VwGH 2006/05/0223

VwGH2006/05/022316.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der S L in Leopoldsdorf, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Juli 2006, Zl. RU1-BR-406/001-2005, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. E AG in Maria Enzersdorf am Gebirge, vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Porzellangasse 45/7, 2. Marktgemeinde Leopoldsdorf im Marchfeld in 2285 Leopoldsdorf), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §56;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §56;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich in der Höhe von EUR 610,60 sowie der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Leopoldsdorf in Marchfeld erteilte mit Bescheid vom 19. Mai 2005 der erstmitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Anlage für Funk-Breitbandinternet auf einem Gebäude auf einem näher genannten Grundstück der KG Leopoldsdorf in Marchfeld unter Vorschreibung von Auflagen. Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 wies der Gemeindevorstand der zweitmitbeteiligten Gemeinde die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin (Anrainerin) als unbegründet ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Aus der Begründung dieses Bescheids ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:

Auf der Grundlage des § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 sowie des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 habe die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde die von der Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren erhobenen Einwendungen dahin zu prüfen, ob sie sich auf in diesem Verfahren anzuwendende materiell rechtliche Vorschriften zu stützen vermögen, die nach den Gesichtspunkte des § 6 Abs. 2 leg. cit. ein subjektiv-öffentliches Recht begründeten. Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren sei in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es bestehe einerseits lediglich insoweit, als dem Nachbarn nach der in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschrift subjektiv-öffentliche Rechte zukämen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwände wirksam geltend gemacht habe.

Zu den von der beschwerdeführenden Anrainerin geäußerten gesundheitsrechtlichen Bedenken gegen die Mobilfunkanlage sei auf die Abgrenzung des Kompetenztatbestands "Fernmeldewesen" zu den von der Baubehörde zu vollziehenden Angelegenheiten hinzuweisen. Demzufolge dürfe die Baubehörde gesundheitliche Belange im Zusammenhang mit einer Fernmeldeanlage aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht prüfen, im Bauverfahren bedürfe es keines Eingehens auf die von Anrainern geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung. Dieser Gesichtspunkt (Schutz des Lebens und der Gesundheit gegen die von einer Fernmeldeanlage typischer Weise ausgehenden Gefahren) sei von der Bundeskompetenz "Fernmeldewesen" (Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG) erfasst, hierbei handle es sich nicht um einen der Landeskompetenz "Baurecht" (Art. 15 Abs. 1 B-VG) zuzuordnenden Gesichtspunkt.

Soweit sich Nachbarn im Bauverfahren gegen die Errichtung derartiger Anlagen wehrten und auf die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verwiesen, könnten sie damit (zusammengefasst) ihre Parteistellung im baurechtlichen Verfahren nicht aufrecht erhalten, weil derartige Beeinträchtigungen auf Grund der gegebenen Kompetenzrechtslage nicht von der Baubehörde zu berücksichtigen seien.

Ferner zählten die Vorschriften, die der Wahrung des örtlichen Stadtbildes (Ortsbildes) und der "schönheitlichen" Rücksichten dienten, nicht zu jenen Bestimmungen, die außer den öffentlichen Interessen auch dem Interesse der Nachbarn dienten. Eine Verletzung dieser Vorschriften könne daher der Nachbar (Anrainer) im Baubewilligungsverfahren nicht mit Erfolg geltend machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die erstmitbeteiligte Partei übermittelte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde übersehe, dass auch Lärm eine Immission bzw. Emission iS niederösterreichischer baurechtlicher Vorschriften, insbesondere iSd § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung, darstelle, und dessen Vermeidung sohin ein durch die Normen über die Beteiligung der Nachbarn als Parteien im Bauverfahren geschütztes Recht sei, geht fehl. Die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Auffassung, die Überprüfung der Möglichkeit einer allfälligen Gesundheitsgefährdung durch die zu errichtende Mobilfunkanlage könne aus kompetenzrechtlichen Erwägungen von der Baubehörde nicht aufgegriffen werden, ist rechtskonform und entspricht der hg. Rechtsprechung. Diesbezüglich ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 23. März 1999, Zl. 98/05/073, und vom 24. November 2008, Zl. 2008/05/0215, zu verweisen.

Weiters steht Nachbarn zu Fragen des Ortsbildes im Hinblick auf die taxative Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung gemäß § 56 leg. cit. kein Mitspracherecht zu (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 2003, Zl. 2003/05/0205, vom 25. Februar 2005, Zl. 2004/05/0298, und vom 14. Dezember 2007, Zl. 2006/05/0181).

Da die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter gehen als deren materielle Rechte (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1974, Slg. 8713, und vom 8. November 1976, Slg. 9170), gehen die Verfahrensrügen fehl, die belangte Behörde habe (zusammengefasst) den Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt, sich mit den Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien nicht hinreichend auseinander gesetzt und den angefochtenen Bescheid unzureichend begründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 16. September 2009

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