VwGH 2006/01/0061

VwGH2006/01/006123.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M S in H, geboren 1979, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Jänner 2006, Zl. Ia-21.239/12-2006, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,4 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 und Abs. 5 Z 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Fassung BGBl. Nr. 124/1998 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich nachweislich seit 29. Dezember 1997 in Österreich auf, er habe seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet und sei nachhaltig persönlich integriert. Er sei Student und arbeite als Nachhilfelehrer stundenweise an Wochenenden. In den Monaten August und September 2003 sowie Juli und August 2004 habe er bei der Firma S. als Hilfsarbeiter gearbeitet. Eine weitere berufliche Tätigkeit liege nicht vor. Es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer über eine rechtlich gesicherte Position am Arbeitsmarkt verfüge. Für das Vorliegen einer nachhaltigen beruflichen Integration sei jedoch nicht ausschließlich die rechtliche Position aus beschäftigungsrechtlicher Sicht sondern auch ein konkret festgestelltes Beschäftigungsverhältnis erforderlich. Die stundenweise Tätigkeit als Nachhilfelehrer sowie gelegentliche Hilfsarbeiten in den Sommermonaten würden diesem Erfordernis nicht entsprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Zusammengefasst wird darin unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialen zu § 10 Abs. 1 Z 5 StbG vorgebracht, dass der Nachweis nachhaltiger beruflicher Integration lediglich eine gesicherte Position am Arbeitsmarkt, nicht jedoch ein konkret festgestelltes Beschäftigungsverhältnis erfordere. Des Weiteren habe die belangte Behörde keine tauglichen Feststellungen getroffen, die eine Gesamtbetrachtung der Integration des Beschwerdeführers ermöglichten.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung eines mindestens zehnjährigen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG nicht erfüllt. Ebenso ist - nach den Feststellungen der belangten Behörde - unstrittig, dass der Beschwerdeführer in Österreich nachhaltig persönlich integriert ist. Die belangte Behörde verneint jedoch die berufliche Integration mangels Vorliegen eines "konkret festgestellten Beschäftigungsverhältnisses".

2. Gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 iVm Abs. 5 Z 3 StbG kann die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch ohne den in § 10 Abs. 1 Z 1 StbG vorausgesetzten zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erfolgen, wenn der Verleihungswerber seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbracht ist.

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration ist gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, zu verweisen (vgl. hiezu zuletzt im Zusammenhang mit § 10 Abs. 4 und 5 StbG das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2006/01/0074 mwN).

3. Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, orientiert sich die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der in den Gesetzesmaterialien (RV 1283 BlgNR XX. GP, 8) ausdrücklich so formulierten Ansicht, der "Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration" werde "dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf Weiteres gesicherte Position in Österreich hat und er persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw)" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0329, mit Verweis auf das obzitierte Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass eine intensive persönliche Verankerung in Österreich eine allfällige weniger stark ausgeprägte Integration in anderen Bereichen - sofern es dessen bedürfen sollte - partiell auszugleichen vermag (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl 2003/01/0329, mit Verweis auf das Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0043).

4. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid tragend auf das Argument, der Nachweis nachhaltiger beruflicher Integration des Beschwerdeführers sei durch dessen lediglich stundenweise Tätigkeiten als Nachhilfelehrer sowie gelegentliche Hilfsarbeitertätigkeiten in den Sommermonaten nicht erbracht.

Damit verkennt die belangte Behörde, dass es bei der Beurteilung der beruflichen Integration maßgeblich auf die beschäftigungsrechtliche Situation des Verleihungswerbers ankommt.

Im vorliegenden Fall ist daher der Umstand, dass der Beschwerdeführer über eine gesicherte beschäftigungsrechtliche Stellung verfügt - im Verwaltungsakt erliegt ein Bestätigung des AMS Innsbruck, wonach der Beschwerdeführer nicht dem Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliegt und daher keine der dort vorgesehenen Berechtigungen für die Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet benötigt - von entscheidender Bedeutung.

Auf die Art der beruflichen Tätigkeit kommt es darüber hinaus nicht an, da dem StbG keine Präferenz für eine bestimmte Form der Erwerbstätigkeit entnehmbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/01/0384).

5. Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. April 2009

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