VwGH 2005/15/0063

VwGH2005/15/00632.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des G R in M, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 11. April 2005, Zl. RV/0010-F/03, betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
EO §371;
BAO §198;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
EO §371;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Jänner 2002 ordnete das Finanzamt - der Beschwerdebeilage zufolge - gemäß § 232 BAO die Sicherstellung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 1992 - 1999 in der voraussichtlichen Höhe von EUR 406.967,87 und der Einkommensteuer für den Zeitraum 1992 - 1999 in der voraussichtlichen Höhe von EUR 654.055,51 sowie der Kosten des Verfahrens in Höhe von EUR 31.830,70 an.

In der Begründung dieses Bescheides führte das Finanzamt zur Entstehung der Abgabenansprüche aus, dass nach den Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung Vermögenswerte im Ausmaß von rund 18 Mio. S über einen längeren Zeitraum in Form von Darlehen und Einlagen aus bisher ungeklärten Herkunftsquellen dem Betriebsvermögen des Beschwerdeführers zugeführt worden seien. Eine Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben sei zu befürchten, weil einerseits die Herkunft des Vermögens verschleiert worden sei und andererseits die Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers schwerwiegende materielle und formelle Mängel aufwiesen. Die Vermögensverschleierungen seien insbesondere unter Einschaltung von liechtensteinischen Sitzgesellschaften vorgenommen worden. Dies lasse Vermögensverlagerungen ins Ausland befürchten. Auch seien Erschwerungen und Gefährdungen der Abgabeneinbringung zu besorgen, wenn jemand (wie der Beschwerdeführer) trotz bedeutender wirtschaftlicher Transaktionen und erwerbswirtschaftlicher Betätigungen nicht um seine steuerlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflichten bemüht sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegentrat.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es bestünde der Verdacht, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1989 bis 1999 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenbehördlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Inanspruchnahme fingierter Darlehen, das Ausweisen von nicht stattgefunden umsatzsteuerfreien Umsätzen und die Nichterfassung von Erlösen von insgesamt 18 Mio. S eine "Verkürzung der Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1989 bis 1999" bewirkt habe. Den behaupteten hohen Lottogewinn der Ehefrau des Beschwerdeführers nehme die belangte Behörde nicht als erwiesen an. Der Beschwerdeführer sei überschuldet und sein ganzes Verhalten darauf gerichtet, die Einbringung der hinterzogenen Abgaben zu verhindern. Da es trotz einem umfangreichen Vorhalte- und Ermittlungsverfahren durch das Finanzamt nicht gelungen sei, die Herkunft von Betriebsmitteln in Höhe von 18 Mio. S zu klären und auch schwerwiegende formelle und materielle Mängel der Bücher und Aufzeichnungen vorlägen, gehe die belangte Behörde davon aus, dass "in den Jahren 1992 bis 1999 Abgabenansprüche in der Höhe wie sie im angefochtenen Bescheid geltend gemacht wurden", entstanden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten:

  1. a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
  2. b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung und Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

    c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;

    d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

    Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 2008, 2005/13/0041).

    Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Dass "durch die Inanspruchnahme fingierter Darlehen, das Ausweisen von nicht stattgefundenen umsatzsteuerfreien Umsätzen und die Nichterfassung von Erlösen von insgesamt 18.000.000,00 S eine Verkürzung der Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1989 bis 1999" bewirkt worden sei und schwerwiegende formelle und materielle Mängel der Bücher und Aufzeichnungen vorlägen, stellt keine nachvollziehbare Begründung dafür dar, warum die belangte Behörde davon ausgehen durfte, dass "in den Jahren 1992 bis 1999 Abgabenansprüche in der Höhe wie sie (im Finanzamtsbescheid) geltend gemacht wurden, entstanden sind".

    Zur voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, 98/14/0122, ausgesprochen, dass sie nach den einzelnen Abgabenarten und Zeiträumen aufzugliedern ist. Die Angabe eines einheitlichen Betrages für mehrere Steuerperioden genügt diesen Anforderungen nicht. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bringt es nämlich mit sich, dass für jeden Abschnitt ein eigener Abgabenanspruch entsteht. Für jeden dieser Ansprüche kann die Abgabenbehörde - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 232 BAO - einen gesonderten Sicherstellungsauftrag erlassen. Fasst sie mehrere solche Ansprüche aus Zweckmäßigkeitsgründen in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammen, hat diese für jeden Anspruch die Angaben gemäß § 232 Abs. 2 BAO zu enthalten. Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld gemäß § 232 Abs. 2 lit. a BAO ist somit Spruchbestandteil; dies auch dann, wenn mehrere Bescheide formularmäßig zusammengefasst werden (vgl. Ritz, BAO3, § 232 Tz. 8, § 198 Tz. 8). Im Sicherungsverfahren sollen auf Grund des Sicherstellungsauftrages gemäß § 232 BAO als Exekutionstitel für jeden Abgabenanspruch Pfandrechte begründet werden. Dies setzt die exakte Benennung der jeweiligen Abgabenart und ihrer Höhe im Spruch voraus (siehe zum Ganzen mit weiterführenden Hinweisen das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, 2006/15/0204).

    Die belangte Behörde hat die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Spruch ist so zu werten, als ob sie einen mit dem bekämpften Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte (vgl. Ritz, a.a.O., § 289 Tz. 47). Der somit übernommene Spruch des Sicherstellungsauftrages vom 25. Jänner 2002 entspricht den Anforderungen des § 232 Abs. 2 lit. a BAO nicht.

    Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde vorrangig gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die Umsatzsteuer, die im zugesprochenen Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

    Wien, am 2. September 2009

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