VwGH 2007/08/0147

VwGH2007/08/014721.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 14. Mai 2007, Zl. BMSG-321534/0001-II/A/3/2006, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG (mitbeteiligte Partei: G in Wien als Erbin nach Univ. Prof. DDr. F), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 1998/I/039;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 2000/I/101;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 2001/I/100;
UStG 1994 §6 Abs1 Z27;
VwRallg;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 1998/I/039;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 2000/I/101;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z7 idF 2001/I/100;
UStG 1994 §6 Abs1 Z27;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. Juni 2005 sprach die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt aus, dass Univ. Prof. DDr. F. auf Grund der Gewerbeberechtigung "Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren" vom 1. November 2000 bis 31. Dezember 2002 in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG pflichtversichert gewesen sei. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, Univ. Prof. DDr. F. sei seit 1. November 2000 zur Ausübung des gegenständlichen Gewerbes berechtigt und daher Mitglied der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Entsprechend seiner Versicherungserklärung vom 16. November 2004 sei er auch seit mehr als zehn Jahren als Aufsichtsrat tätig. Auf Grund der Überschreitung der maßgeblichen Versicherungsgrenze sei er vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2002 als Aufsichtsrat der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen. In der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bestehe jedoch eine Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 273 Abs. 1 GSVG. Darüber hinaus stehe Univ. Prof. DDr. F. seit einem vor dem 1. Jänner 2000 gelegenen Zeitpunkt als Universitätsprofessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Technischen Universität Wien. Am 29. Mai 2001 und am 26. August 2001 habe Univ. Prof. DDr. F. die Feststellung der Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG ab dem Jahr 2000 bis auf Weiteres beantragt. Die Einkünfte aus der Ausübung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung wiesen jeweils Verluste in Höhe von EUR 3.755,15 (für das Jahr 2000), von EUR 8.814,67 (für das Jahr 2001) und EUR 6.332,14 (für das Jahr 2002) auf. Die Gesamtumsätze aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Univ. Prof. DDr. F. (als Aufsichtsrat, als wissenschaftlicher Schriftsteller und durch seine Beratungstätigkeit) hätten im Jahr 2000 EUR 60.209,44, im Jahr 2001 EUR 43.434,13 sowie im Jahr 2002 EUR 126.289,94 betragen. Die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG komme nicht zum Tragen, da die Umsätze die Umsatzgrenze nicht überschreiten dürften, wobei bei dieser Überprüfung sämtliche Umsätze aus allen die Pflichtversicherung begründenden selbständigen Erwerbstätigkeiten heranzuziehen seien. Dies bedeute, dass auch die Umsätze aus den selbständigen Erwerbstätigkeiten, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG begründeten (Tätigkeit als Aufsichtsrat), heranzuziehen seien. Ausschlaggebend sei bloß, ob die Umsätze aus allen selbständigen Erwerbstätigkeiten über der Umsatzgrenze lägen. Die Gesamtumsätze aus den selbständigen Erwerbstätigkeiten lägen in den Kalenderjahren 2000 und 2001 über der Umsatzgrenze von EUR 21.801,85. Im Jahr 2002 seien allein die Einnahmen aus der Beratertätigkeit mit EUR 90.621,99 über der Umsatzgrenze von EUR 22.000,-- gelegen, sodass bereits die Umsätze aus der gewerblichen Tätigkeit zum Überschreiten der Umsatzgrenze geführt hätten.

Gegen diesen Bescheid erhob Univ. Prof. DDr. F. Einspruch.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich diesem Einspruch Folge und stellte fest, dass Univ. Prof. DDr. F. hinsichtlich der gewerblichen Erwerbstätigkeit auf Grund der Gewerbeberechtigung "Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren" vom 1. November 2000 bis 31. Dezember 2002 nicht in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG pflichtversichert ist.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt Berufung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben. Nach der Darlegung des Verwaltungsgeschehens und von gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen aus, Univ. Prof. DDr. F. stehe als Universitätsprofessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes sei er auch als Aufsichtsrat tätig gewesen. Auf Grund dieser Tätigkeit sei er § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen, wobei hinsichtlich der Pensionsversicherung aber eine Ausnahme gemäß § 273 Abs. 8 GSVG bestanden habe. Seit 1. Jänner 2000 sei er Inhaber einer Gewerbeberechtigung und somit Mitglied der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit wiesen Verluste in der Höhe von EUR 3.755,15 (für 2000), EUR 8.814,67 (für 2001) und EUR 6.332,14 (für 2002) aus. Die Gesamtumsätze aus sämtlichen selbständigen Tätigkeiten hätten im Jahr 2000 EUR 60.209,44, im Jahr 2001 EUR 43.434,13 und im Jahr 2002 EUR 126.289,94 betragen. Selbst den Erläuterungen zum Gesetz sei nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Ausnahmeregelung nur dann zum Tragen komme, wenn die Zusammenrechnung aller selbständigen Umsätze unter den entsprechenden Grenzen liege. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes beziehe sich die Bemessung sowohl der Einkunftsgrenzen als auch der Umsatzgrenzen auf den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG (Verwendung der Worte "aus dieser Tätigkeit"), nicht aber auf andere selbständige Tätigkeiten. Das Abstellen auf den faktischen Umstand, dass der Umsatzsteuerbescheid lediglich Gesamtumsätze aus allen selbständigen Tätigkeiten ausweise, könne als Begründung für die Auslösung von Rechtsfolgen wie das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Pflichtversicherung nicht ausreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Die beschwerdeführende Partei sieht sich in ihrem Recht verletzt, den Bestand der Pflichtversicherung des Univ.Prof. DDr. F. vom 1. November 2000 bis zum 31. Dezember 2002 in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG festzustellen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand. Für die mitbeteiligte Partei hat die KMPG Alten-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft eine Gegenschrift mit dem Antrag eingebracht, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG sind die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

§ 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sieht vor, dass selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in den entsprechenden Versicherungszweigen eingetreten ist, im GSVG in der Pensionsversicherung und in der Krankenversicherung pflichtversichert sind.

§ 4 Abs. 1 Z. 5 und Z. 6 enthalten Ausnahmetatbestände hinsichtlich der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG.

§ 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG in der ursprünglichen Fassung BGBl. I Nr. 139/1998 hat folgenden Wortlaut:

"§ 4. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen:

...

7. auf Antrag Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1, die glaubhaft machen, dass ihre Umsätze die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit jährlich das 12fache des Betrages nach § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b nicht übersteigen. Treffen diese Voraussetzungen nach Ablauf des Kalenderjahres für das sie glaubhaft gemacht wurden, tatsächlich nicht zu, ist der Wegfall der Ausnahme von der Pflichtversicherung im nachhinhein festzustellen. Ein Antrag kann nur von Personen gestellt werden, die innerhalb der letzten 60 Kalendermonate nicht mehr als 12 Kalendermonate nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert waren."

Der erste Satz des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG stand auch während der zeitraumbezogen hier maßgebenden Gesetzesfassungen BGBl. I Nr. 101/2000, BGBl. I Nr. 33/2001, BGBl. I Nr. 100/2001 und BGBl. I Nr. 103/2001 (soweit für den vorliegenden Fall wesentlich: unverändert) in Geltung.

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2000 erhielt § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG folgenden Wortlaut:

"7. auf Antrag Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1, die glaubhaft machen, dass ihre Umsätze die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit jährlich das 12fache des Betrages nach § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b nicht übersteigen. Treffen diese Voraussetzungen nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie glaubhaft gemacht wurden, tatsächlich nicht zu, ist der Wegfall der Ausnahme von der Pflichtversicherung im nachhinein festzustellen. Ein Antrag kann nur von Personen gestellt werden, die innerhalb der letzten 60 Kalendermonate nicht mehr als 12 Kalendermonate nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert waren oder die das 65. Lebensjahr vollendet haben."

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 100/2001 mit Inkrafttreten vom 1. August 2001 erhielt § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG folgenden Wortlaut:

"7. auf Antrag, Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 oder § 2 Abs. 2 FSVG, die glaubhaft machen, dass ihre Umsätze die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z 27 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, und ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit jährlich das 12fache des Betrages nach § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b nicht übersteigen. Treffen diese Voraussetzungen nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie glaubhaft gemacht wurden, tatsächlich nicht zu, ist der Wegfall der Ausnahme von der Pflichtversicherung im nachhinein festzustellen. Ein Antrag kann nur von einer Person gestellt werden,

a) die innerhalb der letzten 60 Kalendermonate nicht mehr als zwölf Kalendermonate nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert war oder

  1. b) die das 65. Lebensjahr vollendet hat oder
  2. c) die das 57. Lebensjahr vollendet und innerhalb der letzten fünf Kalenderjahre vor der Antragstellung die im ersten Satz genannten Voraussetzungen erfüllt hat.

    Die Ausnahme trifft frühestens mit Beginn des Kalenderjahres, in dem der Antrag gestellt und die Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden, ein. Wird die Ausnahme im Kalenderjahr rückwirkend geltend gemacht, so beginnt sie mit dem Ersten des Kalendermonates, der auf die Antragstellung folgt, sofern im Kalenderjahr bereits Leistungen aus der Kranken- oder Pflichtversicherung bezogen wurden."

    In den Materialien zum Gesetz BGBl. I Nr. 139/1998 wird festgehalten, dass eine Ausnahmemöglichkeit von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung "bei geringfügiger gewerblicher Erwerbstätigkeit" geschaffen werden sollte (so der Allgemeine Teil der EB zur RV, 1235 BlgNR, 20. GP, S. 16, und der AB, 1378 BlgNR, 20. GP, S. 1). Im Besonderen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1235 BlgNR, 20. GP, S. 19, wird zu § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG Folgendes ausgeführt:

    "Die Arbeitswelt hat sich nicht nur im Bereich der unselbständig Erwerbstätigkeiten, sondern auch bei den Selbständigen verändert. Eine sehr große Anzahl von Personen übt derzeit in geringem Umfang nebenbei selbständige Tätigkeiten aus, die der Gewerbeordnung unterliegen. Auf Grund des eher geringen Tätigkeitsumfanges stellen die dabei erzielten Einkünfte lediglich einen kleinen Zusatzverdienst dar und es wird keinesfalls der Lebensunterhalt ausschließlich aus dieser Tätigkeit bestritten. Es geht dabei vor allem um Tätigkeiten, die nebenbei von Studenten, Hausfrauen, Pensionisten und anderen Personen ausgeübt werden, die ansonsten nicht der Vollversicherung unterliegen.

    In Anlehnung an das Modell der geringfügig Beschäftigten im ASVG soll daher unter den in § 4 Abs. 1 Z 7 genannten Voraussetzungen geringfügig tätigen Gewerbetreibenden durch einen Antrag die Ausnahme in der Pensions- und Krankenversicherung ermöglicht werden. Die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung (§ 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG) bleibt davon unberührt. Die Formulierung der Ausnahmebestimmung wurde so vorgenommen, dass keinesfalls bereits versicherten Gewerbetreibenden, die von ihrer Tätigkeit leben, der sozialversicherungsrechtliche Schutz entzogen werden kann. Vielmehr geht es darum, bisher außerhalb der Sozialversicherungspflicht stehenden Personen eine Legalisierung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Die für selbständige Erwerbstätigkeit typischen Einkommensschwankungen sollen dergestalt berücksichtigt werden, als ein Antrag nur dann möglich sein soll, wenn über einen längeren Zeitraum keine Pflichtversicherung nach dem GSVG bestanden hat.

    Diese Regelung, die am 1. Jänner 1999 in Kraft treten soll, soll im Wesentlichen für Personen gelten, die eine Gewerbeberechtigung neu anmelden bzw. bei einer längeren Zeit ruhend gemeldeten Gewerbeberechtigung einen Wiederbetrieb anmelden. Jedenfalls soll verhindert werden, dass bisher laufend in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversicherte Personen derartige Anträge stellen. Aus diesem Grund soll ein entsprechender Antrag nur von Personen gestellt werden können, die innerhalb der letzten fünf Jahre nicht mehr als zwölf Kalendermonate pflichtversichert waren.

    Diese Maßnahme soll einen positiven Anreiz zur Vermeidung illegaler Tätigkeit bieten und den Weg in die Selbständigkeit erleichtern. Im Falle einer Überschreitung der Grenzbeträge für die Ausnahmeregelung kommt es zur Vollversicherung nach dem GSVG. Als Nachweis für die betraglichen Grenzen könnte eine Steuererklärung als maßgeblicher Nachweis herangezogen werden."

    Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt bringt vor, der belangten Behörde sei insoweit beizupflichten, als der Gesetzeswortlaut hinsichtlich der Prüfung der Überschreitung der Einkunftsgrenze auf die Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit abstelle und somit auch nicht unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien eine Summierung der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 und Z. 4 GSVG erfolgen dürfe. Für die Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG dürfe aber noch vor der Beurteilung von Einkünften aus unterschiedlichen Tätigkeiten die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG für "Kleinunternehmer" nicht überschritten werden. Die Umsatzgrenze stelle in sachlich gebotener Weise auf die Gesamtumsätze des Unternehmers ab. Die Systematik des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG entspreche dieser Vorgabe, sodass dieser erste Prüfschritt hinsichtlich der Umsatzgrenze noch vor der Beurteilung der Höhe der Einkünfte zu setzen sei. Der Gesetzgeber habe die Prüfung im Zusammenhang mit den Umsätzen nicht auf die gewerbliche Tätigkeit eingeschränkt und diesbezüglich nicht etwa ebenfalls die Worte "aus dieser Tätigkeit" eingefügt. Eine vom Steuerrecht abweichende Umsatzgrenzenprüfung sei nicht statthaft. Das Umsatzsteuergesetz sei vom Grundsatz der Unternehmenseinheit getragen. Folglich seien die Umsätze des Univ. Prof. DDr. F. aus der Unternehmensberater-, der Aufsichtsrats- und der Schriftstellertätigkeit zusammenzurechnen. Auch "in der Literatur" werde bezüglich der Prüfung der Umsatzgrenze auf den Umsatzsteuerbescheid abgestellt, der die Umsätze nicht nach unterschiedlichen selbständigen Tätigkeiten aufschlüssele, sondern als Einheit ansehe (Verweis auf die bei Teschner/Widlar, GSVG-Kommentar zu § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG, S. 40/2a, referierte "Praxis des Vers.-Trägers"). Lägen die Gesamtumsätze daher über der Grenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG, sei weder aus umsatzsteuerrechtlicher noch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht von einem "schützenswürdigen" Kleinunternehmer auszugehen. Dieses Ergebnis finde Deckung in den Gesetzesmaterialien, aus denen hervorgehe, dass die Kleinunternehmerregelung in Anlehnung an das Modell der geringfügig Beschäftigten im ASVG geschaffen worden sei mit dem Ziel, alle Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit im ASVG und jene aus selbständiger Erwerbstätigkeit im GSVG zu erfassen. Auch im ASVG komme es zu einer Pflichtversicherung, wenn die Geringfügigkeitsgrenze auf Grund mehrerer Tätigkeiten (Zusammenrechnung der Einkünfte aus mehreren Beschäftigungen gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG) überschritten werde. Der Gesetzgeber habe lediglich Einkünfte aus selbständigen Tätigkeiten, die im geringen Umfang nebenbei ausgeübt würden, von der Pflichtversicherung ausnehmen wollen. Begründet sei dies damit worden, dass die auf Grund der geringen Gewerbeausübung erzielten Einkünfte nicht der ausschließlichen Bestreitung des Lebensunterhaltes dienten, sondern lediglich einen Zusatzverdienst darstellten. Jene Personen, die bereits von der Tätigkeit lebten, sollten ausgeschlossen bleiben. Ein isoliertes Betrachten ausschließlich der Umsätze aus der Gewerbetätigkeit beim Vorliegen mehrerer Tätigkeiten sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen.

    Dieses Vorbringen führt die beschwerdeführende Partei nicht zum Ziel:

    Zunächst ist darauf hin zuweisen, dass die Gesetzesmaterialien ausdrücklich von einer Ausnahmemöglichkeit von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung "bei geringfügiger gewerblicher Erwerbstätigkeit" sprechen, wie oben dargestellt wurde. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die "gewerbliche Erwerbstätigkeit" selbst geringfügig sein muss und dass es nicht auf die Gesamtumsätze ankommt (dazu, dass es auch trotz des Ziels der Harmonisierung mit dem Steuerrecht auf die jeweilige Tätigkeit ankommt, vgl. im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG z.B. die hg. Erkenntnisse vom 11. September 2008, Zl. 2006/08/0041, und vom 11. September 2008, Zl. 2006/08/0196).

    Auch der Besondere Teil der Erläuterungen spricht davon, dass die "dabei" (sc. bei der gewerblichen Tätigkeit) erzielten Einkünfte lediglich einen kleinen Zusatzverdienst darstellen sollen (also durchaus etwa auch zu Einkünften aus Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG) und dass der Lebensunterhalt keinesfalls ausschließlich aus "dieser" (sc. der gewerblichen) Tätigkeit bestritten wird.

    Hinzu kommt Folgendes:

    Wenn die Regelung, dass die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG ("Kleinunternehmer-Grenze") nicht überschritten werden darf, dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Antragstellers eine Bedeutung haben soll, dann wäre es schon aus gleichheitsrechtlichen Gründen notwendig gewesen, nicht nur Einkünfte aus "dieser Tätigkeit", sondern auch andere Einkünfte, insbesondere solche aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ebenso zu berücksichtigen. Das Gesetz stellt aber auf derartige Einkünfte nicht ab. Dies könnte dazu führen, dass z.B. bei einem selbständig tätigen Rechtsanwalt wegen entsprechend hoher Umsätze aus dieser Tätigkeit eine Ausnahme von der Pflichtversicherung nicht in Betracht kommt, während auch hohe Einkünfte eines angestellten Rechtsanwaltes einer Ausnahme nicht im Wege stünden. Diese Überlegung führt dazu, dass bei einer Gleichheits- und damit verfassungskonformen Interpretation des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG nur solche Umsätze gemeint sein können, die aus der Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG herrühren. Es ist somit insoweit eine teleologische Reduktion der strengen Wortbedeutung der Verweisung auf § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG vorzunehmen.

    Dass im Übrigen eine derartige Differenzierung der Umsätze nach Beschäftigungen auch in der Praxis möglich ist, geht bereits aus dem erstinstanzlichen Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt hervor, in dessen Begründung für das Kalenderjahr 2002 die Umsätze aus der Beratertätigkeit gesondert angegeben werden.

    Ausgehend vom geltend gemachten Beschwerdepunkt erweist sich die vorliegende Beschwerde jedoch aus folgenden Gründen als zielführend:

    Die belangte Behörde hat sich, insbesondere im Hinblick auf die eben genannte Begründung des erstinstanzlichen Bescheides der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt, nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht im Jahr 2002 angesichts von Umsätzen aus einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG, die anscheinend über der sogenannten "Kleinunternehmer-Grenze" gelegen sind, die Heranziehung des Ausnahmetatbestandes ausgeschlossen gewesen ist.

    Darüber hinaus enthält der Bescheid keine Begründung hinsichtlich des Vorliegens der persönlichen Ausnahmevoraussetzungen des Univ. Prof. DDr. F. im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG. Ferner bedürfte es in diesem Zusammenhang einer Begründung, weshalb den gegenständlichen Antragstellungen des Univ. Prof. DDr. F. auch Rückwirkung zugekommen sein soll, insbesondere hinsichtlich des Jahres 2000.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich die Aufhebung wegen der Unteilbarkeit des Spruches jedenfalls auf den gesamten in Beschwerde gezogenen Bescheid zu erstrecken hat.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 21. Jänner 2009

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