Normen
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;
StGB §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
StGB §32 Abs1;
StGB §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1965 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Entlassung als Offizial in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Stammdienststelle war die Zustellbasis X, GF Brief-Distribution.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 25. Mai 2004 wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig erkannt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Der Beschwerdeführer ist schuldig, er hat
1. im Zustelldienst vorschriftswidrig gehandelt, indem er Nachnahmebeträge in folgenden sieben Fällen verspätet verrechnet, sich diese Gelder für private Zwecke angeeignet hat und zu diesem Zwecke teilweise auch die Unterschrift der jeweiligen Empfänger gefälscht hat:
im Jahr 2003
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Fa. H. H., 4240 Freistadt
Empfänger: Fa. K., 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 3.9.2003
Verrechnungsdatum: 13. 10. 2003
Nachnahmebetrag: EURO 74,16
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Fa. H. H., 4240 Freistadt
Empfänger: Fa. K., 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 21.8.2003
Verrechnungsdatum: 3.11.2003
Nachnahmebetrag: EURO 32,40
Bei dieser Sendung wurde die Nichterhaltserklärung vom Zusteller
Beschwerdeführer mit Unterschrift L. (Mitarbeiter der Fa. K.) unterschrieben.
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: S. F., 8982 TauplitzFreistadt
Empfänger: K. C., 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 22.8.2003
Verrechnungsdatum: 31.10.2003
Nachnahmebetrag: EURO 26,03
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Q., 4016 Linz/D.
Empfänger: A. T., 22, 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 26. 3. 2003
Verrechnungsdatum: 30. 6. 2003
Nachnahmebetrag: EURO 28,48
Auch hier wurde vom Zusteller Beschwerdeführer die Unterschrift der Empfängerin auf der Nichterhaltserklärung
angebracht.
im Jahr 2002
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Fa. H. S., 4030 Linz/D.
Empfänger: J., 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 21. 8. 2002
Verrechnungsdatum: 13. 11. 2002
Nachnahmebetrag: EURO 45,78
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Fa. F., D-2208 Hamburg
Empfänger: J., 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 21.10.2002
Verrechnungsdatum: 13. 11. 2002
Nachnahmebetrag: EURO 43,65
nichtbescheinigte Nachnahmesendung
Absender: Fa. Q., 4016 Linz/D.
Empfänger: D. 4600 Wels
Aufgabedatum der Sendung: 14.11.2002
Verrechnungsdatum: 4. 2. 2003
Nachnahmebetrag: EURO 15,--
2. im Zustelldienst vorschriftswidrig gehandelt, indem er in 12 Fällen die ordnungsgemäße Übernahme von Postsendungen diverser Empfänger auf Zustellkarten durch Anbringen seines Namenszeichens vorgetäuscht hat und zwar
in 1 Fall am 21.3.2003
in 1 Fall am 22.4.2003,
in 2 Fällen am 12.8.2003,
in 1 Fall am 14.8.2003,
in 1 Fall am 22.9.2003,
in 1 Fall am 6.10.2003,
in 2 Fällen am 26.9.2002,
in 1 Fall am 3.10.2002,
in 1 Fall am 2.4.2002 und
in 1 Fall am 13.6.2002.
Der Beschwerdeführer hat durch sein mehrmaliges Verhalten gegen die im § 43 Abs.1 und 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 i. d. g. F. festgelegten Dienstpflichten, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 i. d. g. F. begangen.
Über den Beschwerdeführer wird gemäß § 126 Abs.2 in Verbindung mit § 92 Abs.1 Z.3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 i. d. g. F. die Disziplinarstrafe
der Geldstrafe
in Höhe von EURO 4.500,-- (viertausendfünfhundert)
verhängt."
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob die Disziplinaranwältin Berufung mit dem Antrag, die Entlassung auszusprechen. Auch der Beschwerdeführer erhob gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vom 25. Mai 2004 hinsichtlich des Strafausmaßes Berufung und stellte den Antrag, die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.000,-- herabzusetzen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Oktober 2004 wurde der Berufung der Disziplinaranwältin gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.
§ 105 BDG 1979 Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Der Berufung des Beschwerdeführers wurde keine Folge gegeben.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges sowie von Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit, dass es im Disziplinarrecht anders als im Strafrecht, wo moralische Wertung, Vergeltung und Sühne im Vordergrund stünden, darum gehe, einen ordnungsgemäßen und korrekten Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen (Ordnungsfunktion des Disziplinarrechtes) und einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel zu begegnen, die Sauberkeit und Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten sowie sein Ansehen zu wahren (Zitat des hg. Erkenntnisses vom 14. Jänner 1980, VwSlg. 10.007/A). Zweck des Disziplinarrechtes sei es nicht, gegen einen Beamten Sanktionen zu verhängen, wie es eine gerichtliche Bestrafung im Sinne habe, es handle sich vielmehr um das einzige Mittel des Staates, das Dienstverhältnis im Fall der Untragbarkeit des Beamten einseitig zu beenden oder ihn - erzieherisch - zu künftiger Pflichterfüllung anzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in seiner neuen Rechtsprechung die Auffassung, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe sei, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung diene, sondern eine Strafe, die sich wesentlich auch als eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes darstelle. Im Vordergrund stehe dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit ließen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stelle. Werde dieser der Achtung und dem Vertrauen, die seine Stellung als Beamter erfordere, überhaupt nicht mehr gerecht, so habe er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann könne er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Sei das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, dann fehle es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessenserwägungen. Vertrage die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier gehe es nicht - wie im Strafrecht - um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis.
Die Disziplinarbehörde habe gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 geboten sei. Hiebei habe sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen habe, inwieweit die Tat auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters oder auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen sei, durch die sie auch eine mit den rechtlich geschützten wertverbundenen Menschen nahe liegen könnte. Erst wenn eine an diesem - an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten orientierten - Maßstab erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergebe, dass ein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden sei, fehle es im Sinn der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Ermessenserwägungen dahingehend, ob im Sinn des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich sei, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. In diesem Fall bleibe für spezialpräventive Erwägungen kein Raum.
Dem Berufungsvorbringen der Disziplinaranwältin komme Berechtigung zu und die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Strafbemessung erweise sich als rechtlich verfehlt. Es sei einleitend anzumerken, dass die im Spruchpunkt 1. abvotierten, während eines Zeitraumes von mehr als einem Jahr begangenen sieben Fälle verspäteter Verrechnung von Nachnahmebeträgen, die Aneignung der betreffenden Gelder für private Zwecke und die dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang in einigen Fällen anzulastende Fälschung von Unterschriften als schwerste Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG 1979 und die vom Spruchpunkt 2. erfassten, vom Beschwerdeführer während eines Zeitraumes von ungefähr eineinhalb Jahren begangenen 12 Fälle des Vortäuschens der ordnungsgemäßen Übernahme von Postsendungen diverser Empfänger auf Zustellkarten durch Anbringen seines Namenszeichens als Erschwerungsgrund zu werten seien.
Was die in Spruchpunkt 1. rechtskräftig abvotierten Dienstpflichtverletzungen betreffe, sei auszuführen, dass ein Beamter, der sich unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während seines Dienstes an fremden Geldern vergreife, grundsätzlich nicht mehr tragbar sei, weil durch derartige rechtswidrige Handlungen nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstgeber, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört werde. Der entscheidende Gesichtspunkt sei hiebei, dass sich die Verwaltung (hier: die Unternehmensleitung der Österreichischen Post AG) auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen müsse, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich sei. Dass dies gerade im Bereich der Post ein ganz wesentlicher Aspekt sei, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt (es erfolgt die Anführung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa des hg. Erkenntnisses vom 23. Februar 2000, Zl. 97/09/0082).
Die Kassenklarheit, -sicherheit und -redlichkeit seien für ein geordnetes und zuverlässiges Kassenwesen grundlegende Voraussetzungen. Darüber werde jeder Postbeamte in der Ausbildung und Einarbeitung und in weiterer Folge laufend belehrt. Trotz der vorgesehenen Kontrollen sei die Verwaltung (die Unternehmensleitung) bei personalintensiven Betrieben wie der Post nicht in der Lage, jeden einzelnen Arbeitsvorgang zu überprüfen und daher auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Organwalter angewiesen. Dass von einem Beamten erwartet werden müsse, diese Gebote aus eigener Verantwortlichkeit und eigenem Antrieb einzuhalten, entspreche dem gegenseitigen Treue- und Vertrauensverhältnis. Wer sich an dienstlich anvertrauten oder zugänglichen Geldern dennoch vergreife, wer Kunden der Österreichischen Post AG und/oder seinen Dienstgeber um des eigenen Vorteils willen schädige, zerstöre das erforderliche Vertrauensverhältnis grundsätzlich und sei für das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis im Unternehmen untragbar.
Der Beschwerdeführer habe sich durch den im Spruchpunkt 1. angeführten wiederholten Zugriff auf fremdes Vermögen (auf Nachnahmebeträge, die an verschiedene Lieferfirmen zu überweisen waren) schwerst wiegender Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 schuldig gemacht. Er habe eine solche Lässigkeit im Umgang mit den Rechtsvorschriften, die dem Schutz anvertrauter Gelder dienen, an den Tag gelegt, dass er nicht mehr vertrauenswürdig sei. Die Respektierung fremden Eigentums durch die Bediensteten der Post, welche in sämtlichen Bereichen ihrer Tätigkeit mit fremden Geldern in Berührung kämen bzw. solche ihnen anvertraut würden, sei oberstes Gebot zur Aufrechterhaltung des Betriebes und betreffe den Kernbereich der Tätigkeit des Beschwerdeführers. Durch die ihm angelasteten Verfehlungen habe er das seitens des Dienstgebers in ihn gesetzte Vertrauen auf das Gröblichste verletzt. Er habe durch sein Verhalten sowohl das zwischen ihm und der Österreichischen Post AG als auch das zwischen der Österreichischen Post AG und ihren Kunden bestehende Vertrauensverhältnis auf das Ärgste geschädigt. Dieses nicht wieder herstellbare Vertrauensverhältnis und der Ansehensverlust bewirkten nach Ansicht der belangten Behörde - gerade in der heutigen Zeit -, dass dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit als Zusteller erforderliche Verlässlichkeit fehle und er somit nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis verwendet werden könne. Wenn schon unter Bedachtnahme auf die Schwere der Pflichtverletzungen und die daraus entstandenen Nachteile die "Untragbarkeit" des beschuldigten Beamten für seinen Dienstgeber folge, dann könne anderen Strafzumessungsgründen, wie dem Grad des Verschuldens bzw. dem bisherigen tadellosen dienstlichen Verhalten oder dem ordentlichen Lebenswandel des Beschuldigten keine für die Frage der Strafbemessung ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen. Ein allfälliges Nichtvorliegen einer Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht spiele in diesem Zusammenhang ebenso wenig eine rechtserhebliche Rolle wie die nachträgliche Wiedergutmachung des materiellen Schadens oder die behauptete Kooperation bei der Aufklärung der inkriminierten Sachverhalte. Der Disziplinarstrafe der Entlassung komme keine Erziehungsfunktion in Bezug auf den Beschuldigten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamten-Dienstrechtsgesetz enthaltenen so genannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen. Zweck dieser Strafe sei, dass sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten trennen könne, sie bewirke "zugleich die Reinigung der Beamtenschaft von einem Organwalter, der sich nicht mehr als würdig erwiesen hat, ihr noch weiterhin anzugehören".
Das Geständnis des Beschwerdeführers sei nach der Aktenlage im Übrigen erst auf Druck der gegen ihn sprechenden Fakten zu Stande gekommen und es vermöge schon aus diesem Grund keine für den Beschwerdeführer günstigere Beurteilung im Sinne eines gewichtigen Milderungsgrundes zu bewirken. Zudem sei als erschwerend festzustellen, dass der Beschwerdeführer - allein was seine im Spruchpunkt 1. inkriminierten Dienstpflichtverletzungen betreffe - in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr mehrmals (sieben Mal) deliktisch gehandelt habe und daher von einer einmaligen unbedachten Gelegenheitstat nicht gesprochen werden könne. Es sei vor allem zu berücksichtigen gewesen, dass die in Rede stehenden insgesamt sieben Tathandlungen der Verwendung fremder, der Österreichischen Post AG anvertrauter Gelder für private Zwecke während eines Zeitraumes von mehr als einem Jahr offenbar auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende oder zumindest gleichgültige Einstellung des Beschwerdeführers zurückzuführen sei, äußere Umstände oder Beweggründe, durch die sie auch einen mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (Beamten im Bereich der Österreichischen Post AG) nahe liegen könnten - etwa eine besondere finanzielle Notlage des Beschwerdeführers - seien im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu erkennen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine pflichtwidrige Vorgangsweise - wäre sie nicht aufgedeckt worden - in der beschriebenen Art und Weise weiter fortgesetzt hätte.
Der Beschwerdeführer habe mit dem ihm angelasteten Verhalten das ihm als Postbeamten (Zusteller) vom Unternehmen Österreichische Post AG entgegen gebrachte Vertrauen gröblichst verletzt und damit gegen seine ihm auferlegten Dienstpflichten in so schwer wiegender Weise verstoßen, dass dem Dienstgeber nicht mehr zugemutet werden könne, das Dienstverhältnis weiter aufrecht zu erhalten. Auf Grund der restlosen und unwiederbringlichen Zerstörung des für eine Dienstausübung unabdingbar notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Dienstgeber und dem Beschwerdeführer brauche auf die Frage, ob die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung aus spezialpräventiven Gründen erforderlich sei, nicht mehr eingegangen zu werden. Angesichts der Verwerflichkeit und der gegebenen Vorwerfbarkeit (Vorsatz) der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen, die sein Verhalten bei der Geldgebarung und bei der Zustellung von Postsendungen, somit im Kernbereich seiner dienstlichen Aufgaben betreffen, sei - anhand der an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (Postbeamten) orientierten Beurteilung der Schwere des Fehlverhaltens - die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen gewesen, weil der Beschwerdeführer durch die Begehung gerade von solchen massiven dienstlichen Verfehlungen die Zerstörung des für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben notwendigen Vertrauens herbeigeführt habe. Die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sei auch im Interesse der generellen Wahrung des Vertrauens und des Ansehens der Beamtenschaft notwendig und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Unternehmens Österreichische Post AG sowie des öffentlichen Dienstes insgesamt geboten. Bei diesem Ergebnis erübrige sich ein näheres Eingehen auf die als Erschwerungsgrund gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 gewerteten zahlreichen weiteren, gegen ein anderes Rechtsgut (gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen) gerichteten Verfehlungen. Es sei zu erwähnen, dass im Bereich der Privatwirtschaft bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führten und dass gerade im Hinblick auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers in einem ausgegliederten, im Wettbewerbskampf stehenden Unternehmen sein Fehlverhalten besonders schwer ins Gewicht falle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Strafbemessungsgründe nicht ausreichend ermittelt habe, sie sei ausschließlich von einem einzigen Erschwerungsgrund, nämlich der Faktenhäufung über einen längeren Zeitraum hindurch, ausgegangen. Dabei handle es sich jedoch um einen eher formalen Erschwerungsgrund. Die belangte Behörde hätte auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat berücksichtigen und zu erforschen gehabt, insbesondere hätte sie auch die besonderen Milderungsgründe berücksichtigen müssen, insbesondere, dass der Beschwerdeführer bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt habe und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehe. Zwar treffe zu, dass der Beschwerdeführer verspätete Abrechnungen vorgenommen habe, er habe aber die Abrechnungen von sich aus aus eigenem - wenn auch verspätet - durchgeführt und nicht erst unter dem Druck des Disziplinarverfahrens. Der Beschwerdeführer habe auch den Schaden aus freien Stücken zur Gänze gutgemacht und ein reumütiges Geständnis abgelegt. Es sei daher unrichtig, dass das Geständnis der Aktenlage nach erst auf Druck der gegen den Beschwerdeführer sprechenden Fakten zu Stande gekommen sei. Weiters sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Beschwerdeführer seit der letzten Fehlhandlung wohlverhalten habe und es auch vor dem Tatzeitraum keinerlei Grund zu Beanstandungen gegeben habe. Es sei auch festzustellen, dass der Schaden gering und vom Beschwerdeführer bereits vor seiner Betretung zum großen Teil gutgemacht worden sei.
Es sei darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft Wels vorläufig unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren von der Verfolgung zurückgetreten sei, was wohl nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn ein höherer Grad des Unrechtsgehaltes vorgenommen worden wäre. Die belangte Behörde habe verabsäumt, die Erschwerungs- und Milderungsgründe entsprechend gegenüber zu stellen und sei daher zu einer zu hohen Strafe gelangt.
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der 8. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.
Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979
1. den Verweis,
2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben
Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen
unter Ausschluss der Kinderzulage, und
4. die Entlassung
vor.
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinn nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Gemäß § 125a Abs. 3 BDG 1979 kann von der Durchführung einer
mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission
ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1. die Berufung zurückzuweisen ist,
2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen
ist,
3. ausschließlich über eine Berufung gegen die
Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die
Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung
mit der Berufung geklärt erscheint.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042, darauf hingewiesen, dass es sich auch bei der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 um eine Strafe handelt und sich die Disziplinarkommission auch bei einer objektiv schwer wiegenden Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und gemäß § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen hat. Die Disziplinarkommission hat in jedem Fall die Erschwerungs- und die Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen (§ 32 Abs. 2 StGB) und dabei auf alle geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Milderungsgründe Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0093).
In dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass der Disziplinarstrafe der Entlassung zwar kein "Erziehungszweck" zugeordnet werden kann, auch ihr Ausspruch aber u.a. davon abhängt, ob bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit weiteren Dienstpflichtverletzungen zu rechnen wäre, mit dieser Frage hat sich die Disziplinarkommission im Grunde des § 93 Abs. 1 BDG 1979 auseinander zu setzen. Bei der dabei anzustellenden Prognose hat sie die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit weiterer Dienstpflichtverletzungen nach einer Beurteilung seiner - auch in der Dienstpflichtverletzung zum Ausdruck gebrachten - Persönlichkeit zu beurteilen (vgl. zur Spezialprävention allgemein Ebner, zu § 32, RZ 27ff, in:
Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2003).
Die belangte Behörde hat es unterlassen, § 93 Abs. 1 BDG 1979 im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzuwenden. Ihren Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass sie sich mit den im Gesetz vorgesehenen Strafbemessungskriterien auseinander gesetzt hätte.
Zwar hat der Beschwerdeführer durch sein wiederholtes Fehlverhalten unbestritten das "Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) beeinträchtigt. Ob auf Grund seines unbestrittenen fortgesetzten Fehlverhaltens jedoch gegen ihn die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 zu verhängen war, kann erst auf Grund einer Einschätzung der objektiven Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 sowie daran anknüpfend auf Grund der Berücksichtigung aller für die Strafzumessung gemäß § 93 Abs. 1 zweiter und dritter Satz BDG 1979 und der dort verwiesenen nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebender Gründe beantwortet werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0078, des verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, sowie das Erkenntnis vom 3. April 2008, Zl. 2005/09/0036, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die belangte Behörde hat sich allerdings demgegenüber im vorliegenden Fall mit den im Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz angeführten Milderungsgründen inhaltlich nicht auseinander gesetzt und vielmehr - in Verkennung der Rechtslage - die Auffassung vertreten, dass sich eine nähere Erörterung des Vorliegens allfälliger Milderungsgründe erübrige.
Die belangte Behörde hat weiters im vorliegenden Fall zu Unrecht (unter ausdrücklicher Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979) von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen. Nach der soeben zitierten Vorschrift kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet. Nun ist die vorliegende Verfahrenskonstellation maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der angefochtene, die Entlassung verfügende Bescheid der Disziplinaroberkommission auf Grund einer auf die Entlassung des Beschwerdeführers abzielenden Berufung der Disziplinaranwältin gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem lediglich eine Geldstrafe verhängt worden war, erging. Bei dieser Verfahrenskonstellation - in der der Beschuldigte überdies nicht durch das Verbot der reformatio in peius geschützt ist - kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde (lediglich) Gesichtspunkte der "Strafbemessung" im Sinne des im § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 verwendeten Begriffes in Betracht zu ziehen hatte. In der oben näher dargelegten Verfahrenskonstellation durfte die belangte Behörde daher nicht unter Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 von der Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung absehen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0080, sowie das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115).
Da der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 1 Z. 1 jenen des § 42 Abs. 1 Z. 3 VwGG prävaliert, war der angefochtene Bescheid nach der erstangeführten Rechtsvorschrift aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Mai 2008
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)