VwGH 2006/04/0142

VwGH2006/04/014210.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Umweltanwältin des Landes Steiermark gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 22. Juni 2006, Zl. US 5A/2004/2-70, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Feststellungsverfahren nach dem UVP-G (mitbeteiligte Parteien: 1. E GmbH, 2. H GmbH, 3. P GmbH und 4. D GmbH, alle in S, sämtliche vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:

Normen

UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 Anh1 Z18;
UVPG 2000 Anh1 Z19;
UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 Anh1 Z18;
UVPG 2000 Anh1 Z19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 9. Jänner 2003 hat der Umweltanwalt des Landes Steiermark den Antrag gestellt, hinsichtlich der Vorhaben der mitbeteiligten Parteien (Einkaufszentrum und Gewerbepark Seiersberg) eine Einzelfallprüfung gemäß §§ 3 und 3a iVm Anhang 1 Z. 18 und 19 UVP-G 2000 durchzuführen und festzustellen, dass die gegenständlichen Vorhaben der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass der "altgenehmigte Kfz-Abstellplatzbestand" 1.318 Stellplätze umfasse und daher der Schwellenwert von 1.000 Stellplätzen (Anhang 1 Z. 19 UVP-G 2000) bereits überschritten sei. Laut Informationen seien seit dem Inkrafttreten des UVP-G 2000 zusätzliche Parkplätze genehmigt worden. So seien etwa nach der Genehmigung des Baumarktzentrums "H" 564 Kfz-Abstellplätze errichtet worden, der genannte gesetzliche Schwellenwert daher um mehr als 50 % überschritten worden.

Mit Bescheid vom 24. November 2003 stellte die Steiermärkische Landesregierung fest, dass für das Vorhaben "Shopping-City-Seiersberg" keine UVP nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei (außerdem wurden in diesem Bescheid gleichlautende Feststellungen für die - gegenständlich nicht mehr relevanten - Vorhaben "Gewerbegebiet Seiersberg", "Baumarkt H" und "Park & Ride-Anlage der Gemeinde Seiersberg" getroffen). Als Rechtsgrundlage wurde u.a. § 3a Abs. 3 bis 6 UVP-G 2000 angeführt. In der Begründung stellte die Erstbehörde zum bestehenden Konsens der "Shopping-City-Seiersberg" fest, dass 1.913 Parkplätze baurechtlich (davon 1.800 Parkplätze auch gewerberechtlich) genehmigt seien. Weiters stellte die Erstbehörde fest (Seite 44 des Bescheides), dass die Zahl dieser Parkplätze mit näher genannten Bewilligungen zwischen 3. Mai 2000 und 26. Juli 2002 erweitert worden sei, wobei die einzelnen Bewilligungen jeweils bis zu 249 Kfz-Stellflächen beträfen. Aus der letztgenannten Zahl sei ersichtlich, dass die jeweiligen Erweiterungsschritte 25 % des genannten Schwellenwertes von 1.000 Stellplätzen nicht erreichten, sodass eine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung nicht gegeben sei.

Auf Grund der Berufung des Umweltanwaltes gegen diesen Bescheid stellte der Umweltsenat (belangte Behörde) mit Bescheid vom 8. Juli 2004 unter Spruchpunkt I. fest, dass durch die Erweiterung der "Shopping-City-Seiersberg" um insgesamt 2.092 Parkplätze auf näher bezeichneten Grundstücken der Tatbestand des Anhanges 1 Z. 19 UVP-G 2000 verwirklicht worden und daher für dieses Vorhaben eine UVP nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei (der - gegenständlich nicht mehr relevante - Spruchpunkt II. betraf die anderen im Erstbescheid genannten Vorhaben der mitbeteiligten Parteien).

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde - hier auf das Wesentliche zusammengefasst - davon aus, es handle sich bei der "Shopping-City-Seiersberg" um ein einheitliches Vorhaben, ein Einkaufszentrum, das die Gebäude und Parkgaragen auf den sogenannten Bauplätzen 1 bis 4 sowie die nördlich und südlich daran anschließenden Parkplätze umfasse. Hinsichtlich dieses Vorhabens seien seitens der mitbeteiligten Parteien im Zeitraum zwischen April 2002 und Februar 2004 insgesamt zehn Änderungsanzeigen erstattet bzw. zwei Änderungsbewilligungen erwirkt worden, deren Gegenstand jeweils die Hinzunahme von Parkplätzen (je nach Änderungsanzeige bzw. -bewilligung zwischen 34 und 249 Parkplätze) gewesen sei. Die rechtliche Grundlage für die damit geschaffenen insgesamt 2.092 Parkplätze sei daher nicht in einem Zug, sondern durch Aufsplitterung erfolgt, sodass die einzelnen Mengen (bis zu 249 Parkplätze) noch nicht 25 % des Schwellenwertes von 1.000 Stellplätzen (Anhang 1 Z. 19 UVP-G 2000) erreichten. Da diese Vorgangsweise offensichtlich in der Absicht der Umgehung des UVP-G gewählt worden sei, sei sie unbeachtlich, sodass bei der Beurteilung der UVP-Pflicht von der Summe der Änderungen, also der Erweiterung um 2.092 Parkplätze, auszugehen sei. Da durch diese Erweiterung aber sogar der genannte Schwellenwert für Neuerrichtungen (1.000 Stellplätze) überschritten worden sei, sei nach Ansicht der belangten Behörde - ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedürfe - von der unwiderlegbaren Vermutung auszugehen, dass mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Z. 1 UVP-G 2000 zu rechnen sei. Es müsse daher, so die belangte Behörde im damaligen Bescheid vom 8. Juli 2004, ohne Einzelfallprüfung von der UVP-Pflicht der gegenständlichen Erweiterung ausgegangen werden.

Mit Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/04/0129, hob der Verwaltungsgerichtshof den Spruchpunkt I. des Berufungsbescheides vom 8. Juli 2004 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Der Gerichtshof teilte zwar die Ansicht der belangten Behörde, dass es sich bei der "Shopping-City-Seiersberg" um ein einheitliches Vorhaben im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 handle und dass Beurteilungsgegenstand das Gesamtvorhaben - ungeachtet seiner Aufsplitterung in Teilanträge - sei, somit die Erweiterung um 2.092 Parkplätze. Anders als die belangte Behörde vertrat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis jedoch die Ansicht, dass die UVP-Pflicht im gegenständlichen Fall zufolge § 3a Abs. 3 UVP-G nur nach Durchführung einer Einzelfallprüfung bejaht werden dürfe.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid vom 22. Juni 2006 wurde die Berufung des Umweltanwaltes gegen den eingangs zitierten Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. November 2003 mangels Feststellungsinteresses als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges fest, dass das gegenständliche Einkaufszentrum durch den Bau von 2.092 Parkplätzen erweitert worden sei. Die Verhältnisse hätten sich mittlerweile allerdings insofern geändert, als die Erstbehörde mit Bescheid vom 22. April 2005 festgestellt habe, dass für das Vorhaben "Erweiterung des Einkaufszentrums Seiersberg um 1.452 Kfz-Stellplätze" auf näher genannten Grundstücken keine UVP durchzuführen sei. Dieser Bescheid beruhe auf einem Lageplan, nach dem die Zahl der Kfz-Stellplätze nicht mehr wie ursprünglich 2.092 sondern nur mehr

1.452 betrage. Diese Reduktion beruhe großteils auf einer Verringerung der Zahl der Dachparkplätze. Aufbauend auf diesem Feststellungsbescheid vom 22. April 2005 habe die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft auf Grund von Anträgen der einzelnen mitbeteiligten Parteien mit mehreren Bescheiden vom 12. September 2005 jeweils gewerberechtliche Genehmigungen für die genannten 1.452 Stellplätze erteilt. Die mitbeteiligten Parteien hätten auch gegenüber der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 15. Mai 2006 mitgeteilt, dass die Erweiterung nur mehr

1.452 Stellplätze umfasse und gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass eine Realisierung von 2.092 Stellplätzen nicht mehr beabsichtigt sei. Dies sei nach Ansicht der belangten Behörde glaubhaft, weil einerseits im bereits genannten Lageplan, der dem Feststellungsbescheid vom 22. April 2005 zu Grunde liege, die Dachparkplätze nicht mehr eingezeichnet seien, auch wenn die bauliche Zu- und Abfahrt zu diesen Dachparkplätzen im Plan noch ausgewiesen sei. Andererseits spreche für die Glaubwürdigkeit der Zahl von 1.452 Stellplätzen, dass dieser Umfang durch die mittlerweile erteilten gewerberechtlichen Bescheide genehmigt sei. Die Frage der UVP-Pflicht dieser 1.452 Stellplätze sei durch den genannten - rechtskräftigen - Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. April 2005 verneint worden, wobei diese rechtskräftige Entscheidung auch für die belangte Behörde bindend sei. Davon zu unterscheiden sei die Frage eines allfälligen Verstoßes gegen den Konsens durch die mitbeteiligten Parteien, dessen Überwachung allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Feststellungsverfahrens sei. Jedenfalls sei mit der in Rede stehenden Änderung des Vorhabens und dem zugehörigen rechtskräftigen Feststellungsbescheid vom 22. April 2005 das in § 3 Abs. 7 UVP-G vorausgesetzte Interesse des Umweltanwaltes an einer weiteren Feststellung der UVP-Pflicht weggefallen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Umweltanwältin des Landes Steiermark, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit entsprechendem Kostenersatzbegehren erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die mitbeteiligten Parteien in der Gegenschrift zunächst die Beschwerdelegitimation des Umweltanwaltes bestreiten, sind sie gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, Zl. 2002/03/0248, zu verweisen.

In ihrer Beschwerde wendet sich die Umweltanwältin vor allem gegen die Annahme der belangten Behörde, dass das gegenständlich zu beurteilende Vorhaben nur mehr 1.452 Stellplätze umfasse. Vielmehr hätte die belangte Behörde weiterhin von 2.092 Kfz-Stellplätzen ausgehen und deren UVP-Pflicht beurteilen müssen, weil Stellplätze dieser Zahl bereits baulich errichtet worden seien und auch benützt würden. So gehe die belangte Behörde selbst davon aus, dass die bauliche Zu- und Abfahrt zu den Dachparkplätzen noch vorhanden und daher auch benützbar sei.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unstrittig, dass die mitbeteiligten Parteien u.a. gegenüber der belangten Behörde die Änderung ihres Vorhabens dahin bekannt gegeben haben, dass die Erweiterung des gegenständlichen Einkaufszentrums Seiersberg nicht mehr die ursprünglich vorgesehenen 2.092 Stellplätze umfasst, sondern nur mehr 1.452 Stellplätze. Unstrittig ist weiters, dass bereits die verringerte Zahl an Stellplätzen in jenem Lageplan eingezeichnet ist, auf den sich der Feststellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. April 2005 bezieht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen hat, kann die Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, allein aus dem bei der Behörde eingereichten Projekt beurteilt werden, auf eventuell sonst noch beabsichtigte Vorhaben kommt es nicht an (vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. September 2007, Zl. 2005/04/0115, und die dort referierte Judikatur).

Auch wenn daher im vorliegenden Fall bereits eine bauliche Erweiterung um 2.092 Kfz-Stellplätze erfolgt ist, so ist seit der Änderung des Vorhabens durch die mitbeteiligten Parteien davon auszugehen, dass nur mehr 1.452 Stellplätze für das Abstellen von Kraftfahrzeugen verwendet werden sollen und (nach den erteilten Genehmigungsbescheiden) dürfen. Ob und inwieweit bauliche Veränderungen (z.B. Beseitigung der baulichen Zu- und Abfahrt zu den ehemaligen Dachparkplätzen) durch die Einschränkung des ursprünglichen Vorhabens notwendig werden, ist ebenso wenig Gegenstand des vorliegenden Feststellungsverfahrens wie die Frage, ob die mitbeteiligten Parteien das gegenständliche Einkaufszentrum und damit auch die Anzahl der Kfz-Stellplätze tatsächlich im Rahmen des erteilten Konsenses betreiben (vgl. aus vielen die hg. Erkenntnisse vom 29. März 2006, Zl. 2005/04/0118, und vom 27. Jänner 2006, Zl. 2003/04/0130, nach denen bei der Beurteilung eines beantragten Projektes von diesem und nicht von einem allfälligen tatsächlichen Betrieb der Anlage bzw. von befürchteten Projektsabweichungen auszugehen ist).

Ausgehend vom veränderten Vorhaben hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, dass hinsichtlich der Frage der UVP-Pflicht des nunmehrigen Vorhabens (1.452 Kfz-Stellplätze) infolge des unstrittig rechtskräftigen Feststellungsbescheides vom 22. April 2005 res iudicata vorliegt, und die belangte Behörde daher nicht berechtigt war, im Rahmen eines weiteren Feststellungsbescheides inhaltlich neuerlich über die UVP-Pflicht dieser Erweiterung zu entscheiden (vgl. zur ständigen hg. Judikatur betreffend die Bindung an Feststellungsbescheide gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 das Erkenntnis vom 30. Juni 2006, Zl. 2005/04/0195 mwN).

Die Beschwerde meint weiters, selbst bei Zugrundelegung des geänderten Vorhabens hätte die belangte Behörde zumindest den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. November 2003 ersatzlos beheben müssen. Da dieser Feststellungsbescheid durch den nunmehr angefochtenen Bescheid (Zurückweisung der Berufung des Umweltanwaltes) in Rechtskraft erwachsen sei, sei nun - ohne die im Erkenntnis Zl. 2004/04/0129 geforderte Einzelfallprüfung - bindend festgestellt, dass auch das ursprüngliche Vorhaben (2.092 Stellplätze) keiner UVP-Pflicht unterliege.

Diesem Einwand der Beschwerde ist deshalb nicht zu folgen, weil Gegenstand des erstinstanzlichen Feststellungsbescheides vom 24. November 2003, wie die Aktenlage zeigt, nicht die Erweiterung des in Rede stehenden Einkaufszentrums um 2.092 Stellplätze war. Vielmehr lag diesem Bescheid nach seiner Begründung (Seite 44) noch die Annahme zu Grunde, dass die "Shopping-City-Seiersberg" um (insgesamt) weniger als 1.000 Stellplätze erweitert werden solle (erst im Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 8. Juli 2004 wurden sachverhaltsmäßig 2.092 Stellplätze angenommen). Wenn daher nach dem Spruch des Bescheides vom 24. November 2003 für (u.a.) dieses Vorhaben keine UVP durchzuführen ist, so steht dies im Einklang mit dem zwischenzeitig erlassenen rechtskräftigen Feststellungsbescheid vom 22. April 2005, nach welchem die Erweiterung sogar um 1.452 Stellplätze keiner UVP-Pflicht bedarf. Vor diesem Hintergrund bestand für die belangte Behörde kein Anlass, den seinerzeitigen Bescheid vom 24. November 2003 aufzuheben.

Da die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch an die mitbeteiligten Parteien beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 49 Abs. 6 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2009

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