VwGH 2007/08/0071

VwGH2007/08/007121.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Ing. M in S, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 19. Februar 2007, Zl. BMSG-324256/0002- II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Normen

AmtssitzAbk IAEO 1958 Art10 Absch25;
SozVersAbk IAEO 2000;
WrDiplKonv Art33;
AmtssitzAbk IAEO 1958 Art10 Absch25;
SozVersAbk IAEO 2000;
WrDiplKonv Art33;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Juli 2006 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit "Entwicklung und Installation von Probenaufbereitungsanlagen" vom 1. Jänner 1998 bis 31. Dezember 1998 und vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2002 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung sowie vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2002 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen ist. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1998 und 2000 bis 2002 näher aufgelistete Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen. Laut seiner Versicherungserklärung vom 15. September 2003 habe er eine selbständige betriebliche Erwerbstätigkeit im Bereich "Entwicklung und Installation einer Probenaufbereitungsanlage" ausgeübt. Des Weiteren beziehe der Beschwerdeführer seit 1. November 1979 Einkünfte aus einer nicht selbständigen Tätigkeit bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), welche über der Höchstbeitragsgrundlage lägen. Der Beschwerdeführer habe von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einer freiwilligen Versicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG beizutreten. Es komme daher in der Pflichtversicherung der Krankenversicherung nach dem GSVG zu einer Differenzbeitragsvorschreibung.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Dezember 2006 keine Folge gegeben.

Die gegen den Einspruchsbescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid abgewiesen.

In seiner Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte Zuerkennung von Aufwandersatz für den Vorlageaufwand und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt, ausdrücklich Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Beschwerde auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie - Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie - Organisation, BGBl. Nr. 82/1958 idF Nr. 413/1971 (in der Folge: Amtssitzabkommen). Des Weiteren beruft sich der Beschwerdeführer auf Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie - Organisation über soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 187/2000 (in der Folge: Sozialabkommen).

In beiden Abkommen werde keine Einengung in bezug auf die Sozialversicherungspflicht ausschließlich auf die Tätigkeit bei der IAEO vorgenommen. Es sei somit von einer insgesamten persönlichen Befreiung der Dienstnehmer der IAEO von der Sozialversicherungspflicht bei österreichischen inländischen Sozialversicherungsträgern auszugehen, solange eine Krankenversicherung im Wege des "Opting-In" sowie eine Pensionsversicherung durch Beitragsleistung an den Pensionsfonds gemäß Teil I Art. I Z. 5 des Sozialabkommens nachgewiesen seien. Auch Art. X des Amtssitzabkommens schränke die Freiheit von der österreichischen Sozialversicherungspflicht nicht auf die Tätigkeit bei der IAEO ein. Gemäß Abschnitt 25 sei die IAEO von jeder Beitragspflicht an eine Sozialversicherungseinrichtung der Republik Österreich befreit. Die Angestellten der IAEO werden von der Regierung nicht verhalten, solchen Einrichtungen anzugehören. Der angefochtene Bescheid verstoße gegen diese Regelungen, sodass das Schiedsverfahren gemäß Art. XIX Abschnitt 51 des Amtssitzabkommens einzuleiten sei. Die Entrichtung von Einkommensteuer für die Tätigkeit des Beschwerdeführers stehe im Einklang mit dem Amtssitzabkommen, da in diesem die Steuerfreiheit der IAEO, also der Organisation selbst, behandelt werde. Im Übrigen sei im Amtssitzabkommen die Befreiung von der Besteuerung der Gehälter, Bezüge und Vergütungen jedoch konkret auf die Gehälter, die die Angestellten von der IAEO erhielten, bezogen. Diesbezüglich werde also auf die Tätigkeit bei der IAEO Bezug genommen, wohingegen bei der Bestimmung des Abschnittes 25 die Angestellten der IAEO allgemein als Personen angesprochen seien, die nicht verhalten werden dürften, Sozialversicherungseinrichtungen der Republik Österreich anzugehören. Beim Abschluss des Amtssitzabkommens sei es der Regierung ausschließlich darum gegangen, dass die Dienstnehmer der IAEO in ein Sozialsystem eingebunden seien, welches der gesetzlichen Pflichtversicherung gleichwertig sei. Dem sei durch die Möglichkeit des "Opting-In" und der gesonderten Beitragsentrichtung in der Krankenversicherung nach dem ASVG sowie durch die Dotierung des Pensionsfonds, jeweils durch den Beschwerdeführer, Genüge getan.

Gemäß Art. I Abschnitt 1 lit. o des Amtssitzeinkommens (gleichlautend Teil I Art. 1 des Sozialabkommens) werden als "Angestellte der IAEO" der Generaldirektor und alle Angehörigen des Personals der IAEO mit Ausnahme des an Ort und Stelle aufgenommenen und nach Stundenlohn bezahlten Personals angesehen. Der Beschwerdeführer ist unstrittig Angestellter der IAEO in diesem Sinne.

Gemäß Art. X Abschnitt 25 des Amtssitzabkommens ist die IAEO von jeder Beitragspflicht an eine Sozialversicherungseinrichtung der Republik Österreich befreit und werden die Angestellten der IAEO von der Regierung nicht verhalten, solchen Einrichtungen anzugehören.

Gemäß Art. XIX Abschnitt 51 des Amtssitzabkommens sind alle Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und der IAEO über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens oder irgendeines Zusatzabkommens sowie alle Fragen hinsichtlich des Amtssitzbereiches oder des Verhältnisses zwischen der Regierung und der IAEO, welche nicht im Verhandlungswege oder nach einem anderen einvernehmlich festgelegten Verfahren beigelegt werden, zur endgültigen Entscheidung einem aus drei Schiedsrichtern zusammengesetzten Schiedsgericht zu unterbreiten.

Gemäß Teil II Art. 2 des Sozialabkommens haben Angestellte bei Beginn der Beschäftigung bei der IAEO nach den näheren Bestimmungen des Art. 4 das Recht, jedem einzelnen Zweig der Sozialversicherung nach dem ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG beizutreten. Diese Versicherung hat in jedem gewählten Zweig die gleichen Rechtswirkungen wie eine Pflichtversicherung.

Die mit der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 eingeführte Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sieht eine Pflichtversicherung für selbständig erwerbstätige Personen, die aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 bzw. 23 EStG 1988 erzielen, vor, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in den entsprechenden Versicherungszweigen eingetreten ist.

Zum Beschwerdevorbringen ist zunächst auszuführen, dass ein Schiedsverfahren gemäß Art. XIX Abschnitt 51 des Amtssitzabkommens im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Frage kommt, weil keine Meinungsverschiedenheit vorliegt, an der die IAEO selbst beteiligt ist. Der Beschwerdeführer macht auch nicht geltend, dass Organe der IAEO im gegenständlichen Verfahren tätig geworden und bestimmte Meinungen vertreten hätten, sodass sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Bundesregierung und der IAEO hätte ergeben können.

In Art. X Abschnitt 25 übernimmt "die Regierung" zwar die Verpflichtung, "die Angestellten der IAEO" nicht zu verhalten, Sozialversicherungseinrichtungen der Republik anzugehören. Diese Verpflichtung kann aber im Zweifel nur für Angestellte der IAEO in dieser Eigenschaft gelten und hinsichtlich der daraus erzielten Einkünfte. Weder kann ein so weitreichendes "Vertretungsrecht" oder auch nur Vertretungsinteresse der IAEO hinsichtlich der Personen, die ihre Angestellten sind, unterstellt werden, dass man der genannten Vereinbarung zusinnen könnte, auch andere, die IAEO nicht betreffende Lebensbereiche der Angestellten der IAEO zu regeln, insbesondere auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet, noch kann im Zweifel eine Absicht der Parteien unterstellt werden, auch für Nichtdiplomaten eine Art sozialversicherungsrechtlicher "Exterritorialität" geschaffen zu haben, wie sie in Art. 33 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl. Nr. 66/1966, normiert ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2008, Zl. 2007/08/0207) und auch dort im übrigen nur für einen Diplomaten "in Bezug auf seine Dienste für den Entsendestaat" gilt.

Daher unterliegt der Beschwerdeführer auch als Angestellter der IAEO mit seinen Einkünften aus anderen Erwerbstätigkeiten, insbesondere jenen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG den österreichischen Sozialversicherungsgesetzen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Jänner 2009

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