VwGH 2006/08/0119

VwGH2006/08/01199.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des J S in St. J, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 15. Februar 2006, Zl. LGS600/SfA/0566/2006-He/Pa, betreffend Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §16 Abs1 litl;
AVG §38;
AlVG 1977 §16 Abs1 litl;
AVG §38;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Jänner 2006 forderte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice L vom Beschwerdeführer das im Zeitraum vom 30. Jänner 2004 bis zum 16. Februar 2004 zu Unrecht bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 634,14 zurück. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass er von der Firma P. für diesen Zeitraum eine Urlaubsentschädigung erhalten habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe vor Beendigung seines Dienstverhältnisses bei der Firma P. den offenen Resturlaub konsumiert. Dies werde sowohl durch die Arbeitsbescheinigung als durch die letzte Lohnabrechnung für Jänner 2004 bestätigt, aus der hervorgehe, dass ihm keine Urlaubsersatzleistung ausbezahlt worden sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde habe

"im Zuge des Berufungsverfahrens ... erhoben, dass Sie (der Beschwerdeführer) mit der Firma P. hinsichtlich der Ersatzleistung für Urlaubsentgelt in persönlichem Kontakt gewesen sind und die Auszahlung urgiert haben. Am 07. 11. 2004 ist Ihnen schließlich der Betrag i.H.v. EUR 486,21 ausbezahlt worden."

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe - so die belangte Behörde weiter -während des Zeitraumes, für den ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung bestehe. Der Beschwerdeführer habe für den Zeitraum vom 30. Jänner bis zum 16. Februar 2004 eine derartige Ersatzleistung für Urlaubsentgelt erhalten. Daher sei die Gewährung des Arbeitslosengeldes für diesen Zeitraum zu widerrufen. Der Beschwerdeführer habe die Ersatzleistung für Urlaubsentgelt bei der Firma P. betrieben und im November EUR 486,21 erhalten. Da er habe erkennen können, dass ihm das Arbeitslosengeld nicht gebühre, sei es zurückzufordern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die belangte Behörde die Feststellung, er habe eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt von EUR 486,21 erhalten, nicht begründet und es unterlassen habe, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Sowohl aus der vom ehemaligen Dienstgeber, der Firma P., ausgestellten Arbeitsbescheinigung als auch aus dem Abrechnungsbeleg ergebe sich, dass er keine derartige Ersatzleistung erhalten habe. Diese Unterlagen habe er der Behörde zur Verfügung gestellt. Es sei auch unrichtig, dass er nach Beendigung des Dienstverhältnisses im November 2004 mit seinem ehemaligen Dienstgeber in Kontakt getreten und ihm ein Betrag von EUR 486,21 ausbezahlt worden sei. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses habe der Beschwerdeführer überhaupt keinen Kontakt mehr zur Firma P. gepflogen. Auch aus den bereits vorgelegten Kontoauszügen ergebe sich, dass er keinerlei zusätzliche Zahlungen erhalten habe. Es sei nicht erkennbar, wieso die belangte Behörde ihm keinen Glauben schenke. Sollte sich die belangte Behörde auf Zeugenaussagen der Firma P. stützen, so habe er keine Möglichkeit erhalten, darauf zu reagieren.

Gemäß § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen ist und aus welchen Erwägungen sie gerade diesen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 60 E 19 wiedergegebene Judikatur).

Obwohl der Beschwerdeführer in seiner Berufung unter Hinweis auf die Arbeitsbescheinigung der Firma P. vom 5. Februar 2004 (aus der sich ergibt, dass er weder Urlaubsentschädigung noch Urlaubsabfindung erhalten habe) und unter Hinweis auf den Abrechnungsbeleg der Firma P. vom 31. Jänner 2004 (aus der sich ebenfalls keine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt entnehmen ließ) ausdrücklich bestritten hat, die zur Rede stehende Zahlung von EUR 486,21 als Urlaubsentschädigung von seinem ehemaligen Arbeitgeber erhalten zu haben, hat die belangte Behörde nur mit der Begründung, dass dies "erhoben" worden sei, festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Auszahlung einer Ersatzleistung für Urlaubsgeld bei seinem Arbeitgeber urgiert habe und ihm am 7. November 2004 schließlich der Betrag von EUR 486,21 ausbezahlt worden sei. Da der Bescheid sohin keine für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen enthält (§ 60 AVG), der Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich nicht überprüft werden kann und nicht auszuschließen ist, dass die Behörde bei ordnungsgemäßer Beweiswürdigung (und allenfalls dafür notwendiger weiterer Erhebungen, etwa durch Einsichtnahme in einen Zahlungsbeleg) zu einem anderen Bescheid gelangt, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die mangelhafte Bescheidbegründung kann durch die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/08/0069, mwN). Abgesehen davon, vermag die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift weder darzulegen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer "Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt" (§ 16 Abs. 1 lit. l AlVG) hatte, noch auszuführen, dass ihm eine solche Ersatzleistung tatsächlich zugeflossen ist. Die Meldung einer solchen Entschädigung durch den Dienstgeber an die Gebietskrankenkasse reicht - wenn deren Rechtmäßigkeit bestritten wird - als Beweis nicht aus. Die Frage des Anspruchs auf eine Urlaubsersatzleistung ist bei Fehlen eines bescheidmäßigen Abspruchs der Gebietskrankenkasse von den Behörden des AMS als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 9. September 2009

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