VwGH 2004/04/0202

VwGH2004/04/020218.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch DDr. Angela Perschl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Wipplingerstraße 31/4, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom 24. August 2004, Zl. VKS-5299/4, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Parteien: 1. V GmbH, W, und

2. Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, Montleartstraße 39, 1160 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG 2002 §52 Abs5;
BVergG 2002 §53;
GewO 1994 §134 Abs1 idF 2002/I/111;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BVergG 2002 §52 Abs5;
BVergG 2002 §53;
GewO 1994 §134 Abs1 idF 2002/I/111;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) schrieb im Rahmen eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich die Leistungen eines Gefahrengutbeauftragten für ihre Anstalten europaweit aus. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Nach der Angebotsöffnung am 5. Mai 2004 war das Angebot der Erstmitbeteiligten an dritter Stelle gereiht, das vor ihr gereihte Unternehmen wurde in weiterer Folge gemäß § 98 Z. 3 BVergG ausgeschieden. Mit Schreiben vom 22. Juli 2004 gab die Auftraggeberin bekannt, die ausgeschriebenen Leistungen an den Beschwerdeführer vergeben zu wollen. In ihrem Nachprüfungsantrag gegen diese Zuschlagsentscheidung brachte die Erstmitbeteiligte im Wesentlichen vor, der in Aussicht genommene Zuschlagsempfänger habe zum Zeitpunkt der Anbotseröffnung nicht über die notwendige Befugnis verfügt; diesem Unternehmen müsse die Leistungsfähigkeit abgesprochen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. August 2004 wurde die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin für nichtig erklärt. Die belangte Behörde gab dazu zunächst die für ihre Entscheidung wesentlichen Bestimmungen der Ausschreibungsbedingungen wieder. Daraus ist aus dem Abschnitt "Erfordernisse für Bewerber, Bieter und deren Subunternehmer" hervorzuheben, dass laut Punkt 13.08 der Ausschreibung ("Liste der für die Eignungsprüfung erforderlichen Nachweise") der Nachweis der Befugnis durch eine "Gewerbeberechtigung oder andere Berechtigung zur Ausübung der angebotenen Leistung" zu erbringen ist. Die belangte Behörde führte sodann aus, nach dem Ausscheiden des an zweiter Stelle gereihten Unternehmens seien nur mehr zwei Unternehmen im Vergabeverfahren verblieben, nämlich das für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommene Unternehmen des Beschwerdeführers und die Erstmitbeteiligte. Beim Unternehmen des Beschwerdeführers handle es sich nicht um ein in das Firmenbuch eingetragenes Unternehmen. Der Beschwerdeführer betreibe am angegebenen Standort ein Technisches Büro auf dem Gebiet der Lebensmittel- und Biotechnologie. Er verfüge über einen am 21. Oktober 2003 vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Wien ausgestellten und bis 21. Oktober 2008 gültigen "EG-Schulungsnachweis des Gefahrengutbeauftragten". Dieser gelte für Gefahrengut befördernde Unternehmen sowie Unternehmen, die "im Straßenverkehr" das Verladen oder Entladen in Zusammenhang mit Gefahrgutbeförderung durchführen. In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, obwohl die Zuschlagsentscheidung auf ein näher bezeichnetes Technisches Büro entsprechend der Fertigung des Angebotes laute und es sich bei dieser Bezeichnung nicht um ein in das Firmenbuch eingetragenes Unternehmen handle, sei ersichtlich, dass für die Zuschlagserteilung der Beschwerdeführer in Aussicht genommen sei. Von diesem stamme auch unzweifelhaft das für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommene Angebot. Entscheidend sei, ob dieser Bieter im Zeitpunkt der Angebotseröffnung über eine Befugnis in Form einer aufrechten Gewerbeberechtigung lautend auf entweder "Gefahrengutbeauftragter" oder "Transportberater einschließlich Gefahrengutbeauftragter" verfüge. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer weder zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung über eine derartige aufrechte Gewerbeberechtigung verfügt habe. Bei der Gewerbeberechtigung "Gefahrengutbeauftragter" handle es sich um ein so genanntes freies Gewerbe, für dessen Antritt die Gewerbeordnung keinerlei Befähigungsnachweis vorsehe. Allerdings sei es erforderlich, dass ein Gefahrengutbeauftragter, um seine Tätigkeit tatsächlich ausüben zu können, die notwendigen Schulungsnachweise für Gefahrengutbeauftragte gemäß § 11 Gefahrengutbeförderungsgesetz besitze. Der Beschwerdeführer habe diesen Nachweis auch erbracht. Die Leistung eines Gefahrengutbeauftragten werde im Rahmen des Verkehrswesens verlangt, weshalb die entsprechenden Regelungen im Gesetz der Gefahrengutbeförderung normiert worden seien. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass - unter der Voraussetzung des Nachweises der einschlägigen Schulung - Inhaber von Gewerbeberechtigungen lautend auf "Spediteur" und "Güterbeförderung" die Tätigkeit eines Gefahrengutbeauftragten im Rahmen dieser Berechtigungen ausüben können, ohne dass es hiefür der Anmeldung einer eigenen Gewerbeberechtigung bedürfe, weil Gegenstand dieser Gewerbeberechtigungen der Transport im weitesten Sinn bzw. alle mit dem Transport zusammenhängenden Beratungsleistungen sei. Unternehmer, die über eine Gewerbeberechtigung lautend auf "Gefahrengutbeauftragter" bzw. "Transportberater einschließlich Gefahrengutbeauftragter" verfügten, gehörten nach der Systematik der Wirtschaftskammer auch zur Sparte Verkehr. Soweit sich die Auftraggeberin auf ein Schreiben des Fachverbandes der Technischen Büros - Ingenieurbüros vom 13. Mai 2004 berufe, würden darin die allgemeinen Bestimmungen für Technische Büros (§ 134 GewO 1994) zwar richtig zitiert. Daraus lasse sich aber nicht zwingend ableiten, dass es sich beim Gefahrengutbeauftragten um ein so genanntes Nebenrecht der Technischen Büros für Lebensmittel- und Biotechnologie handle. Folgte man der Argumentation der Auftraggeberin, könnte jede Art von Technischem Büro jedenfalls alle freien Gewerbe für sich als Nebenrecht in Anspruch nehmen, ohne dass es der gesonderten Anmeldung eines Gewerbes im Einzelfall bedürfe. Die belangte Behörde teile daher nicht die vom Fachverband vorgenommene extensive Interpretation des § 134 GewO 1994, dass - auf den konkreten Fall bezogen - im einschlägigen Studium der Umgang mit gefährlichen Gütern gelehrt werde. Auch die Mitteilung der Magistratsabteilung 63 vom 2. Juni 2004 könne die Entscheidung der Auftraggeberin nicht stützen, weil sie im vorletzten Absatz

ausdrücklich formuliere "...... ob die Inhaber des Gewerbes

Gefahrengutbeauftragter (Unterstreichung im Original) ......". Die Magistratsabteilung 63 gehe somit davon aus, dass es sich beim Gefahrengutbeauftragten - sofern diese Tätigkeit selbstständig ausgeübt werde - um ein Gewerbe handle, das anzumelden sei und zumindest im vorliegenden Fall nicht als Nebenrecht eines anderen Gewerbes bezeichnet werden könne. Daraus ergebe sich, dass das Angebot des Beschwerdeführers mangels Befugnis auszuscheiden gewesen wäre. Im vorliegenden Fall sei klar zwischen Qualifikation und Befugnis zu unterscheiden. Bei reglementierten Gewerben sei die Frage der Befähigung im Zuge der Anmeldung definitiv zu klären. Bei so genannten freien Gewerben sei ein Befähigungsnachweis rein gewerberechtlich nicht erforderlich, es sei unter anderem nur darauf zu achten, ob Ausschlussgründe gemäß § 13 GewO 1994 gegeben seien, die einer Gewerbeausübung entgegenstünden. Auch freie Gewerbe müssten angemeldet werden, weil nur durch die Anmeldung des Gewerberechtes die entsprechende Befugnis gegeben sei. Gemäß § 21 Abs. 1 BVergG dürften Leistungen nach diesem Bundesgesetz nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer vergeben werden. Von einem befugten Unternehmer könne nur dann gesprochen werden, wenn die für die Ausübung einer Tätigkeit erforderlichen Genehmigungen vorlägen und der Unternehmer über die notwendige Gewerbeberechtigung verfüge. Gemäß § 98 Z. 1 BVergG seien Angebote von Bietern, welche die Befugnis nicht aufweisen, auszuscheiden. Da das Angebot des Beschwerdeführers mangels entsprechend nachgewiesener Befugnis auszuscheiden gewesen wäre, hätte die Zuschlagsentscheidung nicht auf diesen Bieter lauten dürfen. Indem die Auftraggeberin dies verkannt habe, habe sie gegen Bestimmungen des BVergG verstoßen, weshalb - ohne Eingehen auf die weiteren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten - dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung stattzugeben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 -

BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002, lauten (auszugsweise):

"Nachweis der Eignung

§ 52. (1) Der Auftraggeber kann von Unternehmern, die er zu einem Vergabeverfahren zulässt, Nachweise verlangen,

1. dass sie nach Maßgabe der Rechtsvorschriften ihres Herkunftslandes in einem in Anhang VII angeführten Berufs- oder Handelsregister eingetragen sind oder eine der in Anhang VII genannten Bescheinigungen oder eidesstattlichen Erklärungen besitzen,

...

(2) ...

...

(5) Sofern in diesem Bundesgesetz nicht anderes vorgesehen ist, muss die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit spätestens

1. beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung,

...

vorliegen.

Nachweis der Befugnis

§ 53. Als Nachweis für die Befugnis gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 und 5 kann der Auftraggeber eine beglaubigte Abschrift des Berufs- oder Handelsregisters des Herkunftslandes des Unternehmers oder die dort vorgesehene Bescheinigung oder eidesstattliche Erklärung verlangen."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe durch Vorlage des (eingangs näher dargestellten) EG-Schulungsnachweises des Gefahrengutbeauftragten zwar den Nachweis erbracht, die in Rede stehende Dienstleistung tatsächlich ausüben zu können. Da er aber weder über eine einschlägige Gewerbeberechtigung ("Gefahrengutbeauftragter" oder "Transportberater einschließlich Gefahrengutbeauftragter") noch über eine Gewerbeberechtigung (wie "Spediteur" oder "Güterbeförderung") verfüge, in deren Rahmen er die Tätigkeit eines Gefahrengutbeauftragten ausüben könne, ohne dass es hiefür der Anmeldung einer eigenen Gewerbeberechtigung bedürfe, sei er nicht befugt, die ausgeschriebene Dienstleistung zu erbringen. Sein Angebot wäre daher auszuscheiden gewesen.

Der Nachweis der Befugnis zur Erbringung der in Rede stehenden Leistung für in Österreich niedergelassene Unternehmen ist durch die in Österreich vorgesehenen Bescheinigungen zu erbringen (§ 53 BVergG), wobei die Befugnis jedenfalls zu dem in § 52 Abs. 5 leg. cit. genannten Zeitpunkten gegeben sein muss (siehe dazu auch Gölles in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2002, § 53 Rz 3 mit Hinweis auf den AB 1118 BlgNR 21. GP 11, und § 53 Rz 5). Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer (im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Angebotsöffnung - § 52 Abs. 5 BVergG) über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügen müsse. Die Auffassung der belangten Behörde, dass darunter jedenfalls solche lautend auf "Gefahrengutbeauftragter" oder "Transportberater einschließlich Gefahrengutbeauftragter" zu verstehen sind, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Über derartige Berechtigungen verfügt der Beschwerdeführer - unstrittig - nicht.

Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer mit seiner Gewerbeberechtigung für ein "Technisches Büro" auf dem Gebiete der Lebensmittel- und Biotechnologie die Ausschreibungsbedingungen erfüllt. Dies wurde von der belangten Behörde verneint, weil die ausgeschriebene Dienstleistung "Gefahrengutbeauftragter" weder unmittelbar Gegenstand noch ein Nebenrecht dieser Gewerbeberechtigung sei.

§ 134 GewO 1994 in der im Beschwerdefall im maßgeblichen Zeitpunkt der Angebotsöffnung in Geltung stehenden Fassung BGBl. I Nr. 111/2002 lautete (auszugsweise):

"Technische Büros - Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure)

§ 134. (1) Der Gewerbeumfang der Technischen Büros - Ingenieurbüros (§ 94 Z 69) umfasst die Beratung, die Verfassung von Plänen, Berechnungen und Studien, die Durchführung von Untersuchungen, Überprüfungen und Messungen, die Ausarbeitung von Projekten, die Überwachung der Ausführung von Projekten, die Abnahme von Projekten und die Prüfung der projektgemäßen Ausführung einschließlich der Prüfung der projektbezogenen Rechnungen sowie die Erstellung von Gutachten auf einschlägigen Fachgebieten, die einer Studienrichtung oder einem mindestens viersemestrigen Aufbaustudium einer inländischen Universität, einer Fachhochschule oder Hochschule künstlerischer Richtung oder einer einschlägigen inländischen berufsbildenden höheren Schule entsprechen.

..."

Der Beschwerdeführer wiederholt in der Beschwerde sein bereits vor der belangten Behörde erstattetes Vorbringen, er habe im Rahmen des Studiums der Lebensmittel- und Biotechnologie die Kenntnisse erworben, die ihn zur Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistung berechtigten.

Die belangte Behörde hat dazu jedoch keine Feststellungen getroffen. Zur abschließenden Beurteilung der Frage, ob die Gewerbeberechtigung "Technisches Büro" im Sinne des § 134 Abs. 1 GewO 1994 auch das Berufsbild des Gefahrengutbeauftragten umfasse, ist jedoch eine Gegenüberstellung des Berufsbildes des "Technischen Büros" an Hand des Studienplanes des konkreten Fachgebietes und der Berufsumschreibung des Gefahrengutbeauftragten erforderlich. Indem die belangte Behörde derartige Feststellungen unterließ, hat sie wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Vermeidung die zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. März 2009

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