schließlich gewerbsmäßig mit diesem Suchtgift gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 99/18/0454, mwN). Die Auffassung der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit in Österreich gefährden werde und der Tatbestand des § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG verwirklicht sei, begegnet daher keinen Bedenken, und zwar auch nicht unter dem von der Beschwerde hervorgehobenen Gesichtspunkt, dass es sich bei dem Suchtgift nicht um sogenannte harte Drogen gehandelt hat.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 66 FPG. Sie bringt vor, der Beschwerdeführer würde mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder, die ihren ständigen Wohnsitz in Österreich hätten, während der Dauer des Aufenthaltsverbotes keinen persönlichen Kontakt pflegen können. Er habe in Österreich eine Arbeit gefunden. Die Möglichkeit, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen, würde ihm in Serbien und Montenegro nicht offen stehen.

2.2. Angesichts der Dauer des bisherigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit November 2004 und seiner daraus ableitbaren Integration, seiner regelmäßigen Beschäftigung sowie seiner familiären Bindungen zu seinen Eltern und seinem Bruder ist mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die Integration des Beschwerdeführers hat aber in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Suchtgiftdelikte eine deutliche Beeinträchtigung erfahren. Den insoweit geminderten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, wobei ihm ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last liegt. Bei Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG) nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dem Vorbringen betreffend fehlende Bindungen, Kontakte und Arbeitsmöglichkeiten in dem Heimatland des Beschwerdeführers ist entgegen zu halten, dass durch § 66 FPG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird. Mit einem Aufenthaltsverbot wird ferner nicht darüber abgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

3. Die Beschwerde bekämpft schließlich die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit dem Argument, die strafbare Handlung, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, sei als minder schwer einzustufen und er habe zudem starke familiäre Bindungen in Österreich.

Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von sieben Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdelikte und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung dieser Kriminalität keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die - auch unter Berücksichtigung der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers - den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. September 2009

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