VwGH 2006/12/0169

VwGH2006/12/016914.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Nowakowski, Dr. Thoma und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des WSch in W, vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer, Dr. Gisela Possnig und Dr. Michael Maurer, Rechtsanwälte in 8160 Weiz, Lederergasse 10/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 19. Mai 2006, Zl. 135.698/1-I/1/06, betreffend Kündigung eines provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (§ 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 idF 1983/659;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 idF 1983/659;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand zwischen 1. September 2004 und 31. Mai 2006 als Polizist in einem provisorisch öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Am 9. März 2006 hielt die erstinstanzliche Dienstbehörde dem Beschwerdeführer - zusammengefasst - folgenden Sachverhalt vor:

Er habe im Jahr 2003 M in einem Nachtclub kennen gelernt, wo diese als Prostituierte gearbeitet habe, was ihm auch bekannt

gewesen sei. Seit 23. Dezember 2005 sei

er mit ihr verheiratet. Weiters habe er die gleichfalls als Prostitutierte tätige O am 6. Jänner 2004 mit seinem Pkw von Rumänien nach Österreich gebracht und sie in Graz aussteigen lassen. Im Kalenderjahr 2004 habe er O und M gestattet in seiner Wohnung in Wien zu wohnen. Zu diesem Zeitpunkt sei er dem Bildungszentrum Kärnten/Krumpendorf zur Ausbildung als Polizeischüler zugewiesen gewesen. Anfang Dezember 2004 habe er seine Wohnung versperrt vorgefunden. Er habe seinen Bruder zum gewaltsamen Öffnen der Wohnung ersucht, wo er O mit zwei halbnackten Männern vorgefunden habe. M sei demgegenüber zu diesem Zeitpunkt in einem Wiener Neustädter Bordell aufhältig gewesen und dort der Prostitution nachgegangen. Im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Bordellbetreiber sei es zu einem Polizeieinsatz gekommen, worauf sich der Beschwerdeführer mit seinem Polizeiausweis ausgewiesen habe.

Darüber hinaus lägen Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer in Richtung der Begehung verschiedener strafbarer Handlungen vor, zu welchen Erhebungen gepflogen würden.

Jedenfalls sei aber als erwiesen anzunehmen, dass er engen Kontakt zum Prostituiertenmilieu pflege, was - unbenommen vom Ausgang der zuletzt erwähnten Erhebungen - ein pflichtwidriges Verhalten des Beschwerdeführers indiziere und somit den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979) darstelle.

In einer Eingabe vom 14. März 2006 rechtfertigte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass er O seinerzeit mit seinem Pkw lediglich auf Drängen von M nach Österreich mitgenommen habe. Aus welchem Grund O nach Österreich einreisen habe wollen, habe er nicht gewusst. Er habe auch weder als Gast ein Bordell aufgesucht, noch sonst die Nähe zum Rotlichtmilieu gesucht. Im Zeitpunkt des Nächtigungsanbotes an M habe er nicht gewusst, dass diese der Prostitution nachgehe; ebenso wenig sei ihm die Beschäftigung der O zu dieser Zeit bekannt gewesen. Nachdem er erfahren habe, dass seine jetzige Frau erneut der Prostitution nachgehe, habe er sie gebeten diese Beschäftigung aufzugeben und ein geregeltes Leben zu führen. Seit dieser Zeit führe er mit seiner Frau eine glückliche Beziehung und ein geregeltes Leben. Er habe nie mit einer Prostituierten eine Beziehung eingehen wollen; deshalb habe er seine jetzige Frau vor Aufnahme einer Lebensgemeinschaft vor die Wahl gestellt. Da sie ihm versichert habe, nicht mehr der Prostitution nachzugehen und sich ein geregeltes Leben aufzubauen, habe er beschlossen, die Beziehung weiterzuführen. Da er als Soldat und später Polizeischüler selten in Wien aufhältig gewesen sei, habe er nicht ahnen können, dass M ohne sein Wissen gelegentlich der Prostitution nachgegangen sei.

Mit Bescheid des Landespolizeikommandanten von Wien vom 28. März 2006 wurde das mit dem Beschwerdeführer am 1. September 2004 begründete provisorische Dienstverhältnis gemäß § 10 Abs. 2 und Abs. 4 Z 4 BDG 1979 mit Wirksamkeit vom 31. März 2006 gekündigt. Weiters wurde ausgesprochen, dass unter Beachtung der im § 10 Abs. 2 BDG 1979 vorgesehenen Kündigungsfrist von zwei Kalendermonaten das Dienstverhältnis mit Ablauf des 31. Mai 2006 ende. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der angewendeten Rechtsvorschriften aus, es sei "auf Grund der Aktenlage und der Erhebungen des LKA NÖ" von folgenden erwiesenen Fakten auszugehen:

Der Beschwerdeführer sei am 6. Jänner 2004 mit O von Rumänien nach Österreich eingereist. Er habe sie am 8. Jänner 2004 nach Graz gebracht, wo sie in einer Unterkunft für Prostituierte Aufenthalt genommen habe. Nach den Behauptungen der O habe er sie dem Bordellbesitzer der X-BAR vorgestellt. Auch habe er ein Fernsehgerät in die Prostituiertenwohnung der O gebracht. Am 29. Jänner 2004 und am 6. Juni 2004 sei er mit M aus Rumänien eingereist. Er habe auch noch als Polizeischüler Kenntnis davon gehabt, dass M und O nach wie vor der Prostitution nachgingen. Dennoch habe er weiterhin Kontakt zu ihnen gehalten. O habe 2004 mit seinem Einverständnis seine Wohnung in Wien bewohnt, während er im Ausbildungszentrum in Kärnten aufhältig gewesen sei. Am 28. November 2004 habe er, nachdem er die Wohnung gewaltsam habe öffnen lassen, O mit zwei halbnackten Männern angetroffen. M sei zwischen 18. November 2004 und 5. Jänner 2005 in Wiener Neustadt der Prostitution nachgegangen. Am 1. Dezember 2004 habe der Beschwerdeführer in einem Bordell eine Auseinandersetzung mit dem Betreiber gehabt, welche zu einem polizeilichen Einschreiten geführt habe; der Beschwerdeführer habe sich aus diesem Anlass mit einem Polizeidienstausweis legitimiert.

Die erstinstanzliche Behörde ging davon aus, dass ein Kontakt "zum Prostituiertenmilieu" den im § 43 Abs. 2 BDG 1979 umschriebenen allgemeinen Dienstpflichten widerspreche. Dieser Kontakt während seines Bundesdienstverhältnisses habe sich in der Gewährung der Unterkunft für O in seiner Wohnung sowie im Aufsuchen des Bordells, in welchem M tätig gewesen sei (mit anschließender Auseinandersetzung mit dem Betreiber) geäußert. Hiedurch sei der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 verwirklicht.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er Folgendes vorbrachte (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"1. Gemeinsame Einreise mit O am 6.1.2004 von Rumänien nach Österreich.

Ich habe O auf Bitte meiner Frau von Rumänien mit nach Österreich genommen; auf Grund der Tatsache, dass ich in Rumänien eine Immobilie erworben hatte, war ich mehrmals in Rumänien aufhältig. Wiederholt wurde ich bei meinen Aufenthalten nach einer Mitfahrgelegenheit gefragt. Lehnte bis in diesem Fall stets ab, da es ohnedies Personenbeförderungsuntermehmen gibt.

2. Am 08.01.2004 brachten Sie O nach Graz, wo diese in einer Unterkunft für Prostituierte Aufenthalt nahm; lt. O hätten Sie dem Bordellbesitzer der X-BAR vorgestellt. Einige Tage später brachten Sie ein Fernsehgerät in die Prostituiertenwohnung der O.

Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in keinem prov. Dienstverhältnis mit der BPD. Ich habe O, mit der ich mich nicht verständigen konnte, auf Grund eines Zettels, den sie mir gab, nach Graz gefahren. Weder brachte ich sie in die X-BAR noch stellte ich sie dem Besitzer vor. ...

3. Gemeinsame Einreise mit M aus Rumänien am 29.01.2004 und 06.06.2004

Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in keinem prov. Dienstverhältnis mit der BPD. M, meine jetzige Frau war zu diesem Zeitpunkt meine Freundin; da meine jetzige Frau einen minderjährigen Sohn in Rumänien hat, war es für mich selbstverständlich, dass sie regelmäßig ihre Familie besuchen wollte. Meine jetzige Frau verfügte über kein Kfz und besitzt auch derzeit kein Kfz. Für mich ist und war es selbstverständlich sie nach Rumänien zu begleiten, des weiteren kaufte ich eine Immobilie und besichtigte mehrere.

4. Kenntnis, dass M bzw O der Prostitution nachgingen - dies auch zu einem Zeitpunkt, wo Sie bereits Polizeischüler waren. Zudem hielten Sie auch als Sie bereits Polizeischüler waren Kontakt zu beiden Prostituierten.

Als normal denkender Mitteleuropäer mit hohen moralischen Werten, wollte und konnte ich auf keinen Fall mit einer Prostituierten eine Beziehung eingehen, daher stellte ich meine jetzige Frau vor die Wahl. Da sie mir versicherte nicht mehr dieser Beschäftigung nachzugehen und sich ein geregeltes Leben aufzubauen, beschloss ich die Beziehung weiterzuführen. Dass meine Frau gelegentlich weiter der Prostitution nachging war mir nicht bekannt. Ebenso hatte ich keine Kenntnis welcher Beschäftigung O zu der Zeit nachging, als ich Polizeischüler war. Mein Kontakt zu

O war ohnedies kaum vorhanden. Lediglich durch meine jetzige Frau hatte ich selten Kontakt zu O. Mit wem meine Frau Kontakt hatte (O) konnte ich nicht entscheiden. Ich für meine Person mied jedoch den Kontakt zu O.

5. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu: Die Prostituierte O bewohnte 2004 mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung in Wien 3, während Sie ua. im Bildungszentrum Kärnten aufhältig waren. Am 28.11.2004 wurde in dieser Wohnung O mit 2 halbnackten Männern angetroffen, nachdem Sie die Wohnung gewaltsam öffnen ließen.

Da ich die Miete für die Wohnung bezahlte und doch in Kärnten Polizeischüler war, kündigte ich den Mietvertrag für die Wohnung in Wien noch 2004. Da ich jedoch 3 Monate Kündigungsfrist hatte, erlaubte ich meiner jetzigen Frau meine Wohnung zu benutzten und bat sie darum, die Wohnung stets in Ordnung zu halten. Weiters bat mich meine Frau darum, O zeitweise in der Wohnung nächtigen zu lassen. Da ich die Wohnung ohnedies kündigte und ich beiden vertraute, willigte ich unter der folgenden Bedingungen ein: 'Die Wohnung muss stets gepflegt sein und es dürfen keine anderen Personen die Wohnung betreten.'

Da meine jetzige Frau telefonisch nicht mehr erreichbar war, begab ich mich nach Wien, um nach meiner Mietwohnung zu sehen. Diese fand ich von innen versperrt vor. Auf Grund dieser Tatsache öffnete mein Bruder SC die Wohnung. Mein Bruder, der beruflich diesbezüglich über Fachkenntnisse verfügt, gab dies ebenfalls in einer Niederschrift beim LKA NÖ an.

Dass O sich mit 2 halbnackten Männern in der Wohnung befand war mir nicht bekannt und schockierte mich tief. Mein Vertrauen wurde schwer missbraucht.

6. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu: M ging auch noch von 18.11.2004 bis 5.01.2005 der Prostitution in Wiener Neustadt/Bordell E-BAR nach.

Wie ich in meiner Niederschrift angab, war mir diese Tatsache nicht bekannt. Erst als ich M auf Grund eines Verdachtes, den ich schöpfte, in der E-BAR in Wiener Neustadt antraf, wurde mir bekannt, dass sie der Prostitution erneut nachging. Es war persönlich für mich sehr schmerzhaft sie dort vorzufinden. Alle Bemühungen meinerseits, meiner jetzigen Frau ein geregeltes Leben zu ermöglichen, waren vergebens gewesen. Beide Frauen hatten mein Vertrauen ausgenutzt und mir damit sehr geschadet. Diese Vorfälle lasteten persönlich schwer an mir, jedoch ließen weder meine Leistungen in der Schule nach, noch war mein positives Verhalten im Dienst dadurch verändert. Ich suchte weder den Kontakt zum Prostituiertenmilieu noch zu Prostituierten. Ich wollte lediglich meine damalige Freundin M ausfindig machen, da sie sich telefonisch nicht mehr meldete und sich O mit zwei Männern in meiner Wohnung befand.

7. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu: Vorfall im Bordell E-BAR am 1.12.2004, wo Sie eine Auseinandersetzung mit dem Bordellbetreiber hatten, der zu einem polizeilichen Einschreiten führte und Sie sich mit einem Polizeidienstausweis legitimierten.

Da ich die Meldedaten von O wusste (siehe Niederschrift LKA NÖ) folgerte ich daraus, dass M ebenfalls dort aufhältig war. Ich wollte meine damalige Freundin zu dem Vorfall in meiner Wohnung befragen und darüber Kenntnis erlangen, ob sie erneut der Prostitution nachging. Da sie mir doch versichert hatte dieser Tätigkeit nicht mehr nachzugehen. Ich betrat die E-BAR und fand M in eindeutiger Kleidung einer Prostituierten vor. Ich war sehr gelassen und bat sie um ein Gespräch unter vier Augen. Der Lokalbesitzer bemerkte, dass ich M bekannt war und stellte mich zur Rede. Ich erklärte ihm weder unhöflich noch in lautem Ton, dass diese Frau meine Freundin sei und ich nicht verstehen könne wieso sie sich hier aufhalte. Dieser forderte mich auf das Lokal zu verlassen, da M bei ihm arbeite und ich kein Gast sei.

Ich folgte dieser Aufforderung widerstandslos und begab mich zum Eingang wo bereits Polizeibeamte eintrafen. Wer die Polizei verständigte, ist mir nicht bekannt. Beiden Polizisten zeigte ich meinen Dienstausweis und erklärte ihnen den Sachverhalt. Genauso hätte ich meinen Führerschein vorlegen können. Es wurde nur ein Lichtbildausweis verlangt. Hätte es eine Auseinandersetzung gegeben wären die Beamten bestimmt auf eine andere Art und Weise eingeschritten oder hätte der Lokalbesitzer rechtliche Schritte gegen mich eingeleitet. Dies war aber nicht der Fall.

Ich bin mir bezüglich meines außerdienstlichen Verhaltens keiner Schuld bewusst, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung meiner dienstlichen Aufgaben beseitigen könnte. Ich hatte lediglich persönliche Tiefschläge durch die Beziehung zu meiner jetzigen Frau erlitten. Meine Frau ist nun jedoch begünstigte Drittstaatangehörige mit einem gültigen Aufenthaltstitel und kann durch eine ordentliche Beschäftigung für ihr Kind und ihren Lebensunterhalt aufkommen. Auf Grund meiner Erläuterungen und meines Einspruchs gegen den Bescheid meiner Kündigung ersuche ich Sie das Kündigungsverfahren einzustellen."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 2006 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verfolge die Institution des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur solche Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprächen, die an einen Beamten im Allgemeinen, wie im Hinblick auf die Verwendung, für die er aufgenommen worden sei, gestellt werden müssten. Das provisorische Dienstverhältnis solle also dazu dienen, den Beamtennachwuchs nochmals zu sieben, um alle nicht voll den Anforderungen entsprechenden Beamten vor der Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausschließen zu können.

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 habe der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe.

Die belangte Behörde nahm folgende "Punkte" als erwiesen an:

"1. Sie haben Ihre jetzige Ehefrau M am 10.3.2003 im Bordell/Nachtclub G in Wien kennen gelernt und wussten, dass diese der Prostitution nachging;

2. Gemeinsame Einreise mit O am 6.1.2004 von Rumänien nach Österreich;

3. Am 8.1.2004 brachten Sie O nach Graz, wo diese in einer Unterkunft für Prostituierte Aufenthalt nahm;

  1. 4. Mehrere gemeinsame Einreisen mit M aus Rumänien;
  2. 5. Kenntnis, dass M bzw. O der Prostitution nachgingen -dies auch zu einem Zeitpunkt, wo Sie bereits Polizeischüler waren. Zudem hielten Sie auch als Sie bereits Polizeischüler waren weiterhin Kontakt zu beiden Prostituierten.

    6. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu; die Prostituierte O bewohnte 2004 mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung in Wien 3. während Sie u.a. im Bildungszentrum Kärnten aufhältig waren. Am 28.11.2004 wurde in dieser Wohnung O mit 2 halbnackten Männern angetroffen, nachdem Sie die Wohnung gewaltsam öffnen ließen.

    7. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu; M ging auch noch von 18.11.2004 bis 5.1.2005 der Prostitution in Wiener Neustadt/Bordell E-BAR nach.

    8. Kontakt mit dem Prostituiertenmilieu; Vorfall im Bordell E-BAR am 1.12.2004, wo Sie eine Auseinandersetzung mit dem Bordellbetreiber hatten, der zu einem polizeilichen Einschreiten führte und Sie sich mit einem Polizei-Dienstausweis legitimierten"

    Auf Grundlage dieser Feststellungen bestehe ein Kontakt des Beschwerdeführers "zum Prostituiertenmilieu seit dem Kalenderjahr 2003", welcher auch nach Begründung seines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses aufrechterhalten worden sei.

    Das wiedergegebene Berufungsvorbringen ändere nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer fortwährend Kontakt zum Prostituiertenmilieu gehabt habe, in welchem es vermehrt zu polizeilichen Maßnahmen komme, sodass ein Exekutivbediensteter keine solche Nahebeziehung zu diesem Milieu unterhalten dürfe. Es liege nicht bloß eine geringfügige Pflichtwidrigkeit, die auf bloßer Nachlässigkeit beruhe, sondern eine schwer wiegende Dienstpflichtverletzung vor.

    Dieser fortwährende Kontakt stelle ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 dar. Es sei davon auszugehen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Exekutivbediensteten nicht erhalten bleiben könne, wenn dieser Beamte selbst mit Anlastungen (Freiheitsentzug, Nötigung und Menschenhandel), die ja durch Zeugenaussagen und Protokollen untermauert würden, in Verbindung gebracht werde.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

    Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (23. Mai 2006) ist § 10 BDG 1979 vorliegendenfalls in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 659/1983, maßgebend.

Er lautet (auszugsweise):

"§ 10 (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.

(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid

gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt

während der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses

(Probezeit) ...................................................1 Kal

endermonat,

nach Ablauf der Probezeit ............................2

Kalendermonate

und nach Vollendung des zweiten Dienstjahres .... 3

Kalendermonate.

Die Kündigungsfrist hat mit Ablauf eines Kalendermonates zu enden.

(3) Während der Probezeit ist die Kündigung ohne Angabe von Gründen, später nur mit Angabe des Grundes möglich.

...

(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:

...

4. pflichtwidriges Verhalten."

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf ihre Rechtsauffassung, wonach auf Grund der von ihr im angefochtenen Bescheid als erwiesen angenommenen "Punkte" der Kündigungsgrund des pflichtwidrigen Verhaltens (§ 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979) vorliege, wobei sie es in diesem Zusammenhang nicht erforderlich hielt, auf das vom Beschwerdeführer in seiner Berufung erstattete Tatsachenvorbringen beweiswürdigend einzugehen. Jedenfalls bei Zutreffen dieses Berufungsvorbringens im Tatsachenbereich könnte aus folgenden Erwägungen vom Vorliegen des Kündigungsgrundes gemäß § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 nicht ausgegangen werden:

Eine Dienstpflichtverletzung kommt - wie auch die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nur für den Zeitraum nach Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers am 1. September 2004 in Betracht.

Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung habe er von dem Umstand, dass seine damalige Freundin M auch nach Begründung seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eine gelegentliche Tätigkeit als Prostituierte wieder aufgenommen habe, erst am 1. Dezember 2004 Kenntnis erlangt. Die Beschäftigung der O während des Zeitraumes seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses sei ihm nicht bekannt gewesen. Die Zustimmung zur Benutzung seiner Wohnung durch M und O habe er unter der ausdrücklichen Bedingung erteilt, dass keine anderen Personen diese betreten dürften. Sein Aufsuchen der E-BAR am 1. Dezember 2004 habe zur Abklärung der Frage gedient, ob seine damalige Freundin erneut der Prostitution nachgehe.

Dieses vom Beschwerdeführer behauptete Verhalten wäre wie folgt zu würdigen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte "in seinem gesamten Verhalten" den Schluss zu, dass hiedurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen.

Dieser so genannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das außerdienstliche Verhalten des Beamten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten des Beamten diesen Dienstbezug aufweist, ist ein strengerer Maßstab (nicht bloßes geringfügiges Fehlverhalten) anzulegen als bei dienstlichem Fehlverhalten. Dies folgt aus der mit dem Wortlaut zu vereinbarenden Absicht des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten für den außerdienstlichen Bereich (Freizeitverhalten) einzuschränken. In diesem Sinn führen auch die Erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zum BDG 1979, 11 BlgNR 15. GP zu § 43 auf Seite 85 aus, im Gegensatz zur Dienstpragmatik und Lehrerdienstpragmatik, die die Verletzung von Amts- und Standespflichten unter disziplinäre Sanktion stellten, sei nach dem BDG nur mehr die Verletzung von Dienstpflichten disziplinär zu ahnden. Der in der DP und in der LDP enthaltene Gesetzesbefehl zur Wahrung des Standesansehens habe häufig zu einem Eindringen des Staates in die Privat- und Intimsphäre von Beamten geführt. Dies solle in Hinkunft grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Dies solle allerdings nicht bedeuten, dass sich der Begriff "Dienstpflichten" ausschließlich auf das Verhalten des Beamten in Ausübung seines Dienstes beschränke und die Disziplinarbehörde nicht in besonders krassen Fällen auch das außerdienstliche Verhalten zu überprüfen hätte. Als Beispiele führen die Erläuternden Bemerkungen an anderer Stelle Trunkenheitsexzesse und Gewalttätigkeiten an (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418 = Slg. Nr. 14.221/A, mit weiteren Hinweisen, und vom 23. November 2005, Zl. 2004/09/0220).

Der Umstand, "Beamter zu sein", rechtfertigt nicht jeglichen Eingriff in private Lebensverhältnisse desselben, sondern es muss bei der Beurteilung des außerdienstlichen Verhaltens als Dienstpflichtverletzung in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem (geschützten) privaten Lebensbereich des Beamten und seiner konkreten dienstlichen Aufgabenstellung vorgenommen werden (vgl. hiezu den Bescheid der Berufungskommission vom 22. März 2000, Zl. 130/7-BK/99, mit weiteren Hinweisen). In diesem Zusammenhang hat die Disziplinaroberkommission in ihrem Bescheid vom 30. November 1999, Zl. 37/16-DOK/99, auch ausgesprochen, dass zwischenmenschliche Kontakte zu einer - in der Folge noch dazu ehemaligen - Animierdame, die nicht die Intensität einer Lebensgemeinschaft erreichen, im Sinne des durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Privatleben auch einem Exekutivbeamten gestattet sein müssen.

Davon ausgehend kann in außerhalb des Rotlichtmilieus gepflogenen rein privaten Kontakten des Beschwerdeführers zu seiner damaligen "Freundin" M keinesfalls eine Dienstpflichtverletzung erblickt werden, und zwar unabhängig davon, ob er sich in Kenntnis davon befunden hat, dass diese eine Tätigkeit als Prostituierte wieder aufgenommen hatte oder nicht.

In Ansehung der O lässt der angefochtene Bescheid zunächst vermissen, welche Art von Kontakten der Beschwerdeführer nach Begründung seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (mit Ausnahme der Überlassung seiner Wohnung; hiezu später) bzw. wie häufig er diese gepflogen haben soll und aus welchem Grund sein Vorbringen, er habe solche eher gemieden, unglaubwürdig erscheine. Ebenso wenig enthält der angefochtene Bescheid eine Begründung für die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei der Umstand, dass O auch während seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses der Prostitution nachgegangen sei, bekannt gewesen.

Was die Zurverfügungstellung seiner Wohnung an O betrifft, ist Folgendes auszuführen:

Wohl trifft es zu, dass sich für einen Exekutivbeamten aus § 43 Abs. 2 BDG 1979 die Verpflichtung ergibt, sich der Förderung bzw. Unterstützung der Ausübung von Prostitution zu enthalten (vgl. hiezu auch das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 23. November 2005). Dazu würde insbesondere die Zurverfügungstellung einer Wohnung an eine Prostituierte zwecks Ausübung der Prostitution zählen. Solches wäre dem Beschwerdeführer aber nicht einmal auf Basis der von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsannahmen (dass der Vorfall vom 28. November 2004 mit der Ausübung von Prostitution durch O in Zusammenhang gestanden wäre, wurde von der belangten Behörde nämlich nicht festgestellt) vorzuwerfen.

Einzuräumen ist in diesem Zusammenhang weiters, dass einen Exekutivbeamten wohl auch die Verpflichtung trifft, jeglichen Eindruck einer Unterstützung und Förderung der Ausübung von Prostitution zu vermeiden. Auf Basis seines Berufungsvorbringens hat der Beschwerdeführer die Zurverfügungstellung seiner Wohnung an M und O an die ausdrückliche Bedingung geknüpft, keinen weiteren Personen das Betreten derselben zu gestatten. Damit hat er zur Vermeidung des Entstehens des oben umschriebenen Eindruckes hinreichende Vorsorge getroffen, es sei denn, es wären Umstände vorgelegen, auf Grund derer der Beschwerdeführer damit hätte rechnen müssen, dass O diese Weisung missachten werde. Die vom Beschwerdeführer allenfalls zu vermutende Tätigkeit der O als Prostituierte im Jänner 2004 (der Beschwerdeführer gestand in einer niederschriftlichen Einvernahme zu, aus Anlass der Anlieferung eines Fernsehgerätes in die damalige Wohnung der O einen diesbezüglichen Verdacht geschöpft zu haben, worauf sich freilich die belangte Behörde in dem von ihr als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht berufen hat) reicht für das Vorliegen solcher Indizien freilich nicht aus.

Was schließlich den Vorfall am 1. Dezember 2004 betrifft, gilt Folgendes:

Es mag auch hier zutreffen, dass ein Exekutivbeamter, der eine private Beziehung zu einer Prostituierten unterhält, ein Aufsuchen seiner Partnerin während der Ausübung ihrer Tätigkeit tunlichst zu unterlassen hat, gerade um den Eindruck einer persönlichen Einbindung in das Rotlichtmilieu zu vermeiden. Dieser grundsätzlichen Position stand bei der hier vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhaltskonstellation freilich ein nicht unberechtigtes, im Rahmen des Rechtes auf Privatleben geschütztes Interesse an einem Zusammentreffen mit M zur Klärung der weiteren Entwicklung ihrer persönlichen Beziehung gegenüber. Soweit man in der Kontaktaufnahme mit M in jenem Bordell, in dem sie die Prostitution ausübte, und in dem Versuch, dort mit ihr ein Gespräch zu führen, dessen ungeachtet ein außerdienstliches Fehlverhalten erblicken wollte, wäre dies bloß geringfügig und daher nicht geeignet, den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 zu verwirklichen.

Indem die belangte Behörde in offensichtlicher Verkennung der dargelegten Rechtslage eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung als bedeutungslos ansah, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war, zumal die am Schluss der Bescheidbegründung enthaltenen Andeutungen eines Tatverdachtes in Richtung "Freiheitsentzug, Nötigung und Menschenhandel" in Ermangelung näherer Feststellungen (nach den Behauptungen des Beschwerdeführers wurde das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt) keinesfalls geeignet sind, den Spruch des angefochtenen Bescheides zu tragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 14. Juni 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte