Normen
11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrG 1997 §47 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;
11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrG 1997 §47 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;
Spruch:
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in der hg. Beschwerdesache Zl. 2007/21/0271 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.
Begründung
1. Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Juni 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" (wohl gemeint: "begünstigter Drittsta. - EWR, § 47 Abs. 3 FrG") gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 Z. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 18. Juni 2003 mit einem vom 10. Juni bis zum 25. Juli 2003 gültigen französischen Visum C in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Seit dem 26. Juli 2003 halte er sich im österreichischen Bundesgebiet auf, ohne über eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu verfügen. Am 19. April 2005 habe er in Wien mit Frau Cornelia G., einer deutschen Staatsangehörigen, die Ehe geschlossen. Vom 30. März 2005 bis zum 14. November 2005 und sodann ab dem 10. Februar 2006 sei der Beschwerdeführer an Wohnsitzen in Wien gemeldet. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Juni 2005 sei als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG zu werten.
Es liege (in Bezug auf das Visum) ein Umgehungssachverhalt im Hinblick auf die österreichischen Einwanderungsbestimmungen vor. Es habe kein Grund bestanden, mit einem französischen Schengen-Visum in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. Ein österreichisches Visum wäre bei Erfüllen aller hiefür normierten Voraussetzungen ebenso erreichbar gewesen. Wäre das ursprüngliche Zielland tatsächlich Frankreich gewesen, so wäre nicht erklärlich, dass der Beschwerdeführer - nach einem Zwischenaufenthalt in Österreich - nicht in weiterer Folge dorthin weitergereist, sondern auch noch nach Ablauf der Gültigkeit des Visums unrechtmäßig in Österreich verblieben sei. Es liege die Vermutung nahe, dass der Beschwerdeführer im Zuge seines unrechtmäßigen Aufenthaltes noch weiter Handlungen setze, die mit der österreichischen Rechtsordnung nicht in Einklang stünden, so zum Beispiel, dass er die Mittel für seinen Unterhalt durch unzulässige Ausübung einer Erwerbstätigkeit erwirtschafte. Da sich der Beschwerdeführer seit dem 26. Juli 2003 im österreichischen Bundesgebiet aufhalte, ohne über eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu verfügen, gefährde sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung, was den öffentlichen Interessen im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG widerstreite.
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Fehlens von Voraussetzungen iSd § 11 Abs. 2 Z. 1 bis 6 leg. cit. erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten sei. Außer zur Ehefrau des Beschwerdeführers bestünden keine weiteren familiären Bindungen in Österreich. Diese sei deutsche Staatsangehörige und somit EWR-Bürgerin. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten sich unbestritten erst in Österreich kennen gelernt und nach der Eheschließung am 19. April 2005 während des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich ein Familienleben begonnen, sodass "in ihrem Fall von der Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens nicht ausgegangen werden kann". Art. 8 EMRK umfasse nicht die generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben. Er beinhalte nicht das Recht, den geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen.
Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers im weitesten Sinn auf die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), Bezug nehme, werde festgehalten, dass er die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle und er daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen könne. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe ihre Freizügigkeit zwar in einem zeitlichen Naheverhältnis zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen, zu dem sie den Beschwerdeführer kennen gelernt habe. Ihre Bekanntschaft habe der Beschwerdeführer erst im Jahr 2003 in Österreich gemacht. Der Beschwerdeführer sei noch nie mit seiner nunmehrigen Ehefrau in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen gewesen. Er sei daher weder mit seiner Ehefrau bei deren Niederlassung im österreichischen Bundesgebiet mitgezogen noch sei er nach der Eheschließung aus einem anderen Mitgliedstaat in das österreichische Bundesgebiet nachgezogen. Auch sonst sei weder der Berufung noch dem bekämpften Bescheid noch dem Akteninhalt ein Anhaltspunkt "für die Inanspruchnahme dieses Rechtes während ihrer Ehe" zu entnehmen. Es liege daher kein Freizügigkeitssachverhalt im Sinn des § 54 NAG vor, sodass kein gemeinschaftsrechtliches Niederlassungsrecht bestehe. Ein solches hätte nur dann entstehen können, wenn der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig niedergelassen gewesen wäre.
2. Mit hg. Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009), wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?
b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?
c) Wenn sich aus der Beantwortung der Fragen 1. a) und b) aus der RL kein Aufenthaltsrecht eines 'bloß' als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigten Familienangehörigen, der unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ergibt: Lässt sich dessen ungeachtet in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Familienangehörige seit knapp vier Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort ein Jahr mit einem Unionsbürger - mit dem er seit rd. dreieinhalb Jahren zusammenlebt und mit dem er ein 20 Monate altes gemeinsames Kind hat - verheiratet ist, aus den Art. 18 bzw. 39 EG im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens ein Recht zum Aufenthalt ableiten?
2. Stehen die Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der RL einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der RL, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte ('Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers') erhalten können, weil sie nach asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats (vorläufig) zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind?"
Da begründete Anhaltpunkte dafür vorliegen, dass die beschwerdeführende Partei Familienangehörige eines sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmenden Unionsbürgers iSd Art. 2 Nr. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ist, die unabhängig von diesem nach Österreich (den Aufnahmemitgliedstaat) gelangt ist, um erst dort die Angehörigeneigenschaft mit dem Unionsbürger zu begründen, und die sich zum Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft nicht rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, bilden diese Fragen zum Teil auch im gegenständlichen Fall Vorfragen, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden sind.
Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig ist, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 27. April 2004, Zl. 2004/21/0071).
Wien, am 29. Jänner 2008
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