VwGH 2005/09/0024

VwGH2005/09/002415.5.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des JE in W, vertreten durch Dr. Bettina Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 18. November 2004, Zl. 3/13113/241 1056, betreffend Versagung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §21;
AuslBG §4 Abs6 Z2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AuslBG §21;
AuslBG §4 Abs6 Z2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle Wien Dresdner Straße des Arbeitsmarktservice vom 14. Oktober 2004 wurde der Antrag des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48, auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Nigeria, gemäß § 4 Abs. 3 Z 7 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführer nach dieser Gesetzesstelle nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit dem Hinweis darauf Berufung, dass er einen Asylantrag eingebracht habe; eine Beschäftigung dürfe gemäß § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG erteilt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2004 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 6 sowie § 13 AuslBG keine Folge gegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, "der Tatbestand", dass sich der Beschwerdeführer in einem laufenden Asylverfahren befinde, könne nur den erstinstanzlichen Ablehnungsgrund beseitigen. Die Landeshöchstzahl nach § 12a Abs. 1 AuslBG sei erschöpft, eine Beschäftigungsbewilligung dürfe daher nur bei Vorliegen der erschwerten Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG erteilt werden. Der Beschwerdeführer erfülle keine der in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen. Auf Grund der ihm befristet erteilten Aufenthaltsbewilligung gemäß § 19 AsylG weise er keine fortgeschrittene Integration auf. Bei seiner Beschäftigung beim Magistrat der Bundeshauptstadt Wien handle es sich weder um eine Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 5 AuslBG - befristete Zulassung von Ausländern im Rahmen von festgesetzten Kontingenten - noch um eine auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung. Der Beschwerdeführer werde auch hinsichtlich seines vorgesehenen Einsatzes nicht den Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 AuslBG (Beschäftigung als Schlüsselarbeitskraft) gerecht, und gehöre keiner in der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung angeführten Personengruppe an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 6 und § 21 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 160/2002 (AuslBG), lauten:

"(6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen

gemäß § 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann

erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3

vorliegen und

1. der Regionalbeirat die Erteilung der

Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder

2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf

seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß

§ 5 ausgeübt werden soll oder

4. der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5

erfüllt oder

4a. der Ausländer Ehegatte oder Kind einer

Schlüsselkraft gemäß § 2 Abs. 5 ist oder

5. die Beschäftigung auf Grund einer

zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder

6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die

auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).

Stellung des Ausländers im Verfahren

§ 21. Der Ausländer hat in allen Verfahren, in denen seine persönlichen Umstände maßgeblich für die Entscheidung sind, sowie in jenen Fällen, in denen keine Person im Sinne des § 2 Abs. 3 vorhanden ist, Parteistellung. In allen anderen Verfahren hat der Ausländer die Stellung eines Beteiligten."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zum einen deswegen für rechtswidrig, weil ihm die belangte Behörde entgegen dem insofern mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0448, aufgezeigten Erfordernis kein Parteiengehör zur Frage der Erschöpfung der Landeshöchstzahl eingeräumt habe. Zum anderen weil er seit dem Jahr 2002 in Österreich lebe, die deutsche Sprache spreche und verstehe, einen Freundeskreis habe, der auch aus Österreichern bestehe, und in Österreich arbeite soweit dies gesetzlich zulässig sei. Der Tatbestand der fortgeschrittenen Integration gemäß § 4 Abs. 6 Z 2 AuslBG sei daher erfüllt, die belangte Behörde hätte die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für ihn aus diesem Grunde nicht versagen dürfen.

Hinsichtlich der ersten Beschwerderüge könnte nun zwar im Hinblick auf § 21 AuslBG der Standpunkt vertreten werden, dass es sich bei der dabei aufgeworfenen Frage der Ausschöpfung der Landeshöchstzahl nicht unmittelbar um eine Rechtsfrage handelte, bezüglich welcher die persönlichen Umstände des Ausländers im Sinne dieser Gesetzesstelle maßgeblich für die Entscheidung wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1999, Zl. 98/09/0208, in welchem der Verwaltungsgerichtshof ein Mitspracherecht des Ausländers gemäß § 21 AuslBG hinsichtlich der Frage der Ausschöpfung der Landeshöchstzahl verneinte). Im vorliegenden Fall führt allerdings - anders als in dem dem angeführten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall - die Bejahung dieser Frage zur Notwendigkeit der Beurteilung einer zweifellos die persönlichen Umstände des Ausländers betreffenden Frage, nämlich der Frage des Vorliegens seiner fortgeschrittenen Integration gemäß § 4 Abs. 6 Z 2 AuslBG. Auch ist seit dem angeführten Erkenntnis das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 27. Juli 2006, im Fall Jurisic and Collegium Mehrerau gegen Österreich, Nr. 62539/00, ergangen, in welchem dieser Gerichtshof die Beteiligung eines Ausländers im Verfahren über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als ein durch Art. 6 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht qualifizierte (vgl. RZ 60 des angeführten Urteiles). Das Vorliegen ähnlicher Umstände, wie in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall, kann auch im vorliegenden Fall nicht verneint werden.

Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde erstmalig im Verfahren und auf eine für die Parteien des Verfahrens überraschende Weise im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Landeshöchstzahl ausgeschöpft ist. Sie hätte aber die Parteien des Verfahrens und - wie dargelegt auch den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Betroffenheit vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK - davon in Kenntnis setzen müssen, dass die Landeshöchstzahl für Wien für das Kalenderjahr überschritten ist, weil die beschwerdeführende Partei selbst nicht in der Lage ist, zu erkennen, ob dies der Fall ist. Dies hat die belangte Behörde aber unterlassen und sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der allgemein gehaltenen Feststellung begnügt, die maßgebliche Landeshöchstzahl für Wien sei überschritten. Damit hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei aber die Möglichkeit genommen, das Zutreffen dieser Voraussetzungen zu prüfen. Erst mit der Bekanntgabe des Überschreitens der Landeshöchstzahl wäre die beschwerdeführende Partei gehalten gewesen, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend hätten sein können (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0448).

Ob die belangte Behörde die Frage einer fortgeschrittenen Integration des Beschwerdeführers aber zutreffend verneinte, war im Hinblick auf das Vorgesagte nicht mehr zu beurteilen, weil dieses Erfordernis erst bei Bejahung der Ausschöpfung der Landeshöchstzahl Relevanz besaß.

Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 15. Mai 2008

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