VwGH 2007/14/0029

VwGH2007/14/002924.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der I AG in Wien (als Rechtsnachfolgerin der S Vermögensverwaltungs AG), vertreten durch bpv Hügel, Rechtsanwälte OEG in 1220 Wien, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 5. November 2003, Zl. RV/1430- W/02, betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerverfahren 1993, Körperschaftsteuer 1993 bis 1995 sowie Gewerbesteuer 1993 und 1994, zu Recht erkannt:

Normen

11997E043 EG Art43;
11997E048 EG Art48;
11997E049 EG Art49;
11997E056 EG Art56;
61989CC0355 DHSS / Barr and Montrose Holdings Schlussantrag;
62004CJ0196 Cadbury Schweppes VORAB;
62005CJ0157 Holböck VORAB;
BAO §22;
KStG 1988 §10 Abs2 idF 1993/694;
KStG 1988 §10 Abs3 idF 1994/681;
KStG 1988 §10 Z5 idF 1989/660;
KStG 1988 §7 Abs4 idF 1989/660;
11997E043 EG Art43;
11997E048 EG Art48;
11997E049 EG Art49;
11997E056 EG Art56;
61989CC0355 DHSS / Barr and Montrose Holdings Schlussantrag;
62004CJ0196 Cadbury Schweppes VORAB;
62005CJ0157 Holböck VORAB;
BAO §22;
KStG 1988 §10 Abs2 idF 1993/694;
KStG 1988 §10 Abs3 idF 1994/681;
KStG 1988 §10 Z5 idF 1989/660;
KStG 1988 §7 Abs4 idF 1989/660;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Buch- und Betriebsprüfung bei der S Vermögensverwaltungs AG (deren Rechtsnachfolgerin die beschwerdeführende Partei ist) vom 28. September 1999 ist unter Punkt 4. ein "Anlagemodell für Großanleger (Kapitalgesellschaften)" wie folgt umschrieben:

"Die S Vermögensverwaltungs AG wickelte im Prüfungszeitraum (Anmerkung: das ist hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Körperschaftsteuer der Zeitraum 1992 bis 1995, hinsichtlich der Gewerbesteuer der Zeitraum 1992 bis 1994) das sogenannte 'ANLAGE MODELL S AG, Ertragreiches Veranlagungsmodell für Großanleger (Kapitalgesellschaften)' ab. In dem diesbezüglichen Prospekt der beschwerdeführenden Partei, die dieses Modell 'gestionierte', sind folgende Eckpunkte angeführt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Abs. 3 KStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 660/1989 waren bei Steuerpflichtigen, die auf Grund der Rechtsform nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, alle Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988) den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 23 Z. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) zuzurechnen. Bei Betrieben gewerblicher Art (§ 2), die nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, und bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist der Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu ermitteln.

§ 7 Abs. 4 KStG 1988 in seiner bis zum 31. August 1993 in Geltung gestandenen Fassung BGBl. Nr. 660/1989 hatte folgenden Wortlaut:

"(4) Bei unter Abs. 3 fallenden Steuerpflichtigen bleiben nach Maßgabe des § 10 Z. 5 Gewinnanteile jeder Art aus einer internationalen Schachtelbeteiligung sowie Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung außer Ansatz. Eine internationale Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige an ausländischen Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind, nachweislich in Form von Gesellschaftsrechten unmittelbar mindestens zu 1/4 beteiligt ist. Der Unternehmensgegenstand der ausländischen Gesellschaft darf zu nicht mehr als 25 % im Verwalten von eigenen Forderungswertpapieren (Teilschuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und ähnliche Wertpapiere) und Beteiligungen an anderen Unternehmen mit einem derartigen Unternehmensgegenstand liegen, es sei denn, die Gesellschaft unterhält einen Bankbetrieb."

Nach § 10 Z. 5 KStG 1988 in seiner bis zum 31. August 1993 in Kraft gestandenen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 660/1989 waren von der Körperschaftsteuer Beteiligungserträge befreit, zu denen bei internationalen Schachtelbeteiligungen (§ 7 Abs. 4) auch Gewinnanteile jeder Art aus der Beteiligung gezählt wurden, wobei als Voraussetzung definiert war, dass die Beteiligung seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Einkommens maßgeblichen Bilanzstichtag ununterbrochen bestanden hatte; die Frist von zwölf Monaten galt nicht für Anteile, die auf Grund einer Kapitalerhöhung erworben wurden, soweit sich das Beteiligungsausmaß dadurch nicht erhöht hatte.

Durch die Novelle BGBl. Nr. 694/1993 wurde die Regelung über die internationale Schachtelbeteiligung aus der Bestimmung des § 7 KStG 1988 entfernt und zur Gänze in die Bestimmung des § 10 Abs. 2 KStG 1988 übernommen, welche durch die Novelle BGBl. Nr. 694/1993 folgenden Wortlaut erhielt:

"(2) Von der Körperschaftsteuer sind Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen befreit.

1. Eine internationale Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn unter § 7 Abs. 3 fallende Steuerpflichtige an ausländischen Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind, nachweislich in Form von Gesellschaftsrechten unmittelbar mindestens zu 1/4 beteiligt sind. Der Unternehmensgegenstand der ausländischen Gesellschaften darf zu nicht mehr als 25 % im Verwalten von eigenen Forderungswertpapieren (Teilschuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und ähnliche Wertpapiere) und Beteiligungen an anderen Unternehmen mit einem derartigen Unternehmensgegenstand liegen, es sei denn, die Gesellschaft unterhält einen Bankbetrieb.

2. Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen sind:

a) Gewinnanteile jeder Art aus der Beteiligung. Voraussetzung ist, dass die Beteiligung seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Einkommens maßgeblichen Bilanzstichtag ununterbrochen bestanden hat.

b) Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung insoweit als weder für die gesamte Beteiligung noch für Teile hievon der niedrigere Teilwert (§ 6 Z. 2 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988) angesetzt worden ist. Voraussetzung ist, dass die Beteiligung zum letzten Bilanzstichtag vor der Veräußerung ununterbrochen mindestens zwölf Monate bestanden hat.

Die in lit. a und b genannte Frist von zwölf Monaten gilt nicht für Anteile, die auf Grund einer Kapitalerhöhung erworben wurden, soweit sich das Beteiligungsausmaß dadurch nicht erhöht hat."

Durch die Novelle BGBl. Nr. 681/1994 erhielt die Bestimmung des § 10 KStG 1988 eine Fassung, nach welcher in einem dritten Absatz dieser Gesetzesbestimmung die Befreiung von Erträgen aus internationalen Schachtelbeteiligungen von der Körperschaftsteuer im Falle des Vorliegens von Gründen ausgeschlossen wird, wegen derer der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen (§ 22 der Bundesabgabenordnung) durch Verordnung anordnet, wobei das Vorliegen derartiger Gründe insbesondere dann angenommen werden kann, wenn etwa der Unternehmensschwerpunkt der ausländischen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar darin besteht, Einnahmen aus Zinsen, aus der Überlassung beweglicher körperlicher oder unkörperlicher Wirtschaftsgüter und aus der Veräußerung von Beteiligungen zu erzielen, und wenn das Einkommen der ausländischen Gesellschaft etwa auch keiner der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer unterliegt.

Gemäß § 22 Abs. 1 BAO schließlich kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes die Abgabenpflicht nicht umgangen oder gemindert werden, wobei nach § 22 Abs. 2 BAO, wenn ein Missbrauch im Sinne des ersten Absatzes dieser Gesetzesbestimmung vorliegt, die Abgaben so zu erheben sind, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

Die beschwerdeführende Partei verweist vor dem Verwaltungsgerichtshof - in Übereinstimmung mit den Annahmen der Abgabenbehörden - darauf, dass mit Verschmelzungsvertrag und Hauptversammlungsbeschluss vom 18. Mai 1998 die S/Wien als übertragende Gesellschaft mit der beschwerdeführenden Partei als aufnehmender Gesellschaft verschmolzen worden sei; die Verschmelzung sei am 1. Juli 1998 ins Firmenbuch eingetragen worden. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher in Übereinstimmung mit den Verfahrensparteien von einer Gesamtrechtsnachfolge der beschwerdeführenden Partei zur S/Wien aus.

Die beschwerdeführende Partei wendet sich vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gegen die rechnerische Richtigkeit der mit Bescheiden der Abgabenbehörde erster Instanz je vom 15. Oktober 1999 an sie als Rechtsnachfolgerin der S/Wien gerichteten Vorschreibungen betreffend

a) Festsetzung der Gewerbesteuer für das Jahr 1993 mit

S 9.740.281,--;

b) Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1993 mit

S 20.852.411,--;

c) Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1994 mit

S 29.760.276,--;

d) Festsetzung der Gewerbesteuer für das Jahr 1994 mit

S 4.141.588,--; und

e) Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1995 mit

S 21.254.602.

Der Verwaltungsgerichtshof kann insoweit auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft jedoch die Ansicht, es läge ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 22 BAO vor.

Die Beschwerde verweist zutreffend auf das hg. Verfahren zur Zl. 2000/13/0176, in dem der Verwaltungsgerichtshof einen gleichgelagerten Sachverhalt zu entscheiden hatte. In seinem diesbezüglichen Erkenntnis vom 19. Jänner 2005, auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt wie folgt:

"Unter Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO versteht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur eine solche rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet ...

Dass die Befreiung der Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen offenbar seit jeher dazu angetan war und blieb, als Ausgangspunkt so genannter 'Steuersparmodelle' zu

dienen, zeigen nicht nur die ... Gesetzesmaterialien der Novelle

BGBl. Nr. 660/1989, sondern auch die mit BGBl. Nr. 681/1994 in der Bestimmung des § 10 Abs. 3 KStG 1988 geschaffenen Regelungen ... Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft wiederholt geäußerte Rechtsansicht, die Bestimmung des § 22 BAO könne im Geltungsbereich der in Rede stehenden Vorschriften des Körperschaftsteuerrechtes keine Anwendung finden, erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt als verfehlt."

An dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in der Folge festgehalten und so etwa in seinem Erkenntnis vom 10. August 2005, Zlen. 2001/13/0018, 0019, ausgesprochen, dass der Anwendung des § 22 BAO im Einzelfall auch im Geltungsbereich gemeinschaftsrechtlicher Normen nicht der Boden entzogen sei (vgl. in diesem Sinne etwa auch das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2003/13/0026).

In ihren Schriftsätzen, eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 7. Februar 2005 und am 8. Jänner 2007 argumentiert die beschwerdeführende Partei daher im Wesentlichen aus dem Gemeinschaftsrecht. Im zuletzt erwähnten Schriftsatz verweist die beschwerdeführende Partei auf das auch für den Beschwerdefall maßgebende Urteil des EuGH vom 12. September 2006 in der Rechtssache C-196/04 Cadbury-Schweppes & Cadbury Schweppes Overseas Limited, Sammlung der Rechtsprechung 2006 Seite I-07995, in dem der EuGH unter anderem zur Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft Stellung genommen hat.

Die beschwerdeführende Partei führt in diesem Zusammenhang aus, das genannte Urteil des EuGH sei für den Beschwerdefall "unmittelbar einschlägig". Es sei durch dieses Urteil gemeinschaftsrechtlich geklärt, dass bei grenzüberschreitenden Vorgängen, die unter die Kapitalverkehrsfreiheit fallen, ausgenommen - nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei nicht vorliegende - Sonderkonstellationen, ein Durchgriff nach § 22 BAO nicht in Betracht komme; auf Grund der unmittelbaren Anwendbarkeit der Kapitalsverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG sei der bekämpfte Bescheid "somit" mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet.

Es trifft zu, dass der EuGH in dem erwähnten Urteil vom 12. September 2006 ausgesprochen hat (vgl. Randnr. 36), dass einem Gemeinschaftsangehörigen, sei er nun eine natürliche oder eine juristische Person, nicht schon allein deshalb die Möglichkeit, sich auf die Bestimmungen des Vertrages zu berufen, genommen werden dürfe, weil er beabsichtigt habe, von der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Ansässigkeit geltenden vorteilhaften Steuerrechtslage zu profitieren.

Zunächst ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nationale Vorschriften in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit fallen, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaates am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Auch im vorliegenden Fall betreffen die Rechtsvorschriften den Fall, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewinne von Tochtergesellschaften (S/Luxemburg und S/Jersey) besteuert werden, an denen eine im Inland ansässige Gesellschaft (S/Wien) eine Beteiligung hielt, die ihr die Kontrolle über diese Gesellschaften einräumte. Die Anwendung des § 22 BAO ist daher im Hinblick auf die Art. 43 EG und 48 EG zu prüfen (vgl. Randnr. 31 und 32 des erwähnten Urteiles des EuGH vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes; vgl. weiters zur Abgrenzung zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalsverkehrsfreiheit in diesem Sinne etwa den Beschluss des EuGH vom 10. Mai 2007 in der Rechtssache C-492/04 , Lasertec Gesellschaft für Stanzformen mbH, Randnr. 19 und 20, sowie das Urteil des EuGH vom 24. Mai 2007 in der Rechtssache C-157/05 , Holböck, Randnr. 20 ff, insbesondere 23). Da auch im Beschwerdefall der beherrschende Einfluss der S/Wien unbestritten ist, ist eine etwa beschränkende Auswirkung der Anwendung des § 22 BAO im Einzelfall auf die Kapitalsverkehrsfreiheit als unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen und rechtfertigt nach der erwähnten Rechtsprechung des EuGH keine eigenständige Prüfung im Hinblick auf die Art. 49 EG und 56 EG (vgl. zum Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Nichtmitgliedstaaten und zur rechtlichen Stellung von Jersey einerseits den soeben erwähnten Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec Gesellschaft für Stanzformen mbH, Randnr. 25, und andererseits die Schlussanträge des Generalanwaltes Jacobs vom 10. Jänner 1991 in der Rechtssache C-355/89 , Department of Health and Social Security gegen Christopher Stewart Barr und Montrose Holdings Ltd., Slg. der Rechtsprechung 1991, Seite I-03479, insbesondere Randnr. 10).

Wie der EuGH in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 12. September 2006 (Randnr. 37) ausführt, reicht der Umstand (was die Niederlassungsfreiheit betrifft), dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem Ziel gegründet worden ist, in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich allein nicht aus, um auf eine missbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheit zu schließen. Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 43 EG den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Art. 48 EG für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in den betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. EuGH 12. September 2006, Cadbury Schweppes, Randnr. 41 sowie etwa das Urteil des EuGH vom 13. März 2007 in der Rechtssache C- 524/04 , Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnr. 36). Nach Ansicht des EuGH (vgl. das Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes, Randnr. 42) verbieten es die Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit, wenngleich sie nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung in Aufnahmemitgliedstaaten sichern sollen, doch auch, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert.

Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit unter diesem Aspekt ist nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. In einem solchem Fall muss aber außerdem die Beschränkung geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hiezu erforderlich ist. Insoweit geht aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH hervor, dass ein Vorteil, der aus der relativ geringen steuerlichen Belastung einer Tochtergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Muttergesellschaft gegründet worden ist, resultiert, als solcher dem letztgenannten Mitgliedstaat nicht das Recht gibt, diesen Vorteil durch eine weniger günstige steuerliche Behandlung der Muttergesellschaft auszugleichen; die Notwendigkeit, einen Steuerausfall zu vermeiden, gehört weder zu den im Artikel 46 Abs. 1 EG genannten Gründen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können. Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand allein, dass eine ansässige Gesellschaft eine Zweitniederlassung, wie etwa eine Tochtergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat gründet, nicht die allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründet und keine die Ausübung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigende Maßnahme rechtfertigen kann (vgl. auch hiezu wiederum das mehrfach zitierte Urteil des EuGH vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes, Randnr. 47 und 49 f).

Eine nationale Maßnahme, die die Niederlassungsfreiheit beschränkt, kann jedoch dann gerechtfertigt sein, wenn sie sich speziell auf rein künstliche Gestaltungen bezieht, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates zu entgehen; bei der Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen ist insbesondere das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Niederlassungsfreiheit verfolgt wird und das darin besteht, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweitniederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. Zu diesem Zweck will die Niederlassungsfreiheit es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen. In Anbetracht dieses Zieles der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat impliziert der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit und setzt daher eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat und die "Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" in diesem voraus (vgl. Randnr. 51 ff des Urteiles vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes; Hervorhebungen durch den VwGH).

Zusammenfassend hält der EuGH fest, dass sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen lässt, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liegt, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird (EuGH 12. September 2006, Cadbury Schweppes, Randnr. 55).

Vor dem Hintergrund dieser Gemeinschaftsrechtslage ist im Hinblick auf die Anwendung des § 22 BAO im Beschwerdefall davon auszugehen, dass - nach dem Beschwerdevorbringen - die Veranlagung der der S/Wien zur Verfügung stehenden Mittel auf Grund von "verschiedenen Standortvorteilen" durch Tochtergesellschaften in Luxemburg und später in Jersey erfolgen sollte und die Geschäftsführungen beider Tochtergesellschaften eine Veranlagung dieser Mittel zu marktüblichen Zinssätzen in Darlehen bei der beschwerdeführenden Partei vornahmen. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus diesen unstrittigen Tatsachen im Zusammenhalt mit anderen Ermittlungsergebnissen den Schluss zog, dass schon bei der Konzeption des Veranlagungsmodells die Re-Veranlagung der Geldmittel bei der beschwerdeführenden Partei geplant und eine ernsthafte Suche nach Alternativveranlagungen (insbesondere in den jeweiligen Sitzstaaten) nicht geplant war, so ist dies nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. dazu insbesondere auch die Ausführungen im Verweiserkenntnis). Dies gilt auch für die Beteiligung an weiteren Gesellschaften, die - wenn sie überhaupt vorgenommen wurden - nach Ansicht der belangten Behörde nur zum Schein, jedenfalls aber ohne weitere wirtschaftliche Zielsetzung erfolgten. Keinesfalls aber hat die beschwerdeführende Partei aufgezeigt, in welcher Weise diese Beteiligungen zur tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Hinblick auf das Ziel der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat geführt haben; es ist so auch nicht ersichtlich, warum der Erwerb einer Beteiligung allein nicht auch durch S/Wien möglich gewesen wäre.

Die beschwerdeführende Partei kann sich somit nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen, weil die im Wesentlichen innerhalb der Beteiligungsverhältnisse vorgenommene Veranlagung ausschließlich der Steuerersparnis diente.

Die beschwerdeführende Partei verweist weiters noch auf die Rechtsprechung des BFH. Dieser habe bei vergleichbarem Sachverhalt das Vorliegen eines Missbrauches verneint und die privatrechtliche Gestaltung steuerlich anerkannt. Insoweit kann auf Zorn (Die Zurechnung von Einkünften unter dem Aspekt der Zwischenschaltung von Auslandgesellschaften in der FS Werner Doralt, Wien 2007, 527) verwiesen werden, der (a.a.O., 544 ff) die Unterschiede zwischen der deutschen und der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage verdeutlicht.

Soweit sich die beschwerdeführende Partei auch vor dem Verwaltungsgerichtshof noch gegen die Wiederaufnahme der Verfahren wendet, genügt der Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid; die beschwerdeführende Partei hat sich im Berufungsverfahren nicht dahin geäußert, dass die in der Stellungnahme vom 21. Juli 2000 genannten Urkunden nicht für die Betriebsprüfung (und - dieser folgend - die Behörde erster Instanz) maßgebend gewesen seien. Insbesondere die erst im Rahmen der Betriebsprüfung der Einsicht durch die Abgabenbehörde zugänglichen Prospekte und die Darlehensverträge zwischen den beteiligten Gesellschaften sowie Korrespondenz bewirkte für die Abgabenbehörde erster Instanz das nachträgliche Hervorkommen von Tatumständen, von denen sie nicht schon zuvor Kenntnis erlangt hatte.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der durch die beschwerdeführenden Partei angeregten Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG konnte Abstand genommen werden, weil die Gemeinschaftsrechtslage durch die Rechtsprechung des EuGH - wie dargelegt - hinreichend geklärt erscheint.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, da Abgabenangelegenheiten nicht zu den "civil rights" gehören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zlen. 91/17/0098, 0099, mwN).

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. Juli 2007

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