VwGH 2008/19/0205

VwGH2008/19/02059.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des L, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Dr. Roland Kier, Dr. Thomas Neugschwendtner, Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer und Drin. Alexia Stuefer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 2008, Zl. 316.830-1/2E-XVIII/58/08, betreffend §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §34 Abs4;
AsylG 2005 §8;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §34 Abs4;
AsylG 2005 §8;
EMRK Art3;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsbürger, ist der am 15. Oktober 2007 geborene Sohn von I und E. Die (seit 25. September 2007 verheirateten) Eltern halten sich seit dem Jahr 2005 (Vater) bzw. seit dem Jahr 2006 (Mutter) als Asylwerber in Österreich auf.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Mai 2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Mutter des Beschwerdeführers im Instanzenzug gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt, es wurde ihr gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, und sie wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob die Mutter des Beschwerdeführers die zu hg. Zl. 2007/19/0436 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 25. Juni 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. In diesem Beschluss hielt der Verwaltungsgerichtshof auch ausdrücklich fest, dass der Mutter des Beschwerdeführers damit (jedenfalls für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) wieder die Rechtsstellung als Asylwerberin zukam.

Das Asylverfahren des Vaters ist (nach einer für ihn negativen erstinstanzlichen Entscheidung gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) und einer gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung) seit Oktober 2006 bei der belangten Behörde im Stadium eines offenen Berufungsverfahrens anhängig.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug den Antrag des Asylwerbers vom 25. Oktober 2007 auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 ab, erkannte ihm der Status des Asylberechtigten bzw. gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus.

Begründend schloss sich die belangte Behörde den erstinstanzlichen Erwägungen an, wonach der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers (Vater) für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat "keinerlei Gefahr befürchte" und den Antrag auf internationalen Schutz nur damit begründet habe, dass der minderjährige Beschwerdeführer "zur Familie gehöre". Es sei im Fall des Beschwerdeführers kein Sachverhalt hervorgekommen, der den Schluss zuließe, dass er bei Rückkehr nach Georgien einer "Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre." Auch bestünden keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung des Beschwerdeführers auf unzulässige Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen würde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde macht zu Recht geltend, dass der Beschwerdeführer ein Familienangehöriger zweier Asylwerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist, für den bezogen auf das noch nicht abgeschlossene Asylverfahren seines Vaters die Sonderbestimmungen für das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 zur Anwendung hätten gelangen müssen.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde zwar die Anträge von Familienangehörigen gesondert zu prüfen; die Verfahren sind jedoch unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Demnach hätte die belangte Behörde die bei ihr anhängigen Berufungsverfahren des Beschwerdeführers und seines Vaters unter einem zu führen gehabt und sie hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abzuweisen, es sei in seinem Fall kein Sachverhalt hervorgekommen, der den Schluss zuließe, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Georgien einer "Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre". Richtigerweise hätten auch die vom Vater zur Stützung seines Asylantrages vorgebrachten Gründe in Betracht gezogen werden müssen, weil sie sich - so sie von der belangten Behörde bei Erledigung der Berufung des Vaters für geeignet angesehen werden, Asyl oder subsidiären Schutz zu begründen - auch auf den Beschwerdeführer auswirken würden.

Abgesehen davon weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die Entscheidung einer Asylbehörde, die dazu führen könnte, dass ein Kleinkind (wie der Beschwerdeführer) Österreich ohne seine Eltern verlassen muss, nicht nur einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben bedeutet, für den - auch unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, Zl. 2007/19/1054), sondern im Hinblick auf die für das Kind bei einer alleinigen Rückkehr in den Herkunftsstaat zu erwartenden Lebensverhältnisse jedenfalls auch Überlegungen unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK erfordert hätte.

Da die belangte Behörde derartige Erwägungen nicht vorgenommen hat und (offensichtlich in Verkennung der Rechtslage) die Bestimmungen des Familienverfahrens außer Acht ließ, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. April 2008

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