VwGH 2006/21/0047

VwGH2006/21/004720.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 16. Jänner 2006, Zl. VwSen-400749/5/BMa/Da, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §61;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §61;
FrPolG 2005 §76;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde vom 7. Dezember 2005 des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache gemäß §§ 67d Abs. 1, 68 Abs. 1 und 79a AVG als unzulässig zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 20. September 2005 in Österreich einen Asylantrag eingebracht. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Oktober 2005 als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig sei gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach "Serbien und Montenegro" (aus einer im Akt erliegenden Kopie des Bescheides des Bundesasylamtes ergibt sich allerdings, dass dieser Ausspruch in Bezug auf die "Provinz Kosovo" getroffen wurde) zulässig sei. Unter einem sei der Beschwerdeführer ausgewiesen worden. Ab 5. Oktober 2005 sei der Beschwerdeführer auf Grund des von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am selben Tag erlassenen Bescheides gemäß § 34b Abs. 1 Z 2 AsylG in Schubhaft angehalten worden. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 habe diese Bezirkshauptmannschaft gegen den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zuvor habe der Beschwerdeführer am 12. Oktober 2005 "im Polizeianhaltezentrum der BPD Linz" einen neuerlichen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. November 2005 "durchsetzbar zurückgewiesen" worden sei. Am Tag nach Erlassung dieses Bescheides habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck in Entsprechung eines für sie geltenden Erlasses beim Bundesministerium für Inneres um Zustimmung zur Abschiebung des Beschwerdeführers angesucht. Mit Schreiben vom 16. November 2005 sei vom Bundesministerium für Inneres "der beabsichtigten Abschiebung des Beschwerdeführers auf dem Luftweg nach Pristina grundsätzlich zugestimmt" worden, jedoch sei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gleichzeitig mitgeteilt worden, dass die Zustimmung zur Übernahme auf dem Flughafen Pristina durch die UNMIK, welche im Wege der österreichischen Botschaft in Belgrad beantragt worden sei, abgewartet werden müsse. Die Übermittlung der Zustimmung der UNMIK sei von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit E-Mail vom 28. November 2005 urgiert worden. Bereits zuvor am 9. November 2005 sei eine vom Beschwerdeführer erhobene Schubhaftbeschwerde bei der belangten Behörde eingelangt. Diese Beschwerde sei von ihr mit Bescheid vom 14. November 2005 abgewiesen worden und unter einem festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen würden. Am 5. Dezember 2005 sei der Beschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum Linz davon in Kenntnis gesetzt worden, dass seine Anhaltung in Schubhaft über die Dauer von zwei Monaten hinaus gemäß § 69 Abs. 4 Z 3 Fremdengesetz 1997 (FrG) ausgedehnt werde, weil die erforderliche Bewilligung zur Einreise in einen anderen Staat oder zur Durchreise durch diesen, u.zw. die Erklärung der UNMIK zur Übernahme des Beschwerdeführers in Pristina, bislang noch nicht vorliege. Die darüber angefertigte Niederschrift sei dem Vertreter des Beschwerdeführers in weiterer Folge per Telefax übermittelt worden. Gleichzeitig sei diesem mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Beschwerdeführer am 12. Dezember 2005 nach Pristina abzuschieben. Am 9. Dezember 2005 sei die zweite (mit 7. Dezember 2005 datierte) Schubhaftbeschwerde bei der belangten Behörde eingelangt. Darin werde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer würde entgegen § 69 Abs. 2 FrG weiterhin in Schubhaft angehalten. Die Schubhaft wäre nur deshalb verlängert worden, weil auf die Zustimmung zur Einreise und zur Übernahme durch die UNMIK gewartet werden würde. Diese Zustimmung würde jedoch keine zur Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates im Sinne des § 69 Abs. 4 Z 3 FrG darstellen. Weiters sei vorgebracht worden, die Fremdenpolizeibehörde, die verpflichtet wäre, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten, wäre bei Einholung der Übernahmserklärung durch die UNMIK säumig, zumal ein Zeitraum von zwei Monaten ausreichend erscheinen würde, einen aus dem Kosovo stammenden Fremden nach Pristina zu bringen.

Rechtlich führte die belangte Behörde in ihrem erst nach In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG erlassenen Bescheid vom 16. Jänner 2006 aus, die im Jahr 2005 verhängte Schubhaft, die am 12. Dezember 2005 geendet habe, sei auf Grund der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 2 FPG nach der "derzeit geltenden Rechtslage zu prüfen". Die maximale Dauer der Anhaltung gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG decke sich mit jener der "obsoleten Rechtslage gemäß 69 Abs. 4 Z 3 FrG" und sei im konkreten Fall nicht ausgeschöpft worden, weil die Schubhaft insgesamt von 5. Oktober 2005 bis 12. Dezember 2005 gedauert habe. Die Maßnahmen zur Einholung der Zustimmung durch die UNMIK seien bereits am 9. November 2005 eingeleitet worden. Der Zeitpunkt der Einleitung dieser Maßnahmen sei somit bereits vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die erste Schubhaftbeschwerde am 14. November 2005 gelegen. Der Beschwerdeführer habe sich in seiner ersten Schubhaftbeschwerde nicht gegen eine Zustimmung zur Einreise und zur Übernahme durch die UNMIK gewendet. Zwar könne eine Schubhaftbeschwerde während andauernder Anhaltung mehrmals erhoben werden. Bei der Frage, ob dabei Identität der Sache vorliege, sei aber zu prüfen, ob in der Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen und tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten sei. Der Zeitablauf alleine, abgesehen vom Überschreiten der zulässigen Dauer, berechtige nicht zur neuerlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung einer Schubhaft. Nach der Entscheidung der belangten Behörde vom 14. November 2005 über die erste Schubhaftbeschwerde seien weder in den "maßgeblichen tatsächlichen Umständen für die Beurteilung des Parteibegehrens noch in der Rechtslage" Änderungen eingetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, die belangte Behörde hätte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde nicht zurückweisen dürfen, weil maßgebliche Änderungen vorgelegen wären. Damit ist ihr Erfolg beschieden.

Voranzustellen ist, dass die gegenständliche Schubhaft während der Geltung des FrG angeordnet und auch ausschließlich im Geltungsbereich dieses Gesetzes vollzogen wurde. Daraus folgt, dass die materiell-rechtliche Frage der Rechtmäßigkeit der Schubhaft - mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung - ungeachtet dessen, dass die gegenständliche Entscheidung nach dem (am 31. Dezember 2005 erfolgten) Außerkrafttreten des FrG getroffen wurde, nach den im Zeitpunkt der Anhaltung geltenden Bestimmungen des FrG zu beurteilen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0054, und vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0268). Da die belangte Behörde aber die inhaltliche Prüfung, soweit eine solche überhaupt erfolgte, anhand der nicht für den vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtslage nach dem FPG vornahm, kann schon deswegen nicht davon ausgegangen werden, der angefochtene Bescheid wäre rechtmäßig.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber maßgeblich (auch) aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Zur mehrmaligen Erhebung von Schubhaftbeschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof bereits unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001, Zl. B 515/00 ua, VfSlg. Nr. 16.079, ausgesprochen, dass nur dann von entschiedener Sache ausgegangen werden kann, wenn sich die spätere Beschwerde auf einen Zeitraum bezieht, über den bereits durch einen Bescheid abgesprochen wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 2006, Zl. 2005/21/0260 ua, vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0349, sowie aus neuerer Zeit etwa vom 29. April 2008, Zl. 2006/21/0332).

Unbestritten bezog sich die hier gegenständliche Schubhaftbeschwerde vom 7. Dezember 2005 auf einen nach der Entscheidung über die erste Schubhaftbeschwerde gelegenen Zeitraum, zumal in ersterer ausdrücklich auf Umstände abgestellt wurde, die zeitlich nach der ersten Entscheidung der belangten Behörde lagen. Indem sie eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Schubhaft für diese Zeit verweigerte, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Da die belangte Behörde sohin dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigerte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. November 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte