Normen
11992E048 EGV Art48;
11997E018 EG Art18;
11997E039 EG Art39;
11997E049 EG Art49;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Art10;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft;
31972L0194 Koordinierung-RL Erweiterung Geltungsbereich;
31973L0148 Aufhebungs-RL Niederlassung Dienstleistungverkehr;
31975L0034 Niederlassungsfreiheit-RL;
31975L0035 Koordinierung-RL Erweiterung Geltungsbereich;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0365 Aufenthaltsrecht-RL ausgeschiedene Arbeitnehmer;
31993L0096 Aufenthaltsrecht-RL Studenten;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art10 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art11;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr3;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art6 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1 litd;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61999CJ0413 Baumbast VORAB;
61999CJ0459 MRAX VORAB;
62000CJ0060 Carpenter VORAB;
62001CJ0109 Hacene Akrich VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
62005CJ0001 Jia VORAB;
AsylG 1997 §19 Abs3;
AsylG 1997 §19;
EMRK Art8;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §52 Z1;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54 Abs1;
NAG 2005 §54;
VwGG §38b;
11992E048 EGV Art48;
11997E018 EG Art18;
11997E039 EG Art39;
11997E049 EG Art49;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Art10;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft;
31972L0194 Koordinierung-RL Erweiterung Geltungsbereich;
31973L0148 Aufhebungs-RL Niederlassung Dienstleistungverkehr;
31975L0034 Niederlassungsfreiheit-RL;
31975L0035 Koordinierung-RL Erweiterung Geltungsbereich;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0365 Aufenthaltsrecht-RL ausgeschiedene Arbeitnehmer;
31993L0096 Aufenthaltsrecht-RL Studenten;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art10 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art11;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr3;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art6 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1 litd;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61999CJ0413 Baumbast VORAB;
61999CJ0459 MRAX VORAB;
62000CJ0060 Carpenter VORAB;
62001CJ0109 Hacene Akrich VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
62005CJ0001 Jia VORAB;
AsylG 1997 §19 Abs3;
AsylG 1997 §19;
EMRK Art8;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §52 Z1;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54 Abs1;
NAG 2005 §54;
VwGG §38b;
Spruch:
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) werden nach Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art. 6
Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?
b) Wenn dies der Fall ist, kommt es
ergänzend darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?
c) Wenn sich aus der Beantwortung der
Fragen 1. a) und b) aus der RL kein Aufenthaltsrecht eines "bloß" als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigten Familienangehörigen, der unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ergibt: Lässt sich dessen ungeachtet in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Familienangehörige seit knapp vier Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort ein Jahr mit einem Unionsbürger - mit dem er seit rd. dreieinhalb Jahren zusammenlebt und mit dem er ein 20 Monate altes gemeinsames Kind hat - verheiratet ist, aus den Art. 18 bzw. 39 EG im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens ein Recht zum Aufenthalt ableiten?
2. Stehen die Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der RL einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der RL, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte ("Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers") erhalten können, weil sie nach asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats (vorläufig) zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind?
Begründung
I. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste unbestritten am 15. Juni 2003 nach Österreich ein, wo er am 3. Oktober 2003 einen Asylantrag stellte. Über diesen Antrag ist noch nicht (hier zu beurteilender Stichtag 19. März 2007) rechtskräftig entschieden, sodass dem Beschwerdeführer nach den noch darzustellenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, in der hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, (weiterhin) ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zukommt.
Am 22. April 2006 heiratete der Beschwerdeführer eine deutsche Staatsangehörige. Nach den vorliegenden Unterlagen lebt er mit dieser (und in der Folge mit dem am 19. Juli 2005 geborenen gemeinsamen Kind; die Unterlagen geben zu dessen Staatsangehörigkeit keine Auskunft) zumindest seit 10. Oktober 2003 im gemeinsamen Haushalt.
Am 29. Mai 2006 beantragte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die von ihm geschlossene Ehe die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 54 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG (Art. 4 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100). Der Landeshauptmann von Niederösterreich wies diesen Antrag gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG zurück, der Bundesminister für Inneres gab der dagegen erhobenen Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. März 2007 keine Folge. Das begründete er einerseits damit, dass das NAG - und damit auch dessen § 54 über die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte - auf den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung nicht anwendbar sei. Außerdem habe die deutsche Ehefrau des Beschwerdeführers, die laut dessen eigenen Angaben "seit 3 Jahren in Österreich lebt" und einer Beschäftigung nachgehe, ihre Freizügigkeit zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen, zu dem sich der Beschwerdeführer schon in Österreich aufgehalten habe, weshalb das Erfordernis des "Begleitens oder Nachziehens", wie es in § 52 letzter Satz NAG verankert sei, nicht erfüllt werde (diesbezüglich verwies der Bundesminister für Inneres auch auf Art. 7 Abs. 2 der RL).
Im Rahmen der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde stellen sich die eingangs angeführten und in der Folge unter Punkt V. näher erläuterten Fragen.
II. Die innerstaatliche Rechtslage:
Das innerstaatliche Normengerüst bildet das am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene NAG. Es verfolgt nach dem Inhalt der Gesetzesmaterialien unter anderem die Zielvorstellung, die RL umzusetzen. Demgemäß enthält es - nach einem programmatischen Hinweis auf die zur Dokumentation eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts auszustellende "Anmeldebescheinigung" bzw. "Daueraufenthaltskarte" in § 9 (der österreichische Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, auch die "Aufenthaltskarte" einzuführen und sieht gestützt auf Art. 37 der RL für den in Frage kommenden Personenkreis von Anfang an die Ausstellung einer "Daueraufenthaltskarte" vor) - im 4. Hauptstück seines 2. Teils Bestimmungen über das "Gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht", die auszugsweise wie folgt lauten:
"Niederlassungsrecht für EWR-Bürger
§ 51. EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie
- 1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
- 2. für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung verfügen und nachweisen, dass sie über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen, so dass sie während ihrer Niederlassung keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder
3. eine Ausbildung bei einer rechtlich anerkannten öffentlichen oder privaten Schule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
Niederlassungsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern
§ 52. Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51), die selbst EWR-Bürger sind, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie
- 1. Ehegatte sind;
- 2. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen,
und diesen begleiten oder zu ihm nachziehen.
Anmeldebescheinigung
§ 53. (1) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen, und deren Angehörige gemäß § 52 haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung diese der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Diese gilt zugleich als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts des EWR-Bürgers.
(2) ...
Daueraufenthaltskarten
§ 54. (1) Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51), die nicht EWR-Bürger sind und die die in § 52 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen. Dieser Antrag ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung zu stellen.
(2) ...
..."
Ergänzend ist überdies auf § 1 Abs. 2 Z 1 NAG hinzuweisen, wonach dieses Bundesgesetz (NAG) nicht für Fremde gilt, die nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt. Davon ausgehend kommt im vorliegenden Fall - es sind die "vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen" anzuwenden - noch § 19 Asylgesetz 1997 in der eingangs erwähnten Fassung Bedeutung zu.
Darin wird Folgendes normiert:
"Vorläufige Aufenthaltsberechtigung
§ 19. (1) Asylwerber, die sich - sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) - im Bundesgebiet befinden, sind vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. ...
(2) Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, haben die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen.
(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist Asylwerbern, denen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, von Amts wegen zu bescheinigen. Der Bundesminister für Inneres hat mit Verordnung das Aussehen der Bescheinigung festzulegen.
(4) ..."
III. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts:
Grundlegend sind die Art. 18 und 39 EG, von deren Wiedergabe hier abgesehen wird. Die in den Kapiteln I ("Allgemeine Bestimmungen") und III ("Aufenthaltsrecht") enthaltenen Art. 1, 2, 3, 6, 7, 9 und 10 der insbesondere auf die Art. 12, 18, 40, 44 und 52 EG gestützten RL haben folgenden Wortlaut:
"Artikel 1
Gegenstand
Diese Richtlinie regelt
a) die Bedingungen, unter denen Unionsbürger
und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und
Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;
b) das Recht auf Daueraufenthalt der
Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten;
c) die Beschränkungen der in den Buchstaben a)
und b) genannten Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1. 'Unionsbürger' jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;
2. 'Familienangehöriger'
a) den Ehegatten;
b) den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger
auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine
eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den
Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene
Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den
einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats
vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind;
c) die Verwandten in gerader absteigender
Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners
im Sinne von Buchstabe b), die das 21. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben oder denen von diesen Unterhalt gewährt wird;
d) die Verwandten in gerader aufsteigender
Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b), denen von diesen Unterhalt gewährt wird;
3. 'Aufnahmemitgliedstaat' den Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben.
Artikel 3
Berechtigte
(1) Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.
(2) Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:
...
Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen.
Artikel 6
Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten
(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.
(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültigen Reisepasses, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.
Artikel 7
Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im
Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von
über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im
Aufnahmemitglied-staat ist oder
b) für sich und seine Familienangehörigen über
ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
c) - bei einer privaten oder
öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und
- über einen umfassenden
Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder
d) ein Familienangehöriger ist, der den
Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a), b) oder
c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.
(2) Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a), b) oder c) erfüllt.
(3) ...
(4) ...
Artikel 9
Verwaltungsformalitäten für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen
(1) Die Mitgliedstaaten stellen den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, eine Aufenthaltskarte aus, wenn ein Aufenthalt von über drei Monaten geplant ist. '
(2) Die Frist für die Einreichung des Antrags auf Ausstellung der Aufenthaltskarte muss mindestens drei Monate ab dem Zeitpunkt der Einreise betragen.
(3) Die Nichterfüllung der Pflicht zur Beantragung einer Aufenthaltskarte kann mit verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Sanktionen geahndet werden.
Artikel 10
Ausstellung der Aufenthaltskarte
(1) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine 'Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers' ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.
(2) ..."
IV. Voraussetzungen der Vorlage:
Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinn des Art. 234 EG und vertritt die Auffassung, dass sich bei der Entscheidung über den von ihm zu beurteilenden Beschwerdefall die im gegenständlichen Ersuchen um Vorabentscheidung wiedergegebenen und im nächsten Punkt näher erörterten Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes stellen.
V. Erläuterungen zu den Vorlagefragen:
Zu 1.a):
Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin und als solcher grundsätzlich nach den maßgeblichen innerstaatlichen Vorschriften (§ 54 Abs. 1 iVm § 52 Z 1 NAG) nur "zur Niederlassung berechtigt", wenn er seine Ehefrau "begleitet" hat oder "zu ihr nachgezogen" ist. In diesem Fall wäre ihm die von ihm beantragte Daueraufenthaltskarte auszustellen.
Nach dem erklärten Willen des österreichischen Gesetzgebers sollen damit (insbesondere) Art. 7 Abs. 2 sowie die Art. 9 bis 11 der RL (die letzteren Artikel mit der Maßgabe, dass sofort eine Daueraufenthaltskarte auszustellen ist) umgesetzt werden (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 952 BlgNR XXII. GP 142), was im Gesetzeswortlaut dergestalt zum Ausdruck kommt, dass er auch in der hier interessierenden Wendung "begleiten oder zu ihm nachziehen" weitgehend der in den Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der RL verwendeten Formulierung "begleiten oder ihm nachziehen" folgt. (Der Einschub der Präposition "zu" in § 52 letzter Satz NAG ist offensichtlich "bedeutungsneutral".) Schon von daher steht außer jedem Zweifel, dass die fragliche Textstelle nur jenen Sinngehalt haben kann, der der entsprechenden Wortfolge in Art. 7 Abs. 2 der RL (und in den anderen zuvor erwähnten Artikeln) zukommt, ohne dass noch ergänzend an die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs erinnert werden müsste.
Stellt sich mithin die Frage nach der Bedeutung der Worte "begleiten oder ihm nachziehen" insbesondere in Art. 7 Abs. 2 der RL, so würde eine strikt am Wortlaut der deutschen Fassung orientierte Auslegung zu dem Resultat führen, dass nur der Familiennachzug im engeren Sinn - also jene Fälle, in denen die Familienangehörigen den Unionsbürger entweder unmittelbar in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm später nachziehen - vom Schutzbereich der RL erfasst wäre. Eine Person in der Situation des Beschwerdeführers, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft bzw. das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet, könnte sich damit nicht auf die Begünstigungen der RL berufen. Schon ein Blick auf die englischsprachige Fassung der RL weckt indes Zweifel an diesem Ergebnis. So wird dort der Kreis der berechtigten Familienangehörigen von Unionsbürgern (Art. 2 Nr. 2 der RL) in deren Art. 3 Abs. 1 derart umschrieben, dass es sich um Personen handeln muss, "who accompany or join them." In den Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 1 lit. d sowie Abs. 2 der RL wird auf Personen abgestellt, "accompanying or joining the Union citizen". Das Verb "join" scheint jedoch weniger den Gesichtspunkt eines "Nachzugs", sondern vielmehr allgemein eines "Zusammenziehens" überhaupt zum Ausdruck zu bringen.
Der EuGH hielt im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rechtssache
30 - 77 "Bouchereau", fest (Randnr. 13/14), dass die verschiedenen
sprachlichen Fassungen einer Gemeinschaftsvorschrift einheitlich ausgelegt werden müssen. Falls die Fassungen voneinander abweichen, muss die Vorschrift daher nach dem allgemeinen Aufbau und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu dem sie gehört.
Beschäftigt man sich demnach mit dem Gesamtkontext der RL, so ist im gegebenen Zusammenhang insbesondere auf ihre Erwägungsgründe 1 - 3, 5, 8 und 24 hinzuweisen. Dort wird die Erlassung der RL wie folgt begründet:
"(1) Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgiedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist.
(3) Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.
(5) Das Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, sollte, wenn es unter objektiven Bedingungen in Freiheit und Würde ausgeübt werden soll, auch den Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit gewährt werden. Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff des Familienangehörigen auch den eingetragenen Lebenspartner umfassen, wenn nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt wird.
(8) Um die Ausübung der Freizügigkeit für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, zu erleichtern, sollten Familienangehörige, die bereits im Besitz einer Aufenthaltskarte sind, von der Pflicht befreit werden, sich ein Einreisevisum gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, oder gegebenenfalls gemäß den geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu beschaffen.
(24) Daher sollte der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind. Gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, insbesondere in Fällen, in denen sie dort geboren sind und dort ihr ganzes Leben lang ihren Aufenthalt gehabt haben, sollte nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden. ..."
Dem letztzitierten Erwägungsgrund lässt sich unzweideutig entnehmen, dass auch solche Unionsbürger von der RL umfasst sein sollen, die im Aufnahmemitgliedstaat geboren wurden und die dort ihr ganzes Leben lang ihren Aufenthalt gehabt haben. Insoweit bedarf es keines grenzüberschreitenden Moments bzw. wäre, wenn man für die Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit formal auf ein derartiges Moment abstellen wollte, davon auszugehen, dass es schon darin begründet ist, dass der Angehörige eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat geboren wurde (in diesem Sinn auch der EuGH im Urteil vom 19. Oktober 2004, Rechtssache C-200/02 "Zhu und Chen", Randnr. 18 f). Es erscheint fraglich, ob Angehörige von Unionsbürgern, auf die diese Situation zutrifft, unter dem Blickwinkel der Freizügigkeit "rechtlos" sein sollen und sich nicht auf die Begünstigungen der RL berufen dürfen, und zwar allein deshalb, weil sie - ausgehend vom deutschen Wortlaut der RL - streng genommen den Unionsbürger weder begleitet haben noch ihm nachgezogen sind. Ein derartiges Ergebnis könnte nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Übrigen mit Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (EMRK), in Widerspruch stehen, dem nach der ständigen Judikatur des EuGH auch im Rahmen des Gemeinschaftsrechts normative Kraft zukommt (vgl. die Urteile vom 11. Juli 2002, Rechtssache C-60/00 "Carpenter", Randnr. 41, vom 17. September 2002, Rechtssache C-413/99 "Baumbast", Randnr. 72, und vom 23. September 2003, Rechtssache C-109/01 "Akrich", Randnr. 58). Dass solche Familienmitglieder im Zeitpunkt der Begründung des Familienlebens mit dem Unionsbürger regelmäßig ein Aufenthaltsrecht besitzen (allenfalls besitzen müssen; vgl. dazu später), vermag die Problematik vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nur zu mildern, nicht jedoch gänzlich zu beseitigen, weil dieses andere Aufenthaltsrecht in seiner Qualität dem gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsrecht nicht gleichkommen muss (vgl. sinngemäß das Urteil "Baumbast", Randnr. 36).
In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Gesichtspunkt zu bedenken. In seinem schon genannten Urteil "Carpenter" hat der EuGH betont, dass es von großer Bedeutung ist, den Schutz des Familienlebens der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, um die Hindernisse für die Ausübung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu beseitigen (Randnr. 38; vgl. auch das Urteil vom 25. Juli 2002, Rechtssache C-459/99 "MRAX", Randnr. 53). In seiner Judikatur kommt in diesem Sinn deutlich zum Ausdruck, dass die volle Wirkung der Grundfreiheiten nicht dadurch konterkariert werden darf, dass die Familienangehörigen des Unionsbürgers nicht gerechtfertigten Beschränkungen unterworfen werden (vgl. die schon erwähnten Urteile "Carpenter", Randnr. 39, "Baumbast", Randnr. 71 ff, und "Zhu und Chen", Randnr. 45 f). Auch das spricht möglicherweise dafür, das Erfordernis des "Begleitens oder Nachziehens" nicht eng auszulegen. Dabei wird nicht verkannt, dass die genannten Urteile des EuGH weitgehend zu Normen des Sekundärrechts ergangen sind, die mit der gegenständlichen Richtlinie aufgehoben oder geändert wurden. Abgesehen von den nichtsdestotrotz grundsätzlich abgefassten und auch auf die Grundfreiheiten bzw. allgemein auf Art. 18 EG bezugnehmenden Äußerungen des EuGH deutet jedoch alles darauf hin, dass die RL die Rechtsstellung der Familienangehörigen von Unionsbürgern verbessern und so zu einer Stärkung der Freizügigkeitsrechte beitragen wollte (siehe die oben wiedergegebenen Erwägungsgründe 1 - 3, 5 und 8). Ausgehend von diesem Aspekt sei der Vollständigkeit halber noch darauf hingewiesen, dass etwa in Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 oder in Art. 1 Abs. 2 der RL 90/364/EWG schlichtweg vorgesehen war, dass die in Frage kommenden Familienangehörigen (insbesondere der Ehegatte) bei dem Unionsbürger "Wohnung nehmen" dürfen, ohne dass dies einschränkend an ein "Begleiten" oder ein "Nachziehen" geknüpft gewesen wäre. (In diesem einschränkenden Sinn könnte allerdings die Textierung in Abs. 2 des genannten Art. 10 - im Zusammenhang mit den Erwägungen der Verordnung - gedeutet werden, wo bezüglich anderer Familienangehörigen von einer Begünstigung des "Zugangs" gesprochen wird.) Schlussendlich bietet auch der letztlich zur Erlassung der RL führende Vorschlag der Kommission vom 23. Mai 2001, (COM 2001) 0257, kundgemacht im Amtsblatt Nr. 270 E vom 25. September 2001, S. 150 ff, einen Anhaltspunkt dafür, dass die in Frage stehende Formulierung möglichst weit auszulegen ist und nicht jene Familienangehörigen von den Begünstigungen der RL ausschließt, die wie im vorliegenden Fall erst im Aufnahmemitgliedstaat ein Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben. So wird dort nämlich in den Erläuterungen zum vorgeschlagenen Art. 7 Abs. 2 der RL (Unterstreichung nicht im Original) ausgeführt:
"Das Recht auf Aufenthalt der Familienangehörigen des Unionsbürgers, die selbst nicht Unionsbürger sind, leitet sich aus dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers ab, d.h. ihr Aufenthaltsrecht ist an die familiäre Bindung geknüpft, und sie müssen ihn - im weitesten Sinne - in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten. ..."
Den aufgezeigten Indizien, die für ein weites Verständnis der Klausel "begleiten oder ihm nachziehen" sprechen, steht der streng betrachtet eindeutige Wortlaut der deutschen Fassung, der ein bloßes Zusammenziehen des Familienangehörigen mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat ohne Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens bereits in einem anderen Mitgliedstaat nicht umfasst, gegenüber (vgl. auch die französischsprachige Fassung; in dieser wird der Begriff "rejoignent" verwendet). Da somit die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht derart offenkundig zu sein scheint, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa sein Urteil vom 6. Oktober 1982, Rechtssache 283/81 "Srl CILFIT") kein Raum bliebe, wird gemäß Art. 234 EG (zunächst) die eingangs unter 1. a) formulierte Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.
Zu 1. b):
Für den Fall der Bejahung der zu Punkt 1. a) erörterten Frage stellt sich vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH "Akrich" die im Spruch zu 1. b) formulierte Zusatzfrage. Im genannten Urteil hat der Gerichtshof - wenngleich ausdrücklich bezogen auf die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 - ausgesprochen, dass sie nichts über das Bestehen von Rechten von mit einem Unionsbürger verheirateten Drittstaatsangehörigen im Hinblick auf den Zugang zum Gemeinschaftsgebiet sage (Randnr. 49). Weiter heißt es in dem Urteil:
"50 Um in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens in den Genuss der Rechte aus Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 kommen zu können, muss sich der mit einem Unionsbürger verheiratete Drittstaatsangehörige rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, wenn er sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, in den der Unionsbürger abwandert oder abgewandert ist.
51 Diese Auslegung steht im Einklang mit der Systematik der Gemeinschaftsbestimmungen zur Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Gemeinschaft, deren Ausübung den Wanderarbeitnehmer und seine Familie nicht benachteiligen darf.
52 Begibt sich ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Unionsbürger, der mit einem zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat berechtigten Drittstaatsangehörigen verheiratet ist, in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine unselbständige Berufstätigkeit auszuüben, so darf aufgrund dieses Ortswechsels nicht die Möglichkeit verloren gehen, rechtmäßig zusammen zu leben, weshalb
Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 dem Ehegatten das Recht verleiht, sich in diesem anderen Mitgliedstaat niederzulassen.
53 Begibt sich dagegen ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Unionsbürger, der mit einem zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat nicht berechtigten Drittstaatsangehörigen verheiratet ist, in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine unselbständige Berufstätigkeit auszuüben, so kann in dem Umstand, dass seinem Ehegatten aus Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 kein Recht erwächst, sich mit ihm in diesem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, keine ungünstigere Behandlung liegen als die, die dem Ehepaar zuteil wurde, bevor dieser Unionsbürger die nach dem EG-Vertrag auf dem Gebiet der Freizügigkeit eröffneten Möglichkeiten in Anspruch nahm. Dass ein solches Recht nicht besteht, kann also den Unionsbürger nicht davon abhalten, die durch Artikel 39 EG zuerkannten Freizügigkeitsrechte wahrzunehmen.
54 Gleiches gilt, wenn der mit einem Drittstaatsangehörigen verheiratete Unionsbürger in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger er ist, zurückkehrt, um dort eine unselbständige Berufstätigkeit auszuüben. Verfügt sein Ehegatte über ein Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, so findet
Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 Anwendung, damit der Unionsbürger nicht davon abgehalten wird, von seiner Freizügigkeit Gebrauch zu machen, indem er in den Mitgliedstaat zurückkehrt, dessen Staatsangehöriger er ist. Verfügt sein Ehegatte dagegen nicht bereits über ein Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, so hat der Umstand, dass ihm aus besagtem
Artikel 10 keine Rechte erwachsen, bei dem Unionsbürger Wohnung zu nehmen, insoweit keine abschreckende Wirkung."
Die wiedergegebenen Überlegungen erscheinen verallgemeinerungsfähig und könnten so verstanden werden, dass auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Familienleben mit dem Unionsbürger erst im Aufnahmemitgliedstaat begründet wurde, für die Geltendmachung von Begünstigungen aus der RL durch den Angehörigen Voraussetzung ist (die Bejahung der Vorlagefrage 1. a) unterstellt), dass sich dieser Angehörige rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Im Urteil vom 9. Jänner 2007, Rechtssache C-1/05 "Jia", hat der EuGH dazu im Ergebnis nur ausgesprochen, dass das Gemeinschaftsrecht unter Berücksichtigung des Urteils Akrich die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Gewährung eines Aufenthaltsrechts an ein einem Drittstaat angehörendes Familienmitglied eines Gemeinschaftsangehörigen, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, an die Voraussetzung zu knüpfen, dass sich dieses Familienmitglied vorher rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat (Randnr. 33). Die hier interessierende Frage scheint damit nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht geklärt, wenngleich es den Anschein hat, dass damit die im Fall "Akrich" getroffenen Aussagen eher auf eine solche Konstellation, wie sie in jenem Fall gegeben war, reduziert werden sollte. In diese Richtung deutet auch das Urteil "Carpenter", dem offenkundig ein rechtswidriger Aufenthalt der Ehefrau des Unionsbürgers zu Grunde lag. Dennoch sprach der EuGH - allerdings unter Berufung auf Art. 8 EMRK - aus, Art. 49 EG sei im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens dahin auszulegen, dass er es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens verbietet, dass der Herkunftsmitgliedstaat eines in diesem Staat ansässigen Dienstleistungserbringers, der Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Empfänger erbringt, dessen Ehegatten, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet verwehrt.
Käme es darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, so stellt sich weiter die Frage, ob es ausreicht, dass die innerstaatliche Rechtmäßigkeit des Aufenthalts allein aus der Stellung als Asylwerber resultiert. Diesbezüglich ist klarzustellen, dass dem Inhaber einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Asylgesetz 1997 nur ein für Zwecke des Asylverfahrens dienendes Aufenthaltsrecht zukommt. Es soll potenziell Verfolgte bis zur Entscheidung im Asylverfahren vor einer Ausweisung schützen, stellt jedoch - vorbehaltlich des Ergebnisses des Asylverfahrens - keine Entscheidung Österreichs dar, einer Einwanderung des Fremden nach Österreich zuzustimmen. Vor diesem Hintergrund erscheint unklar, ob schon ein Aufenthaltsrecht allein kraft Stellung als Asylwerber dem (allfälligen) Erfordernis eines rechtmäßigen Aufenthalts Genüge tut, weshalb auch dieser ergänzende Gesichtspunkt - so er sich nach dem Ergebnis der vorangegangenen Fragen stellt - mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt wird.
Zu 1. c):
Insbesondere in seinem schon mehrfach erwähnten Urteil "Carpenter" hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass sich über die Regelungen des Sekundärrechts hinaus ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht allenfalls allein aus den Grundfreiheiten im Zusammenhalt mit Art. 8 EMRK ergeben kann (Randnr. 41 ff.). Vermag sich ein Familienangehöriger nicht auf die Begünstigungen der RL zu berufen, so stellt sich unter Bedachtnahme auf die angesprochene Judikatur demnach die weitere Frage, ob ihm - unter den in 1. c) näher geschilderten Umständen - gleichwohl ein Recht zum Aufenthalt zukommt.
Zu 2.:
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass innerstaatliche Vorschriften ein sich aus gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, insbesondere der RL, ergebendes Aufenthaltsrecht nicht beeinträchtigen können. In Anbetracht der oben zu Punkt II. u.a. dargestellten Regelung des § 1 Abs. 2 Z 1 NAG stellt sich angesichts des dem Beschwerdeführer zukommenden vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechts - wenn er je nach Beantwortung der Fragen 1. a) bis 1. c) auch ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht genießt - aber noch die Frage, ob ihm die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (nach § 54 Abs. 1 NAG kommt nur die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte in Betracht) verwehrt werden kann. Das ließe sich möglicherweise damit begründen, dass das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht keines konstitutiven Rechtsaktes bedarf und eine entsprechende Dokumentation daher dann entbehrlich sei, wenn der Fremde ohnehin auf Grund anderer Umstände in der Lage ist, die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes (vgl. § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1997) nachzuweisen. Andererseits sind die Regeln über die Ausstellung einer Aufenthaltskarte in den Art. 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 der RL unbedingt formuliert und hat der EuGH in seinem Urteil vom 20. Februar 1997, Rechtssache C- 344/95 "Kommission gegen Belgien" ausgesprochen, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 48 des Vertrages (jetzt Art. 39 EG) und aus der RL 68/360/EWG verstößt, wenn er Arbeitnehmern, die für mindestens ein Jahr eingestellt worden sind, während der ersten sechs Monate ihres Aufenthalts nacheinander zwei Registrierungsbescheinigungen anstelle der in der Richtlinie vorgesehenen Aufenthaltserlaubnis erteilt (vgl. auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Jänner 2006 Appl. 51.431/99 "Mendizabal", in dem klargestellt wurde, dass die Verweigerung der Ausstellung einer "Aufenthaltsgenehmigung" im Fall eines Unionsbürgers einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellen kann).
Somit ist auch insoweit die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht hinreichend klar, weshalb - für den Fall, dass sich nach dem Ergebnis des
ersten Fragenkomplexes ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht ergibt - ergänzend die zweite Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt wird.
Wien, am 22. November 2007
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