VwGH 2006/21/0296

VwGH2006/21/029624.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde 1. des A,

2. der N, 3. der S, 4. des Ga, und 5. des Gz, alle in Graz, alle vertreten durch Dr. Siegfried Holzer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Bürgergasse 1, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark jeweils vom 26. Juni 2006,

1.) Zl. 2F/775/1-2005 (hg. Zl. 2006/21/0296), 2.) Zl. 2F/816/2- 2005 (hg. Zl. 2006/21/0297), 3.) Zl. 2F/815/2-2005 (hg. Zl. 2006/21/0298), 4.) Zl. 2F/814/2-2005 (hg. Zl. 2006/21/0299), und 5.) Zl. 2F/817/2-2005 (hg. Zl. 2006/21/0300), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer - Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin sowie Vater der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer und von X., geboren am 25. November 1987 -, alle Staatsangehörige von Mazedonien, ist am 16. Mai 2001 (illegal) in das Bundesgebiet eingereist und hat die Gewährung von Asyl beantragt. Dieser Antrag wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. März 2003 abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers nach Mazedonien zulässig sei. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom 9. November 2004, Zl. 2003/01/0361, abgelehnt.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist - schon nach dem Beschwerdevorbringen unstrittig - am 12. Juli 2002 mit ihren Kindern (den Dritt- bis Fünftbeschwerdeführern sowie der weiteren Tochter X.) in das Bundesgebiet eingereist, wo die Genannten ebenfalls die Gewährung von Asyl beantragt haben. Auch ihre Anträge wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates rechtskräftig abgewiesen; ebenfalls wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Mazedonien zulässig sei.

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 26. Juni 2006 wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer gemäß den §§ 31, 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Die annähernd gleich lautenden Begründungen gehen dahin, die Beschwerdeführer hätten sich nach rechtskräftigem Abschluss ihrer Asylverfahren nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil sie über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfügten. Bereits die Einreise mit Hilfe eines Schleppers sowie unter Umgehung der Grenzkontrolle hätte zu einer nicht bloß geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung geführt. Für deren Aufrechterhaltung komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein sehr hoher Stellenwert zu. Im Hinblick darauf und wegen des Fehlens ins Gewicht fallender Umstände, die gegen die Ausweisung sprächen, könne eine pflichtgemäße Ermessensausübung nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung führen.

Da der Aufenthalt der Beschwerdeführer nur auf Grund von Asylanträgen, die sich letztlich als unberechtigt erwiesen hätten, vorläufig berechtigt gewesen sei, seien die persönlichen Interessen der gemeinsam ausgewiesenen Familienmitglieder an einem Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass diese schwerer zu gewichten wären als das maßgebliche öffentliche Interesse. Lediglich das persönliche Schicksal der X., deren Aufenthalt im Bundesgebiet zur medizinischen Betreuung auf Grund einer schweren Nierenerkrankung gerechtfertigt erscheine, könne herangezogen werden, um von ihrer Ausweisung Abstand zu nehmen. Wenn hieraus auch ein Eingriff in das in Österreich geführte Familienleben folge, sei die Ausweisung der Beschwerdeführer dennoch dringend geboten und zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens im Sinn von Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlich.

Über die gegen die genannten Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich gemäß § 31 Abs. 1 FPG vorläge. Wegen der rechtskräftigen Beendigung ihrer Asylverfahren bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG verwirklicht sei.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist eine Ausweisung nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse auf dem Gebiet des Fremdenwesens aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Umstände, die für eine Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet sprächen, werden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Soweit die Beschwerdeführer auf die finanzielle Absicherung ihres Aufenthaltes abstellen, wird lediglich auf öffentliche Transferleistungen Bezug genommen (etwa S. 15 der Beschwerde), sodass dadurch das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht abgeschwächt wird (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0163, mwN).

Die Beschwerdeführer haben allerdings geltend gemacht, ihre Tochter (bzw. Schwester) X., geboren am 25. November 1987, leide unter chronischem Nierenversagen. Sie stehe seit August 2002 in laufender ambulanter und stationärer Behandlung in Graz. Das Nierenversagen sei weit fortgeschritten, therapeutisch seien neben diätischen Maßnahmen auch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten sowie eine - derzeit wöchentliche - Verabreichung von Injektionen notwendig. In den nächsten Jahren sei mit einem Fortschreiten des Nierenversagens zu rechnen, sodass eine Intensivierung der Therapie oder eine Nierentransplantation erforderlich würde. Auch im Zusammenhang mit der Stabilisierung des Knochenstoffwechsels sei eine orthopädische Korrektur beider Beine bereits erfolgt, zudem seien noch weitere operative Eingriffe zu erwarten.

Diese Ausführungen verhelfen der Beschwerde zum Erfolg:

Das dargestellte Vorbringen der Beschwerdeführer indiziert umfassenden Bedarf der X. an laufender Pflege und Betreuung. Damit hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht inhaltlich auseinander gesetzt. Ein mängelfreies Verfahren hätte dagegen erfordert zu klären, in welcher konkreten Wohn- und Betreuungssituation sich X. derzeit befindet, ob und welche ihrer beschwerdeführenden Angehörigen Betreuungsleistungen erbringen oder - etwa durch die faktische Beistellung notwendiger Erfordernisse des täglichen Unterhaltes - sonst für ihre Fortkommen sorgen und somit auch deren künftiger Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlich ist. Nur eine derartige Prüfung hätte ein sich daraus möglicherweise ergebendes privates Interesse (auch) ihrer Angehörigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2002/21/0162) im Sinn des Artikel 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar gemacht (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0163).

Da diese Erhebungen unterblieben sind, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich - im Ausmaß des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Oktober 2007

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