VwGH 2007/18/0286

VwGH2007/18/028631.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des IS in W, geboren am 26. August 1996, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 2007, Zl. 147.736/3-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
FremdenG 1997;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §12 Abs2;
NAG 2005 §12 Abs3;
NAG 2005 §12 Abs7;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §46 Abs4;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §38;
FremdenG 1997;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §12 Abs2;
NAG 2005 §12 Abs3;
NAG 2005 §12 Abs7;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §46 Abs4;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. März 2007 wurde der Antrag des (minderjährigen) Beschwerdeführers, eines ukrainischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei mit einem von der Österreichischen Botschaft Kiew ausgestellten, vom 27. Juni 2006 bis zum 20. August 2006 gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist. Am 8. August 2006 habe die Mutter des Beschwerdeführers für ihn in dessen Beisein einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "beschränkt" (Erteilung einer Niederlassungsbewilligung iSd § 8 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 4 NAG im Rahmen einer Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG) gestellt. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen. Seine Mutter habe vorgebracht, dass sie in Österreich bestens etabliert wäre und die Großmutter des Beschwerdeführers auf Grund ihres Alters von 70 Jahren nicht mehr in der Lage wäre, den Beschwerdeführer in der Ukraine zu betreuen. Es wäre ihr auf Grund der Berufstätigkeit in Österreich nicht möglich, in die Ukraine zu reisen und dort einen Aufenthaltstitel für den Beschwerdeführer zu beantragen.

(Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Mutter des Beschwerdeführers, Lyubov M., seit 15. November 2003 in Wien lebt. Sie heiratete am 26. März 2004 den am 27. März 1948 geborenen und am 7. September 2005 verstorbenen österreichischen Staatsangehörigen Alfred M und verfügt über eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt". Am 10. August 2006 gab sie im Hinblick auf die oben dargestellte familiäre Situation die Erklärung ab, für ihren Sohn ein "Aufenthaltsvisum" zu beantragen. Am 29. September 2006 ersuchte der Landeshauptmann von Wien, die Erstbehörde, die belangte Behörde um Zustimmung zur Inlandsantragstellung des Beschwerdeführers "gemäß § 73 iVm § 75 NAG". Die Mutter des Beschwerdeführers sei auf die Unzulässigkeit der Inlandsantragstellung hingewiesen worden und habe daraufhin humanitäre Gründe geltend gemacht. Der Beschwerdeführer befinde sich in der Quotenreihung "an der 2117. Stelle und könnte auf Grund der Quotensituation, im Jahr 2006 nicht mehr bewilligt werden". Am 15. Februar 2007 teilte die belangte Behörde dem Landeshauptmann von Wien mit näherer Begründung mit, dass der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 73 NAG nicht zugestimmt werde. Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 hat der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Nichtzulassung der Inlandsantragstellung durch die belangte Behörde und ohne sich mit dem behaupteten Vorliegen humanitärer Gründe inhaltlich auseinander zu setzen gemäß § 21 Abs. 1 NAG wegen unzulässiger Inlandsantragstellung abgewiesen.)

Da der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Republik Österreich gewesen sei, handle es sich bei dem Antrag vom 8. August 2006 um einen Erstantrag. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte er diesen Antrag vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen, weil er keine der für eine Inlandsantragstellung erforderlichen Voraussetzungen erfülle. Sein Antrag sei gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers würden sich Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinn des § 72 NAG ableiten lassen. Allein aus der Integration und der Berufstätigkeit der Mutter in Österreich könnten keine humanitären Gründe abgeleitet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es dem Beschwerdeführer unzumutbar sein soll, bei der österreichischen Vertretungsbehörde in seinem Heimatland einen korrekten Antrag zu stellen, zumal ihm das "beim Visum C" möglich gewesen sei, wo sich offensichtlich auch eine Begleitperson für diesen gefunden habe. Die vom Beschwerdeführer bzw. seiner Mutter gewählte Vorgangsweise stelle eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen dar. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt hat, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich beim gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 46 Abs. 4 NAG um einen Erstantrag iSd § 21 Abs. 1 NAG handle, keinen Bedenken. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Grundsatzes vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2007, B 1263, 1264/07, mwH) hätte der Beschwerdeführer daher grundsätzlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

2. Allerdings sieht das Gesetz auch Ausnahmen vom Grundsatz der Auslandsantragstellung vor. Zwar sind vorliegend die Voraussetzungen für eine der in § 21 Abs. 2 NAG genannten Fälle der Inlandsantragstellung unstreitig nicht erfüllt. Jedoch bietet auch § 73 Abs. 4 NAG - wie noch auszuführen sein wird - die Möglichkeit, einen mit einem Feststellungsantrag verbundenen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen im Ausland oder im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber im Ausland oder im Inland abzuwarten. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall einer Familienzusammenführung eines drittstaatsangehörigen Kindes mit seiner in Österreich niedergelassenen drittstaatsangehörigen Mutter (§ 46 Abs. 4 NAG) auch vor dem Hintergrund der Bestimmungen über die Quotenpflicht zu sehen.

3.1. § 12 NAG idF BGBl. I Nr. 99/2006 lautet samt Überschrift:

"Quotenpflichtige Niederlassung

§ 12. (1) Den Regelungen über die Quotenpflicht unterliegen gemäß § 13:

  1. 1. die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und
  2. 2. die Zweckänderung eines gültigen Aufenthaltstitels, soweit die beantragte Niederlassungsbewilligung bei erstmaliger Erteilung quotenpflichtig wäre.

(2) Anträge innerhalb eines Quotenjahres auf Erteilung einer der Quotenpflicht unterliegenden Niederlassungsbewilligung sind nach dem Datum des Einlangens bei der Behörde in ein nach Quotenjahren und Quotenarten zu führendes Register, das vom Landeshauptmann zu führen ist, aufzunehmen und diesem Quotenjahr zuzuordnen. Sofern der Landeshauptmann ein automationsunterstütztes Register für die Reihung der Anträge eingerichtet hat, gilt für am selben Tag einlangende Anträge als zusätzliches Reihungselement der genaue Zeitpunkt der Aufnahme in dieses. In einem Quotenjahr gestellte Anträge sind unbeschadet des Erledigungszeitpunktes auf dieses Quotenjahr so lange anzurechnen, wie Quotenplätze im Register vorhanden sind.

(3) Unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung darf eine solche nur dann erteilt werden, wenn ein aus dem Register nach Abs. 2 zugeordneter Quotenplatz zur Verfügung steht. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verringert die im Register nach Abs. 2 vorhandene Anzahl von Plätzen. Die konkrete Zuteilung eines Quotenplatzes erfolgt mit Erteilung der Niederlassungsbewilligung und in den Fällen des § 23 Abs. 2 mit Beauftragung der zuständigen Berufsvertretungsbehörde.

(4) Steht zum Zeitpunkt der Antragstellung oder zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag in diesem Quotenjahr kein Quotenplatz im Register nach Abs. 2 mehr zur Verfügung, so ist - ausgenommen in Fällen der Familienzusammenführung nach § 46 Abs. 4 - der Antrag ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen, wobei die Zurückweisungsentscheidung Angaben über die Reihung und die Gesamtzahl der bis zum Entscheidungszeitpunkt gestellten Anträge im Quotenjahr und der zur Verfügung stehenden Quotenplätze zu enthalten hat; gegen diese Entscheidung ist keine Berufung zulässig.

(5) Kann auf Grund der Reihung im Register nach Abs. 2 ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung weder abgewiesen noch zurückgewiesen werden, weil noch nicht alle verfügbaren Quotenplätze der betreffenden Quotenart rechtskräftig vergeben worden sind, ist die Erledigung dieses Antrages bis zum Freiwerden eines Quotenplatzes der betreffenden Quotenart oder bis zur Ausschöpfung der betreffenden Quotenart aufzuschieben. Der Aufschub hemmt den Ablauf der Fristen nach § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51.

(6) Wurde der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen oder aus anderen Gründen als nach Abs. 4 zurückgewiesen und wurde dagegen Berufung erhoben, hat dies keinen Einfluss auf die Reihungen von anderen Anträgen im Register nach Abs. 2. Liegt eine abweisende oder zurückweisende Entscheidung der Berufungsbehörde vor, wird der betreffende Quotenplatz frei.

(7) Ist in Fällen der Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 die Anzahl der Quotenplätze in einem Land ausgeschöpft, hat die Behörde die Entscheidung über den Antrag aufzuschieben, bis ein Quotenplatz vorhanden ist, sofern sie den Antrag nicht aus anderen Gründen zurückzuweisen oder abzuweisen hat. Ein solcher Aufschub hemmt den Ablauf der Fristen nach § 73 AVG und § 27 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10. Der Fremde oder der Zusammenführende hat zum Stichtag des Aufschubes einen Anspruch auf Mitteilung über den Platz in der Reihung des Registers. Die Mitteilung über die Reihung ist auf Antrag des Fremden einmalig in Bescheidform zu erteilen; dagegen ist keine Berufung zulässig. Weitere Reihungsmitteilungen können auch in anderer technisch geeigneten Weise, die den Schutz personenbezogener Daten wahrt, ergehen. Drei Jahre nach Antragstellung ist ein weiterer Aufschub nicht mehr zulässig und die Quotenpflicht nach Abs. 1 erlischt.

(8) Niederlassungsbewilligungen für Kinder, denen gemäß § 30 Abs. 4 FPG Sichtvermerksfreiheit zukommt, und Fremde, denen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt wurde und die weiterhin im Bundesgebiet niedergelassen sind, unterliegen nicht der Quotenpflicht. Dies gilt ebenso für Kinder, die im Zeitraum zwischen der Antragstellung der Mutter und der Erteilung der Niederlassungsbewilligung geboren wurden."

§ 73 NAG lautet:

"§ 73. (1) Die Behörde kann Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' oder eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilen. Die Bestimmungen über die Quotenpflicht finden keine Anwendung.

(2) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat und

2. im Fall einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.

(3) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat.

(4) Soll aus humanitären Gründen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' im Fall einer Familienzusammenführung (§ 46 Abs. 4) erteilt werden, hat die Behörde auch über einen gesonderten Antrag als Vorfrage zur Prüfung humanitärer Gründe (§ 72) zu entscheiden und gesondert über diesen abzusprechen, wenn dem Antrag nicht Rechnung getragen wird. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn gleichzeitig ein Antrag in der Hauptfrage auf Familienzusammenführung eingebracht wird oder ein solcher bereits anhängig ist. Die Pflicht zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung entfällt."

3.2. § 12 Abs. 4 NAG bestimmt demnach, dass die Pflicht der Behörde, einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung im Fall der gänzlichen Ausschöpfung der Quotenplätze ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen, für Fälle der Familienzusammenführung nach § 46 Abs. 4 NAG nicht gilt.

Zu § 12 Abs. 7 NAG führen die Erläuterungen zur RV 952 BlgNR

22. GP, 122 ff, aus:

"Abs. 7 normiert eine davon differenzierte Vorgehensweise in Fällen der Familienzusammenführung. Kann einem Antrag nicht stattgegeben werden, weil im betreffenden Bundesland kein Quotenplatz der jeweiligen Quotenart mehr vorhanden ist, ist die Entscheidung aufzuschieben; der Aufschub hemmt den Ablauf der Entscheidungsfristen. (...) Drei Jahre nach der Antragstellung ist ein weiterer Aufschub nicht mehr zulässig und eine Bewilligung darf auch erteilt werden, wenn kein Quotenplatz mehr vorhanden ist. Hiermit soll einerseits die Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung umgesetzt und andererseits dem oben angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (vom 8. Oktober 2003, VfSlg. 17.013) Genüge getan werden. Ist eine Familienzusammenführung mangels Quotenplatz nicht möglich, aber nach Art. 8 EMRK geboten, so bietet die Regelung in § 73 Abs. 4 darüber hinaus explizit die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu stellen."

Zu § 73 NAG wird in den genannten Erläuterungen angemerkt:

"Erfüllt ein Fremder nicht alle Voraussetzungen zur Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' (§ 8 Abs. 2 Z 3) oder einer 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' (§ 8 Abs. 2 Z 2), so soll mit dieser Bestimmung der Behörde von Amts wegen mit Zustimmung des BMI (§ 75) die Möglichkeit eingeräumt werden, in Einzelfällen aus denselben Gründen wie bereits unter § 72 beschrieben, eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen erteilen zu können. In diesen Fällen bleiben die Bestimmungen über die Quotenpflicht unberücksichtigt (Abs. 1). Die 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' kann von der Behörde von Amts wegen erteilt werden, wenn der Fremde über eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verfügt und die Integrationsvereinbarung erfüllt hat (Abs. 2). Die Erteilung der 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' aus humanitären Gründen setzt neben den bereits erläuternden Gründen nach § 72 lediglich die Erfüllung der Integrationsvereinbarung voraus (Abs. 3). Stellt der Fremde einen Antrag auf eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' und gleichzeitig einen Antrag auf Familienzusammenführung so ist als Vorfrage abzuklären ob die Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen erteilt werden kann. Bejahendenfalls erübrigt sich die Prüfung des Antrages auf Familienzusammenführung; die Bestimmungen der Quotenpflicht können unberücksichtigt bleiben. Weiters entfallen die Voraussetzungen der Erfüllung der Integrationsvereinbarung, nicht jedoch die Pflicht zur Erfüllung derselben (Abs. 4). Ist eine Familienzusammenführung also mangels Quotenplatz nicht möglich, aber nach Art. 8 EMRK geboten, so bietet die Regelung in Abs. 4 nun explizit die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu stellen."

4. § 73 Abs. 4 NAG sieht somit - ähnlich wie das Fremdengesetz 1997 und in Entsprechung des den Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ohne Berücksichtigung von Quoten aus humanitären Gründen behandelnden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.013/2003 - die Möglichkeit vor, eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" aus humanitären Gründen in Fällen der Familienzusammenführung zu beantragen (vgl. die Ausführungen im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 2007, B 215/07, 216/07).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kann der Drittstaatsangehörige entweder gleichzeitig mit der Einbringung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG oder während der Anhängigkeit eines Verfahrens hierüber zur Klärung der "Vorfrage", ob humanitäre Gründe - etwa ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familienzusammenführung - vorliegen, gemäß § 73 Abs. 4 NAG einen gesonderten Antrag auf Feststellung einbringen. Dieser Antrag kann vom Ausland oder vom Inland aus gestellt und die Entscheidung darüber im Ausland oder im Inland abgewartet werden, denn ein Antrag nach § 73 Abs. 4 NAG ist von § 21 Abs. 1 NAG nicht umfasst und darf daher - unbeschadet der Möglichkeit einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0012) - nicht wegen Inlandsantragstellung abgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0243). Ein solcher Feststellungsantrag ist im Übrigen auch dann zulässig, wenn zwar nicht die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 NAG vorliegen, aber die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. des § 11 Abs. 3 NAG geboten erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0247).

5. Werden sohin humanitäre Gründe (in einem gesonderten Feststellungsantrag oder mit dem Hauptantrag) geltend gemacht und liegen diese vor, so hat die Behörde die begehrte Bewilligung zu erteilen (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0243), wobei entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen ist (vgl. zur erforderlichen verfassungskonformen Auslegung in diesem Sinn das bereits genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes B 1263, 1264/07). Dies ermöglicht zB in jenen Fällen, in denen kein Quotenplatz nach § 12 Abs. 2 und 3 NAG zur Verfügung steht und auch die dreijährige Wartefrist des § 12 Abs. 7 NAG noch nicht abgelaufen ist, eine durch Art. 8 EMRK ausnahmsweise gebotene sofortige Familienzusammenführung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/21/0057).

Wenn nach Meinung der Behörde keine humanitären Gründe gegeben sind, hat sie den zur Klärung der genannten Vorfrage dienenden Feststellungsantrag abzuweisen. Eine abweisende Entscheidung über den Feststellungsantrag kann der Antragsteller - auch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts - bekämpfen und damit einen allfälligen Anspruch auf Familiennachzug iSd Art. 8 EMRK geltend machen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0243).

Der Behörde ist eine Abweisung des Hauptantrags auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung so lange verwehrt, als der zur Klärung der genannten Vorfrage dienende Feststellungsantrag nicht abgewiesen worden ist. Dies ergibt sich aus der Anordnung des § 73 Abs. 4 NAG, über den gesonderten Feststellungsantrag als Vorfrage zu entscheiden und gesondert über diesen abzusprechen, wenn dem Antrag nicht Rechnung getragen wird.

Sollte jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Feststellungsantrag die Entscheidung über den Hauptantrag entscheidungsreif sein, so ist es - falls dem Feststellungsantrag nicht ohnehin in der eingangs beschriebenen Weise Rechnung getragen und die begehrte Bewilligung erteilt werden kann - auch zulässig, die Entscheidung über den Feststellungsantrag nicht gesondert, sondern - wie es dem Wesen einer Vorfrage entspricht - in der Form zu treffen, dass die Behörde das Vorliegen humanitärer Gründe nach den im Verfahren über den Hauptantrag über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen Anschauungen verneint und den Antrag auf Niederlassungsbewilligung abweist (vgl. das bereits genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2007, B 1263/07, dem ein Bescheid zu Grunde lag, in dem ebenfalls über humanitäre Gründe entschieden wurde).

6.1. Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "beschränkt" (Erteilung einer Niederlassungsbewilligung iSd § 8 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 4 NAG im Rahmen einer Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG) gestellt. Nachdem er auf die Unzulässigkeit der Inlandsantragstellung hingewiesen worden war, hat er die Bewilligung der Niederlassung aus humanitären Gründen beantragt. Bereits die erstinstanzliche Behörde hat erkannt, dass es sich bei den Anträgen des Beschwerdeführers (auch) um einen nach § 73 NAG zu beurteilenden Fall der Niederlassungsbewilligung handelt, wobei nach Lage der Dinge nicht zweifelhaft sein konnte, dass nicht einer der in § 73 Abs. 2 und 3 NAG geregelten Anträge, sondern ein Antrag auf Erteilung des in § 73 Abs. 4 NAG genannten Aufenthaltstitels Sache des Verwaltungsverfahrens war.

6.2. Die belangte Behörde hat sich demgemäß inhaltlich mit der Frage des Vorliegens humanitärer Gründe für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auseinandergesetzt und diese verneint. Dagegen wendet sich die Beschwerde mit dem nicht weiter substantiierten Vorbringen, die 70-jährige Großmutter des Beschwerdeführers, die ihn bisher immer betreut habe, sei nun aus "gesundheitlichen Gründen" dazu nicht mehr imstande. Unstreitig ist der minderjährige Beschwerdeführer bis zu seiner Einreise nach Österreich im Juni 2006 von seiner Großmutter in der Ukraine betreut worden. In Anbetracht dessen wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, nachvollziehbar darzulegen bzw. nachzuweisen, aus welchen konkreten Gründen die bis zu diesem Zeitpunkt im Heimatland durchgeführte Betreuung des Beschwerdeführers nach diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich sein sollte. Dem bloßen Hinweis auf "gesundheitliche Gründe" ist nicht zu entnehmen, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliegen würde, der eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben erfordert, und dass der Beschwerdeführer in seinen durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde, wenn er die Entscheidung über einen gemäß § 21 Abs. 1 NAG im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abwarten müsste (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/21/0057, sowie das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/18/0094).

7. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. März 2008

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