Normen
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §61 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine kolumbianische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie aus, die Beschwerdeführerin sei bereits im Dezember 2005 vom Bezirksgericht Villach rechtskräftig wegen Körperverletzung "zu einer Geldstrafe von ca. 900,-- Euro" verurteilt worden. Im Jahr 2006 sei sie zweimal wegen § 1 des Geschlechtskrankheitengesetzes und einmal nach § 3 Abs. 2a des Kärntner Prostitutionsgesetzes rechtskräftig bestraft worden. Sie habe am 11. März 2006 im Bordell E. in Villach die Prostitution ausgeübt, ohne sich der wöchentlichen Untersuchung beim Magistrat der Stadt Villach zu unterziehen. Weiters sei sie am 30. Juni 2006 von Organen der Bundespolizeidirektion Villach bei der Wohnungsprostitution betreten worden. Es habe ihr nachgewiesen werden können, in der K-Zeitung ein einschlägiges Inserat geschaltet und danach zusätzlich verbotenerweise die Ausübung der Prostitution angebahnt zu haben. Auch in diesem Zusammenhang habe sie sich den wöchentlichen Untersuchungen beim Magistrat der Stadt Villach entzogen.
Diese Gesetzesverletzungen seien insbesondere deshalb schwerwiegend, weil damit die Gefahr einer Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten einhergehe. Es sei daher der Schluss gerechtfertigt, dass die Beschwerdeführerin gegenüber den zum Schutz der Gesundheit bzw. der körperlichen Integrität anderer Personen erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung negativ eingestellt sei, sodass eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.
Die Beschwerdeführerin halte sich seit Juni 1999 im Bundesgebiet, und zwar in Kärnten, auf. Sie habe - bereits im Jahr 1998 - einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, die Ehe sei jedoch im Jahr 2006 wieder geschieden worden. Sie sei dem Beruf einer Prostituierten nachgegangen und besitze "einen Aufenthaltstitel mit Aufenthaltszweck 'Daueraufenthalt - EG"', gültig vom 3. März 2006 bis 2. März 2011. Auch ihre volljährige (bei Erlassung des angefochtenen Bescheides 20 Jahre alte) Tochter lebe in Österreich.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände und des langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet liege zwar ein Eingriff in das Privat- und Familienleben vor, der jedoch aus im Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit Dritter) dringend geboten sei. Auch werde der Eingriff durch die dargestellten Fehlverhalten und die Volljährigkeit der Tochter, einer kolumbianischen Staatsangehörigen, stark relativiert. Unter Berücksichtigung der dargestellten Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin und der daraus abzuleitenden negativen Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Ein Kontakt zur volljährigen Tochter könne - zumindest in einem eingeschränkten Umfang - durch Besuche im Ausland aufrecht erhalten werden. Weitere private oder familiäre Bindungen habe die Beschwerdeführerin nicht einmal geltend gemacht. Dazu komme, dass das durch den Aufenthalt in Österreich erreichte Ausmaß an Integration, die auch eine Angepasstheit an die Gesetze des Gastlandes erfordere, durch die mehrfachen Fehlverhalten relativiert werde.
Gemäß § 63 FPG sei ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sei. Da die Beschwerdeführerin mehrere Fehlverhalten gesetzt und trotz der erwähnten Bestrafungen wieder gegen das Prostitutionsgesetz verstoßen habe, sei die Vorhersehbarkeit des Wegfalls der maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren gegeben. Die Verhängung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes sei daher gerechtfertigt.
Von dem im § 60 FPG eingeräumten Ermessen habe nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht werden können, weil ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde und auch anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderliefe. Die Ermessensübung zum Nachteil der Beschwerdeführerin liege im Hinblick auf das mehrmalige Fernbleiben von den vorgeschriebenen Untersuchungen beim Magistrat der Stadt Villach auf der Hand.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 FPG lautet:
"Voraussetzungen für das Aufenthaltsverbot
§ 60. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
- 1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
- 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
...
4. im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist; ..."
§ 61 Z. 2 FPG lautet:
"Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes
§ 61. Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn
...
2. eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre;"
§ 54 Abs. 1 FPG lautet:
"Ausweisung Fremder mit Aufenthaltstitel
§ 54. (1) Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder
2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht."
§ 56 FPG lautet:
"Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit einem Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' oder mit 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger'
§ 56. (1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' oder 'Daueraufenthalt-Familienangehöriger' verfügen, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(2) Als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist,
zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.
(3) § 55 Abs. 4 und 5 gilt."
Die belangte Behörde hat übersehen, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin als langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige iSd Richtlinie 2003/109/EG nicht allein basierend auf der Bestimmung des § 60 FPG, sondern gemäß § 61 Z. 2 FPG nur im Fall des Vorliegens einer schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd § 56 Abs. 2 FPG zulässig gewesen wäre. Mit dieser Vorschrift hat sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht beschäftigt, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. Oktober 2008
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