Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/15/0188, zu Grunde liegenden Bescheid vom 21. September 2006 hat die belangte Behörde eine Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 4. Mai 2006 abgewiesen, mit dem ein Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. März 2006 auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihre drei Kinder ab 1. Jänner 2006 abgewiesen worden war.
Nach Ergehen der abweisenden Berufungsentscheidung vom 21. September 2006 begehrte u.a. die Beschwerdeführerin mit Antrag vom 30. Jänner 2007 erneut die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre drei Kinder ab 1. Jänner 2006. Sie stützte ihren Antrag auf das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Kinderbetreuungsgesetz geändert werden, BGBl. I 168/2006. Mit dieser Novelle sei eine Änderung der Gesetzeslage eingetreten. Gemäß den mit dieser Novelle in § 3 FLAG eingeführten Absätzen 4 und 5 FLAG hätten Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem AsylG 2005 zuerkannt werde und die keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien, Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Beschwerdeführerin erfülle sämtliche Voraussetzungen. Ihr Ehemann verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (Bescheinigung gemäß § 19 AsylG) vom 9. März 1999 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens. Er habe keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und sei seit sechs Jahren in Österreich nichtselbständig tätig. Sämtlichen Familienmitgliedern komme der Status von subsidiär Schutzberechtigten zu. Noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens sei dem Ehemann mit Wirkung ab 11. Dezember 2006 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Es sei auch eine Erstreckung der Staatsbürgerschaft auf die Beschwerdeführerin und die Kinder erfolgt.
Das Finanzamt sprach mit Bescheid vom 9. März 2007 über den Antrag vom 30. Jänner 2007 dahingehend ab, dass es ihn für den Zeitraum Jänner bis November 2006 abwies. Subsidiär schutzberechtigt seien Personen, deren Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asylstatus abgewiesen worden sei, oder Personen, denen der Asylstatus aberkannt worden sei. Solche Personen hätten ab 1. Juli 2006 Anspruch auf Familienbeihilfe. Es sei im Beschwerdefall kein abschließender Asylbescheid ergangen. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die Beschwerdeführerin daher erst ab dem Monat der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Gegen diesen Bescheid erhob u.a. die Beschwerdeführerin Berufung. Sie sei subsidiär schutzberechtigt. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 6 AsylG 2005 stehe ihr, ihrem Ehemann und den drei Kindern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zu. Da die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 FLAG mit 1. Juli 2006 in Kraft getreten seien, bestehe spätestens ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid ab. Gemäß der mit 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Novellierung des FLAG stehe dem subsidiär Schutzberechtigten, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben seien, Familienbeihilfe zu. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden unter näher beschriebenen Voraussetzungen zuzuerkennen. Gemäß § 75 Abs. 6 AsylG 2005 gelte ein Fremder, dem am 31. Dezember 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des AsylG 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen sei, als subsidiär Schutzberechtigter.
Da der Beschwerdeführerin keine befristete Aufenthaltsberechtigung, sondern bloß eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (mittels Bescheinigung gemäß § 19 AsylG 1997) erteilt worden sei, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin beziehe sich § 75 Abs. 6 AsylG 2005 auch auf die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG. Demnach hätte der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zukommen müssen. Abgesehen davon liege in der Nichtaufnahme von Asylwerbern in den Text des § 3 Abs. 4 FLAG in der novellierten Fassung eine planwidrige Lücke, weil vom Gesetzgeber der Fall der Beschwerdeführerin nicht bedacht worden sei. Es sei nicht sachgemäß, subsidiär Schutzberechtigten (deren Asylantrag in der Regel rechtmäßig abgewiesen worden sei) Familienbeihilfe zuzuerkennen, aber Asylwerbern, die ebenso keine Grundversorgung erhielten und unselbständig erwerbstätig seien, nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit BGBl. I Nr. 168/2006 wurde § 3 FLAG um die Absätze 4 und 5 erweitert:
"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
"(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden."
Gemäß § 55 Abs. 3 treten die neuen Absätze 4 und 5 in der Fassung BGBl. I Nr. 168/2006 mit 1. Juli 2006 in Kraft.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/15/0188, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangen Behörde vom 21. September 2006, GZ RV/1047-W/06, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre drei Kinder ab 1. Jänner 2006 abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verkennung der Rechtslage in Bezug auf das Inkrafttreten des § 3 FLAG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, aufgehoben. Wie der Verwaltungsgerichtshof in jenem Erkenntnis ausgesprochen hat, ist im Hinblick auf das am 31. Dezember 2005 anhängige Asylverfahren der Beschwerdeführerin § 3 FLAG noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 anzuwenden gewesen. Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde auch mit dem im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheid die Rechtslage verkannt. Dies unabhängig davon, dass mit BGBl. I Nr. 168/2006 der Beihilfenanspruch unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ab 1. Juli 2006 auf Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, ausgedehnt worden ist.
Im Beschwerdefall stellt sich weiters die Frage, ob der meritorischen Entscheidung des Finanzamtes über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Jänner 2007 und der bestätigenden Entscheidung durch den angefochtenen Bescheid nicht auch die Rechtskraft der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 21. September 2006 entgegen gestanden ist.
§ 10 Abs. 1 und 2 FLAG lautet:
"(1) Die Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt."
§ 13 FLAG lautet:
"Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen."
Ob Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, ist für den einzelnen Monat zu entscheiden.
Zu den Bescheidwirkungen zählt auch die materielle Rechtskraft. Unter materieller Rechtskraft wird die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides verstanden (vgl. Ritz, BAO3, § 92 Tz 4). Ergeht in derselben Sache, die unanfechtbar und unwiderrufbar entschieden ist, eine neue Entscheidung, so ist diese inhaltlich rechtswidrig. Eine neuerliche Entscheidung ist allerdings dann zulässig, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtsvorschriften, die für die frühere Entscheidung tragend waren, eingetreten ist (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Tz 463).
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin bereits mit Antrag vom 13. März 2006 die Gewährung von Familienbeihilfe für ihre drei Kinder ab 1. Jänner 2006 beantragt. Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 hat das Finanzamt den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2006 abgewiesen. Dieser Bescheid, wie auch die abweisende Berufungsentscheidung der belangten Behörde enthalten keine Aussage über den Ablauf des Zeitraumes, auf den sich die Abweisung bezieht. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner bis November 2006 abgewiesen.
Festzustellen ist sohin, dass zweifach über Familienbeihilfe Jänner bis November 2006 (abschlägig) entschieden worden ist. Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ist in diesem Zeitraum nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtslage ist mit der Novellierung des FLAG durch BGBl. I Nr. 168/2006 ab 1. Juli 2006 eingetreten. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid ebenso auf diese Novelle gestützt wie das Finanzamt im erstinstanzlichen Bescheid vom 9. März 2007; einer auf diese Novelle gestützten Entscheidung über den Beihilfenanspruch stand die Rechtskraft der Berufungsentscheidung vom 21. September 2006 nicht entgegen. Anderes gilt für den Zeitraum Jänner bis Juni 2006. Für diesen Zeitraum ergibt sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sohin (auch) daraus, dass unter Missachtung der Rechtskraftwirkung der Berufungsentscheidung vom 21. September 2006 neuerlich über dieselbe Sache abgesprochen worden ist.
Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. April 2008
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