Normen
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §23 Abs7;
AlVG 1977 §49 Abs1;
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §23 Abs7;
AlVG 1977 §49 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. November 2005 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck aus, dass dem Beschwerdeführer "gemäß § 38 in Verbindung mit dem § 50 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977" (AlVG) Notstandshilfe ab 29. September 2005 zuerkannt werde.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer habe erst am 29. September 2005 dem Arbeitsmarktservice gemeldet, dass er die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt zurückgezogen habe. Daher seien erst zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe überprüfbar gewesen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol vertretene Beschwerdeführer aus, dass er seine Klage auf Gewährung der Invaliditätspension bei der Tagsatzung am 3. August 2005 zurückgezogen habe. Er habe schon mehrere Verfahren auf Gewährung der Invaliditätspension durchgeführt und es sei ihm auch diesmal wieder von einem Dolmetsch erklärt worden, dass er die unterschriebene Bestätigung der Klagszurückziehung unverzüglich dem Arbeitsmarktservice vorzulegen habe. Dies habe der Beschwerdeführer - so wie in der Vergangenheit - auch gleich am 3. August 2005, ca. um 11.15 Uhr (die Verhandlung habe um 11.05 geendet) getan. Seine Ehefrau habe ihn nach der Tagsatzung zum Arbeitsmarktservice begleitet und habe vor dessen "Geburtsschalter" auf ihn gewartet. Nachdem der Beschwerdeführer den Schalter verlassen habe, habe er keine Bestätigung bei sich gehabt. Als Zeugin für diese Aussage gab der Beschwerdeführer in der Berufung seine Ehefrau an. Er führte weiters aus, dass ihm am 3. August 2005 von einer Dame, die die Bestätigung entgegengenommen habe, am "Geburtsschalter" mitgeteilt worden sei, dass alles in Ordnung sei. Daraufhin sei er "entlassen worden". Der Beschwerdeführer habe im August noch den Pensionsvorschuss bezogen und habe eine Mitteilung datiert vom 20. September 2005 erhalten, wonach sein Pensionsvorschuss, welchen er vom 31. Mai 2005 an bezogen habe, in Notstandshilfe umgewandelt werde und bis zum 29. Mai 2006 gewährt werde. Er habe eine weitere Mitteilung, ebenfalls datiert mit 20. September 2005 erhalten, wonach sein Leistungsbezug mit 1. September 2005 eingestellt werde. Er habe dann am 29. September 2005 vorgesprochen und es sei ihm erst ab diesem Zeitpunkt wieder Notstandshilfe zuerkannt worden.
Im Akt befindet sich ein Aktenvermerk, datiert mit 13. Dezember 2005, demzufolge der Beschwerdeführer laut der am selben Tag erfolgten Rücksprache mit der Mitarbeiterin der Arbeiterkammer, die ihn im Verfahren vertrat, nicht imstande sei, nähere bzw. detailliertere Angaben bezüglich seiner Vorsprache beim Arbeitsmarktservice zu machen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Sie standen zuletzt vom 01.06.2004 bis 31.08.2005 beim Arbeitsmarktservice Innsbruck in Bezug von Notstandshilfe als Pensionsbevorschussung gemäß § 23 AlVG. Ab 29.09.2005 stehen Sie wiederum in Bezug von Notstandshilfe. Sie hatten ein Verfahren betreffend Gewährung einer Invaliditätspension, rechtsfreundlich vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte, bei der zuständigen Pensionsversicherung anhängig. Mit Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol vom 06.09.2005 wurde dem Arbeitsmarktservice Innsbruck mitgeteilt, dass Sie Ihre, gegen den ablehnenden Anstaltsbescheid vom 17.11.2004 beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage am 03.08.2004 zurückgenommen hatten. Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck hatten Sie jedoch erst am 29.09.2005 dem Arbeitsmarktservice gemeldet, dass Sie die Klage zurückgenommen haben. Es wurde Ihnen entsprechend ab 29.09.2005 die Notstandshilfe zuerkannt.
Gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 11.11.2005 brachten Sie, rechtsfreundlich vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte, Berufung ein. Auf Ihre Berufungsausführungen wird verwiesen, diese wurden anlässlich der Berufungsausschusssitzung am 14.12.2005 verlesen.
Sie führten ua insbesondere aus, dass Sie unmittelbar nach Ihrer Tagsatzung am 03.08.2005 sich zum Arbeitsmarktservice Innsbruck (mit Gattin) begeben hätten, um dort Ihre Klagszurückziehung zu melden. Sie hätten am entsprechenden Geburtsschalter vorgesprochen und eine 'Dame' habe Ihnen gesagt, dass 'alles in Ordnung' sei, nachdem Sie die 'Bestätigung entgegengenommen' haben.
Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 21.11.2005 stimme es nicht, dass Sie am 03.08.2005 beim Arbeitsmarktservice Innsbruck vorgesprochen hätten, da bei einer persönlichen Meldung die Bestätigung angenommen werden würde, welche jedoch nicht in Ihren Verfahrensunterlagen aufliegt und zudem unmittelbar im Anschluss ein 'PST' eröffnet werde. Die entsprechende PST-Eröffnung sei jedoch erst mit Ihrer Vorsprache am 29.09.2005 erfolgt. Es werde ausgeschlossen, dass Sie bereits am 03.08.2005 vorgesprochen hätten.
Eine entsprechende ho vorgenommene Rückfrage bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte am 13.12.2005 hat ergeben, dass Sie keine genaueren Angaben bezüglich des Namens der 'Dame', mit welcher Sie gesprochen hätten, angeben könnten. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte verwies jedoch darauf, dass Sie einen 'glaubwürdigen Eindruck' hinterlassen hätten."
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Arbeitsmarktservice Innsbruck habe eindeutig ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich am 3. August 2005 vorgesprochen habe. Dies sei unter Hinweis darauf begründet worden, dass in einem solchen Fall entsprechende Veranlassungen getroffen hätten werden müssen, welche aber nicht getroffen worden seien. Dem Beschwerdeführer wurde entgegengehalten, dass er nicht imstande gewesen sei, den Namen jener Dame zu nennen, bei der er vorgesprochen habe. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass er seine Ehefrau als Zeugin genannt habe. Zudem sei den Angaben des Arbeitsmarktservice Innsbruck auch deshalb Glauben geschenkt worden, da die Bediensteten des Arbeitsmarktservice Innsbruck "auf Grund der Bestimmungen des BDG zur objektiven Amtsführung verpflichtet sind".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden zu sein, da ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Er hätte auf diesem Weg sowie durch Befragung seiner Ehefrau die Richtigkeit seiner Behauptungen unter Beweis stellen können. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe er vorgebracht, dass er bereits am 3. August 2005 in Anwesenheit seiner Ehefrau der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung über die Klagszurücknahme vorgelegt und dazu seine Einvernahme sowie die Einvernahme seiner Ehefrau angeboten habe. Diesem Beweisanbot sei aber nicht nachgekommen worden. Durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau hätte bestätigt werden können, dass der Beschwerdeführer am 3. August 2005 der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck eine Bestätigung über die Klagszurückziehung vorgelegt habe, was bei einer richtigen rechtlichen Beurteilung zur Gewährung von Notstandshilfe auch vom 1. September 2005 bis 28. September 2005 hätte führen müssen.
2. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer am 29. Mai 2005 einen Antrag auf vorschussweise Gewährung von Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) gestellt. Wie der Beschwerdeführer selbst vorbringt, hat er seine Klage auf Zuerkennung einer Leistung aus der Pensionsversicherung am 3. August 2005 zurückgezogen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe dahingehend abgesprochen, dass Notstandshilfe (erst) ab dem 29. September 2005 zuerkannt wird. Damit wurde auch über den vom Beschwerdeführer behaupteten Anspruch auf Bezug der Notstandshilfe bereits vor dem 29. September 2005 - konkret ab dem 1. September 2005 - negativ abgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0212). Der Zeitraum vom 1. September 2005 bis zum 28. September 2005 ist daher Gegenstand des Verfahrens gewesen.
Es kann dahin stehen, ob der Beschwerdeführer schon vor dem 29. September 2005 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vorgesprochen hat, weil es auf den Zeitpunkt dieser Vorsprache bzw. der Antragstellung nicht ankommt, zumal keiner der Fälle des § 46 Abs. 5 oder 6 AlVG vorliegt. Wie § 23 Abs. 7 AlVG hingegen anordnet, gilt der tatsächlich geleistete Vorschuss ab dem Zeitpunkt, zu welchem die Nichtzuerkennung der Pension feststeht (Rechtskraft des Bescheides oder Urteils, Zurückziehung des Antrages oder der Klage), als Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und "verkürzt die Bezugsdauer", woraus sich mangels einer einschränkenden Regelung wieder ergibt, dass ab diesem Zeitpunkt die Leistung als Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bis zum Ende der Bezugsdauer, nunmehr jedoch in der sich aus § 21 bzw. § 36 AlVG ergebenden Höhe, weiter gebührt. Es hat sich daher der Sache nach durch das Ende des Verfahrens betreffend die Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension nur eine für das Ausmaß der Leistung maßgebende Voraussetzung (Wegfall der Anwendung der Sonderbemessungsvorschrift des § 34 Abs. 4 AlVG) geändert, sodass entsprechend der gesetzlichen Anordnung des § 24 Abs. 1 erster Satz, zweiter Halbsatz AlVG mit einer amtswegigen Neubemessung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen des § 23 AlVG vorzugehen ist. Diese Neubemessung hätte das Arbeitsmarktservice aufgrund der Verständigung von der Klagsrückziehung durch die Pensionsversicherungsanstalt ohne weiteres vorzunehmen gehabt.
Die im zeitlichen Zusammenhang mit der Mitteilung vom 20. September 2005 über die Einstellung der Leistung zum 1. September 2005 erfolgte und zweifelsfrei gegen diese gerichtete "Antragstellung" des Beschwerdeführers vom 29. September 2005 ist vor diesem rechtlichen Hintergrund daher lediglich als - fristgerechtes - Bescheidbegehren im Sinne des § 24 Abs. 1 dritter Satz AlVG zu deuten.
Der angefochtene Bescheid wäre daher im Ergebnis nur unter der Voraussetzung rechtmäßig, dass dem Gesetz eine Anordnung entnommen werden könnte, dass ein Versicherter, dessen Verfahren zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension beendet wurde, verpflichtet wäre, sich persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu melden, widrigenfalls die Leistung vom Zeitpunkt des Wegfalls des Pensionsvorschusses bis zur tatsächlichen Wiedermeldung ruht. Eine solche Norm enthält das Gesetz aber nicht, sodass ein Wegfall der Leistung nur insoweit in Betracht käme, als das Arbeitsmarktservice dem Beschwerdeführer zur Überprüfung des Fortbestehens der Voraussetzungen eines Pensionsvorschusses eine - zulässige (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0278) - Kontrollmeldung vorgeschrieben hätte, die vom Beschwerdeführer nicht eingehalten worden wäre. Dafür bietet weder die Begründung des angefochtenen Bescheides noch die Aktenlage einen Anhaltspunkt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 11. September 2008
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