VwGH 2007/03/0092

VwGH2007/03/009229.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des BP in F, Deutschland, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hellbrunner-Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. März 2007, Zl. uvs-2004/17/011-17, betreffend eine Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VStG §9 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VStG §9 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalls ist auf das hg Erkenntnis vom 10. Oktober 2006, Zl 2005/03/0092, zu verweisen, mit dem der im ersten Verfahrensgang erlassene Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 2004 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer neuerlich einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes für schuldig erkannt, da er als Geschäftsführer der P GmbH veranlasst habe, dass mit einem auf die P GmbH zugelassenen, nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeug mit einem Höchstgewicht von mehr als 7,5 t, von Deutschland über die Grenzeintrittsstelle Kiefersfelden kommend, Einfahrt am 28. Oktober 2003, in Richtung Italien eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich durchgeführt worden sei und er unterlassen habe, sich zu überzeugen, dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniere, was bei einer Kontrolle am 28. Oktober 2003 um 22.05 Uhr auf der Kontrollstelle Kundl, A 12, Inntalautobahn bei Kilometer 24,3, festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs 1 Z 6 und Z 9 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl Nr 593/1995, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 32/2002 iVm Art 1 Abs 1 sowie Art 2 Abs 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr 3298/94 in der Fassung der Verordnungen Nr 1524/96, Nr 609/2000 und Nr 2012/2000 begangen. Gemäß § 23 Abs 1 und Abs 4 Güterbeförderungsgesetz 1995 in der Fassung BGBl I Nr 32/2002 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 1.453,-- verhängt.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht im Wesentlichen jener des im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheides der belangten Behörde, ergänzt um nähere Ausführungen betreffend die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG. Die belangte Behörde führt dazu aus, dass anlässlich der Berufungsverhandlung am 9. Juni 2004 die Kopie einer Urkunde betreffend die "Übertragung von Geschäftsführerbereichen" vorgelegt worden sei; diese wird im angefochtenen Bescheid im Faksimile wiedergegeben. Dieses Dokument trägt die Überschrift "Übertragung von Geschäftsführerbereichen", ist an AP, ein Mitgeschäftsführer der P GmbH, adressiert und mit 11. Oktober 1999 datiert; es hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr (AP),

Mit Wirkung vom 11.10.19999 erteilen wir Ihnen eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich

für den Bereich Fuhrpark und Transitbereich Südeuropa für die Firma P GmbH.

Sie werden hiermit zu nachfolgenden eigenverantwortlichen Rechtshandlungen verpflichtet. Nachfolgende Aufgaben sind von Ihnen gewissenhaft und verbindlich korrekt zu überprüfen und zu kontrollieren.

  1. 1. Abschluss von Miet-, Pacht-, Leasingverträgen.
  2. 2. Abschluss von Arbeits- und Anstellungsverträgen.
  3. 3. Regelmäßige Kontrolle, Belehrung und Beaufsichtigung aller Fahrer.
  4. 4. Technische Betreuung des Fahrparks.
  5. 5. Überwachung und Belehrung sämtlicher Transitfahrten."

    Dieses Dokument trägt neben der Zeichnung durch die P GmbH auch die Unterschrift von AP unter der Erklärung: "Ich stimme der Übertragung der eigenverantwortlichen Handlungsvollmacht zu."

    Die belangte Behörde führte dazu aus, dass in diesem Schreiben in keinem Punkt ausgeführt sei, dass dem Unterfertiger AP für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die "Verantwortung für die Einhaltung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung" obliege. Dies wäre im gegenständlichen Fall jedoch unbedingt notwendig gewesen, um eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit vom Beschwerdeführer auf AP zu gewährleisten. Im vorliegenden Papier betreffend die Übertragung von Geschäftsführerbereichen seien lediglich bestimmte Arbeitsbereiche der P GmbH zur "Bearbeitung" überlassen worden. Da mit keinem Wort eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortungsübertragung stattgefunden habe, sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass eine solche Übertragung auch nicht stattgefunden habe.

    Darüber hinaus wäre es nötig gewesen, ein Original dieses Dokuments bzw ein notariell beglaubigtes Dokument vorzulegen, um dessen Echtheit überprüfen und anerkennen zu können. Im Verwaltungsakt liege lediglich eine Faxmitteilung betreffend die Übertragung von Geschäftsführerbereichen vor; der Inhalt könne "echt sein oder auch nicht", dies habe jedoch nicht verifiziert werden können. Der Beschwerdeführer habe "trotz Erhaltes des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses" weder ein Original noch ein notariell beglaubigtes Dokument vorgelegt. Auch aus diesem Grund sei dem Argument des Beschwerdeführers, wonach die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf AP übertragen worden sei, kein Glaube zu schenken gewesen.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 9 VStG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl I Nr 137/2001 lautet auszugsweise:

"Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

...

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

...

(6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben."

2. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis gekommen, dass die vom Beschwerdeführer (als Telefax-Ausdruck) vorgelegte Urkunde nach ihrem Inhalt nicht geeignet sei, die Bestellung von AP zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG zu dokumentieren, da darin eine "verwaltungsstrafrechtliche Verantwortungsübertragung" nicht erwähnt werde. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es notwendig gewesen, dass in diesem Dokument bereits ausgeführt werde, dass AP (für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens) die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung obliege, um eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit vom Beschwerdeführer auf AP zu gewährleisten.

Die belangte Behörde verkennt damit, dass nach dem Akteninhalt AP Mitgeschäftsführer der P GmbH ist und ihn daher als zur Vertretung nach außen Berufenen grundsätzlich schon nach § 9 Abs 1 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die P GmbH trifft, und zwar ebenso wie den Beschwerdeführer, sofern keine wirksame Bestellung eines (anderen) verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 VStG erfolgt. Anders als bei der Bestellung eines nicht dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen angehörenden verantwortlichen Beauftragten für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens im Sinn des § 9 Abs 2 letzter Satz VStG bzw des § 9 Abs 3 VStG wird durch die "Übertragung von Geschäftsführerbereichen", wie sie in der vorgelegten Urkunde dokumentiert ist, dem verantwortlichen Beauftragten keine ihn bis dahin nicht treffende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung übertragen; vielmehr wird die mehrere Geschäftsführer grundsätzlich gemeinsam treffende Verantwortung für den in dieser Urkunde genannten Bereich nur einem der Geschäftsführer zugeordnet. Die Bestellung lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan iSd § 9 Abs 1 VStG unberührt, sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfanges) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw nach § 9 Abs 6 VStG deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung (vgl das hg Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl 97/11/0044).

Im gegenständlichen Fall ist nach dem Wortlaut der vorgelegten Urkunde einem von mehreren Geschäftsführern der P GmbH ein "eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich" zugeordnet und der Geschäftsführer wird für diesen Geschäftsbereich zu bestimmten "eigenverantwortlichen Rechtshandlungen" verpflichtet, wozu unter anderem die regelmäßige Kontrolle, Belehrung und Beaufsichtigung aller Fahrer und die "Überwachung und Belehrung sämtlicher Transitfahrten" genannt sind. Da es sich bei AP nach dem Inhalt des Verwaltungsakts um einen "Mitgeschäftsführer", somit um eine im Sinn des § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Person handelt, bedurfte es nicht des ausdrücklichen Hinweises, dass durch die Übertragung des "eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereichs" auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf AP übertragen werde. Angesichts der Geschäftsführereigenschaft und der nach dem Dokument erfolgten Übertragung eines eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgabenkreises kann es auch nicht zweifelhaft sein, dass AP eine entsprechende Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs 4 VStG zukommt.

Vor diesem Hintergrund ist daher die nach dem Wortlaut der vorgelegten Urkunde erfolgte "Übertragung von Geschäftsführerbereichen" mit einem abgegrenzten "eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich" und der Verpflichtung zu bestimmten "eigenverantwortlichen Rechtshandlungen" als Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen im Sinn des § 9 Abs 2 erster Satz VStG zu verstehen.

Ob die weiteren Voraussetzungen des § 9 Abs 4 VStG bei AP gegeben sind, hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer Rechtsansicht, dass schon der Wortlaut der Urkunde ungenügend sei -

nicht festgestellt.

3. Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer wirksamen Bestellung von AP zum verantwortlichen Beauftragten schon auf Grund des Wortlauts der vorgelegten Urkunde verneint, sodass es unter Zugrundelegung dieser Ansicht auch nicht erforderlich war, eine ausdrückliche Feststellung zur Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunde zu treffen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass gemäß § 9 Abs 2 iVm Abs 4 VStG zwar eine nachweisliche Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten erforderlich ist, sodass die zur Vertretung nach außen berufenen Personen für das Vorliegen dieses Nachweises beweispflichtig sind. Es bestehen jedoch keine die Beweiswürdigung einschränkenden Bestimmungen, welche etwa vorsehen würden, dass der Nachweis der Zustimmung lediglich mittels einer im Original oder in beglaubigter Kopie vorgelegten Urkunde erfolgen könne. Dies schließt nicht aus, dass die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis kommt, dass auf Grund von Zweifeln an der Echtheit einer bloß in Kopie oder als Telefax-Ausdruck vorgelegten Urkunde der Nachweis der Zustimmung im Sinn des § 9 Abs 4 VStG nicht gelungen sei. Hatte die belangte Behörde Zweifel betreffend die Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunde, so wäre sie gehalten gewesen, dies im Verfahren zu überprüfen (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl 2008/03/0015) und dazu ausdrückliche Feststellungen unter Darlegung der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen zu treffen; dazu reicht es jedenfalls nicht aus, bloß festzuhalten, dass "nicht verifiziert werden" könne, ob der Inhalt echt sei oder nicht.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 29. Jänner 2009

Stichworte