Normen
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
StGB §12;
StGB §15;
StGB §269 Abs1 ;
StGB §300;
StGB §83;
StGB §84 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
StGB §12;
StGB §15;
StGB §269 Abs1 ;
StGB §300;
StGB §83;
StGB §84 Abs2 Z4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. November 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1989 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Österreich bekommen und verfüge seit 1995 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel.
Mit Urteil vom 21. Jänner 2005 sei der Beschwerdeführer nach den §§ 15, 300 und 12, 83, 84 Abs. 2 Z. 4 sowie 12, 15, 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer beschlossen habe, seinen Bruder, der gerade eine zweieinhalbjährige Strafe verbüßt habe und wenig später erneut zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, durch organisierte Befreiung aus der Haft vor einer weiteren Strafverbüßung zu bewahren. Er habe seinen Cousin und einen Bekannten überredet und dazu bestimmt, bei der Durchführung der geplanten Flucht mitzuwirken. Gemeinsam mit dem inhaftierten Bruder, der unerlaubterweise über ein Mobiltelefon verfügt habe, sei der Befreiungsplan abgesprochen worden. Der Bruder habe sich in Haft absichtlich verletzt, um seine Ausführung in ein Spital am 8. September 2003 zu bewirken. Die beiden Mittäter des Beschwerdeführers seien mit Pfeffer- bzw. Tränengassprays bewaffnet gewesen, während der Beschwerdeführer vor dem Spital gewartet und die Gegend nach möglichen Gefahren, die zur Vereitelung des Fluchtplanes hätten führen können, erkundet und das Fluchtfahrzeug vor dem Spital abgestellt habe, um seinen Bruder in Sicherheit zu bringen. Im Warteraum des Spitals habe der Bruder mit Bewachung durch zwei Justizwachebeamte auf die Behandlung gewartet. Die beiden Mittäter des Beschwerdeführers seien auf die beiden Justizwachebeamten zugekommen und hätten sie mit Tränengas bzw. Pfefferspray besprüht. Einer der beiden Justizwachebeamten habe dadurch eine Augenverletzung davon getragen. Letztlich sei der Befreiungsversuch missglückt. Die Täter - auch der Beschwerdeführer - hätten zunächst flüchten können, seien in der Folge aber festgenommen worden.
Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 60 Abs. 1 leg. cit. seien gegeben.
Der Beschwerdeführer sei geschieden und für drei Kinder sorgepflichtig. Die Kinder lebten bei der Mutter, es bestehe jedoch ein gemeinsames Obsorgerecht. Eine weitere familiäre Bindung bestehe zur Mutter des Beschwerdeführers, mit der dieser jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Mit dem Aufenthaltsverbot sei daher zweifellos ein erheblicher Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Wer einen anderen in organisierter Weise durch Gewalt aus einer rechtmäßig verfügten Freiheitsentziehung zu befreien versuche, lasse eine außerordentliche geringschätzige Einstellung gegenüber der Rechtsordnung erkennen, die keiner Relativierung zugänglich sei. Eine positive Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer sei ungeachtet des Umstandes, dass er am 8. September 2005 unter gleichzeitiger Anordnung von Bewährungshilfe bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen worden sei, nicht möglich. Der seither verstrichene Zeitraum biete keine Grundlage für ein Wegfallen oder eine deutliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Erlassung des Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Es sei jedoch zu bedenken, dass die der Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das schwerwiegende strafbare Verhalten entsprechend gemindert werde. Auch unter Berücksichtigung der aktenkundigen Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers und der familiären Bindungen zur Mutter und zu den drei Kindern (gegen den Bruder bestehe ein unbefristetes Aufenthaltsverbot) sei das dem Beschwerdeführer zuzugestehende Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zwar gewichtig, jedoch nicht besonders ausgeprägt. Diesen persönlichen Interessen stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelange die Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots. Diese Maßnahme sei daher im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Dabei sei bedacht worden, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinen Familienangehörigen und die Erfüllung seiner Sorgepflichten - wenn auch eingeschränkt - auch vom Ausland aus aufrecht halten könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt, keinen Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat zwei andere Personen dazu bestimmt, die gewaltsame Befreiung seines Bruders aus der Strafhaft in organisierter Form durchzuführen. Bei Ausübung der Tat wurde mit Pfefferspray und Tränengasspray gegen die den Gefangenen ins Spital eskortierenden Justizwachebeamten vorgegangen und einer dieser Beamten verletzt. Eine derartige gegen die Rechtspflege gerichtete Straftat (vgl. die Überschrift zum 21. Abschnitt des StGB) beeinträchtigt öffentliche Interessen in besonders großem Ausmaß, bewirkt sie doch - im Fall des Gelingens - die Vereitelung der dem Staat zur Verhinderung strafbarer Handlungen zur Verfügung stehenden schärfsten Sanktionsmöglichkeit und damit letztlich die Untergrabung der präventiven Wirkung staatlicher Sanktionen. Aus dieser schwerwiegenden - noch dazu in Form der Bestimmungstäterschaft begangenen - Straftat ist ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bisher nur einmal verurteilt worden ist, eine mangelnde Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten ersichtlich, zumal das Gericht - wie sich aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden Urteilsausfertigung ergibt - beim Beschwerdeführer eine "gänzlich fehlende Schuldeinsicht" konstatiert hat. Aus dem angepassten Verhalten während der Strafhaft kann nicht auf einen Gesinnungswandel des Beschwerdeführers geschlossen werden. Der Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr seit der bedingten Entlassung aus der Strafhaft ist angesichts des gravierenden Fehlverhaltens viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine relevante Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen schließen zu können. Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, auf Grund seiner familiären Integration sei ein künftiges Wohlverhalten zu erwarten, ist ihm zu entgegnen, dass ihn diese Integration auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten hat, die schwerwiegende Straftat zu begehen.
Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangte Behörde, für den Beschwerdeführer könne keine positive Prognose erstellt werden, weshalb die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Hinzugefügt sei, dass die belangte Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbots die im rechtskräftigen Urteil bindend festgestellte Straftat des Beschwerdeführers herangezogen hat. Dass beabsichtigt sei, auf Grund dieser Straftaten ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 18. November 2004 (Blatt 98 des Verwaltungsaktes) vorgehalten. Es kann daher keine Rede davon sein, dass dem Beschwerdeführer der zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogene Sachverhalt nicht bekannt gegeben worden sei.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers den inländischen Aufenthalt seit 1989, die Berufstätigkeit in Österreich und den inländischen Aufenthalt seiner Mutter, seiner drei Kinder und seiner geschiedenen Gattin berücksichtigt. In der Beschwerde wird darüber hinaus vorgebracht, dass der Beschwerdeführer auch einen Teil seiner Schulausbildung in Österreich absolviert habe und, "soweit der Arbeitsmarkt dies zuließ", berufstätig gewesen sei. Dabei habe er u.a. als Filialleiter einer Handelskette gearbeitet. Aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden Ausfertigung des anlässlich der Scheidung abgeschlossenen Vergleiches ergibt sich, dass die Obsorge über die drei Kinder dem Beschwerdeführer und dessen geschiedener Gattin gemeinsam zukommt, der Lebensmittelpunkt dieser Kinder aber bei der Mutter ist. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Kinder bei ihm aufhältig seien und von ihm betreut würden. Bei einer Rückkehr nach Serbien könnte er mangels ausreichenden Einkommens seine Familie nicht mehr unterstützen.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die oben 2. dargestellte große Gefährdung öffentlicher Interessen auf Grund seines strafbaren Verhaltens gegenüber. Bei gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der Rechtspflege, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die oben dargestellten in der Beschwerde vorgebrachten weiteren Umstände zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden.
Dem Beschwerdeführer gelingt es daher nicht, mit dem Vorbringen, bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung wären diese Umstände hervorgekommen, die Relevanz der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel aufzuzeigen.
4. Soweit der Beschwerdeführer der Behörde einen Ermessensfehler vorwirft und in diesem Zusammenhang weitere Verfahrensmängel, insbesondere die mangelhafte Begründung der Ermessensentscheidung, geltend macht, genügt der Hinweis, dass auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinn von § 55 Abs. 3 FPG eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0323).
5. Mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe die Richtlinie 64/221/EWG "nicht beachtet", zeigt der Beschwerdeführer schon mangels jeglicher Konkretisierung keine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid auf. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde wendet, führt er nicht aus, welche Beweisergebnisse unrichtig gewürdigt worden seien und in welchen konkreten Punkten die belangte Behörde zu anderen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen.
6. Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. Mai 2008
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)