VwGH 2007/18/0940

VwGH2007/18/094019.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des M C in W, geboren am 15. August 1963, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Mai 2007, Zl. E1/157162/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Mai 2007 wurde der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Schon mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 28. Mai 1997 sei der Beschwerdeführer erstmals aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und am 3. Juni 1997 in sein Heimatland abgeschoben worden. Am 6. Oktober 1998 sei er nach Österreich zurückgekehrt. Er habe sich aber am 24. August 2000 neuerlich nach Kroatien abgemeldet. Anschließend sei er zu einem unbekannten Zeitpunkt wieder nach Österreich eingereist. Er habe zuletzt am 28. Mai 2002 das Bundesgebiet (wieder) verlassen. Seit dem 4. März 2004 sei er aber durchgehend in Wien gemeldet. Er habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Er sei nach seiner letzten (sichtvermerksfreien) Einreise zu einem unbekannten Zeitpunkt in Österreich verblieben und halte sich somit zumindest seit dem 4. Juni 2004 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu einer Ehegattin und zu seinen beiden Kindern. Es sei davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. Dieser Eingriff sei jedoch dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen würden vom Beschwerdeführer dadurch, dass er sich seit ca. drei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, in gravierender Weise missachtet. Dabei könnten auch sämtliche Versuche des Beschwerdeführers, seinen Aufenthalt durch Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen - zuletzt am 18. März 2004 vom Landeshauptmann von Wien abgewiesen - zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil der von ihm angestrebte Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft-selbstständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien negativ begutachtet worden sei. Der Beschwerdeführer, dem sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet auf Grund mehrerer abschlägiger Bescheide habe bewusst sein müssen, habe sich über die für ihn maßgebenden fremdenrechtlichen Normen hinweg gesetzt. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit daran, dass er aus dem Bundesgebiet ausreise. Dem genannten öffentlichen Interesse würde es grob zuwider laufen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen würden, den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung sei zu bemerken, dass dieser zuletzt rechtskräftig verurteilt worden sei, weil er ab Oktober 2002 bis zum Juli 2005 als Geschäftsführer bzw. zuletzt als Liquidator einer Baugesellschaft der Wiener Gebietskrankenkasse Beiträge der Dienstnehmer zur Sozialversicherung im Ausmaß von EUR 12.354,54 vorsätzlich vorenthalten habe. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne sein weiterer Aufenthalt auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom 10. Dezember 2007, B 1113/07-10) an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er über keinen Aufenthaltstitel und auch keine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt, sodass er sich zumindest seit dem 4. Juni 2004 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Zur Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG bringt der Beschwerdeführer vor, dass er mit seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe. Seine Kinder würden Kroatien nicht kennen und seien in Österreich vollständig integriert. Sie hätten ihr gesamtes Leben in Österreich verbracht und würden hier seit Jahren zur Schule gehen. Eine zwangsweise Rückkehr der Kinder des Beschwerdeführers wäre aus Gründen des Art. 8 EMRK jedenfalls unzulässig. Darüber hinaus wäre auch eine dauerhafte Trennung des Beschwerdeführers von seinen Kindern und seiner Ehefrau weder dem Beschwerdeführer selbst noch seinen Familienangehörigen zuzumuten und somit ebenso gemäß Art. 8 EMRK unzulässig. Eine dahingehende Prüfung habe die belangte Behörde gänzlich unterlassen.

2.2. Der Beschwerdeführer wäre gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthalts vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2007/18/0523, mwN). Selbst wenn private und familiäre Bindungen des Beschwerdeführers bei entsprechender Art oder Intensität einen gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland gestellten Antrag auf Erteilung einer (gegebenenfalls humanitären iSd Art. 8 EMRK) Niederlassungsbewilligung zum Erfolg führen könnten, so müssen für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG über die genannten Bindungen hinaus besondere Umstände vorliegen, die es dem Beschwerdeführer mit Blick auf den Art. 8 EMRK unzumutbar machen, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsbewilligungsverfahrens in sein Heimatland zurückzukehren.

Die belangte Behörde ist bei der gemäß § 66 Abs. 1 FPG durchzuführenden Interessenabwägung davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhält. Er beeinträchtigt dadurch das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (insbesondere jenes an der Einhaltung des Grundsatzes der Auslandsantragstellung), dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit und zur Übereinstimmung des Grundsatzes der Auslandsantragstellung mit dem Gemeinschaftsrecht vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2008, Zl. 2007/18/0286, und vom 24. April 2007, Zl. 2006/21/0057mwN).

Die belangte Behörde hat andererseits den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seine familiäre Bindungen zu seiner Ehegattin und zu seinen beiden Kindern berücksichtigt und ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass mit der Erlassung der Ausweisung ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG verbunden ist. Die aus der Aufenthaltsdauer in Österreich resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als seine früheren Aufenthalte und auch der zuletzt am 4. März 2004 begonnene fast zur Gänze unrechtmäßig waren (I.1.). Der Beschwerdeführer musste sich (besonders in Ansehung der Abweisung seiner Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels) der Unsicherheit seines weiteren aufenthaltsrechtlichen Schicksals stets bewusst gewesen sein.

Die dargestellten privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers lassen keine besondern Umstände erkennen, die es ihm mit Blick auf Art. 8 EMRK unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in sein Heimatland zurückzukehren, bzw. die es zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich machen würden, vom Erfordernis der Auslandsantragstellung abzusehen und ihm rasch bzw. sofort eine (humanitäre) Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Eine solche Unzumutbarkeit ist vorliegend umso weniger anzunehmen, als der Beschwerdeführer praktisch von Beginn seines Aufenthalts in Österreich an die geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen konsequent missachtet und obendrein auch noch ein strafrechtswidriges Verhalten (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung) gesetzt hat, weswegen er rechtskräftig verurteilt worden ist. Im Übrigen ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, dass der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2004 lediglich vorbrachte, es sei zu berücksichtigten, "dass seine Gattin in Österreich lebt und seine beiden mj. Kinder hier schon seit Jahren zur Schule gehen." In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung verweist er ebenfalls nur auf den Aufenthalt seiner Gattin und seiner beiden schulpflichtigen Kinder. Bei oben zitierten Beschwerdevorbringen betreffend vier minderjährige Kinder verstößt die Beschwerde daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot.

Die (insbesondere hinsichtlich einer raschen bzw. sofortigen Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung) nicht besonders ausgeprägten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich müssen gegenüber dem durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend beeinträchtigten maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Es stellt vorliegend keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, den von ihm eigenmächtig aufgenommenen rechtswidrigen Aufenthalt zu beenden, zumal ihm stets die Möglichkeit offen stand, seine behaupteten Niederlassungsrechte gesetzeskonform geltend zu machen. Im Hinblick darauf ist die Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

3. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

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