VwGH 2006/10/0095

VwGH2006/10/009529.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde

1. des Dr. R B in Wien, 2. des DI N S in Graz, 3. der Mag. A K in Graz und 4. der E S in Graz, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Kiechl, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 115/9, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. September 2005, Zl. U-13.823/3, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Kiechl, und des Vertreters der belangten Behörde, Dr. Kurt Kappeller, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 lita;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs8;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2 lita;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs2;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 948,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das den Eratz der mit Verpflegung und Unterkunft verbundenen Kosten betreffende Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte (BH) vom 22. April 2005 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines näher beschriebenen Siedlungsprojekts auf den Grundstücken Nr. 160/2, 160/3 und 160/5, jeweils KG L sowohl in der Variante 1 (Errichtung von 19 Wohneinheiten) als auch in der Variante 2 (Errichtung von 17 Wohneinheiten) gemäß den §§ 7 Abs. 2 lit. a Z. 1 und 2, 9 sowie 29 Abs. 6 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (Tir NatSchG), abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dem Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen zu Folge handle es sich bei den vom Projekt betroffenen Grundstücken um ein Feuchtgebiet im Sinn des § 3 Abs. 8 Tir NatSchG. Weiters verlaufe zwischen den Grundstücken Nr. 160/2 und 160/3 ein Bach (Grundstück Nr. 1627/1, KG L), der durch die beantragten Maßnahmen gleichfalls unmittelbar betroffen werde. Betreffend die Lage der Grundstücke außerhalb geschlossener Ortschaft sei festzustellen, dass die Grundfläche zwar westlich an die geschlossene Ortschaft angrenze, aber nicht von mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend umschlossen sei. Im Zuge der Ausführung des beantragten Siedlungsprojekts sei geplant, den Bach zu ver- bzw. überbauen. Im Uferschutzbereich würden Geländeabtragungen und -aufschüttungen vorgenommen und Anlagen errichtet. Es würde Material eingebracht, die Bodenoberfläche verändert, Entwässerungen vorgenommen und dgl. Die künftige Nutzung werde hinsichtlich Art und Umfang jedenfalls über die bisherige Nutzung hinausgehen. Das Vorhaben sei nicht nur gemäß § 7 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG, sondern auch gemäß § 9 Tir NatSchG bewilligungspflichtig. Den Darlegungen im Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen zufolge würden durch das Projekt sämtliche naturschutzgesetzlich geschützten Güter beeinträchtigt, insbesondere würde der bestehende Feuchtgebietskomplex vollständig zerstört. Im Sinne des § 29 Abs. 2 lit. a Z. 2 Tir NatSchG sei daher eine Interessenabwägung vorzunehmen gewesen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten als langfristige öffentliche Interessen geltend gemacht, es sei auf Grund der Bevölkerungsentwicklung im Großraum Reutte mit einem erhöhten Bedarf an Wohnflächen zu rechnen, dem durch das Projekt in preisgünstiger und architektonisch anspruchsvoller Weise entsprochen werde. Im Übrigen sei das Projekt wertvoll für die Entwicklung und das Ortsbild der Gemeinde L. Angesichts des derzeit vorhandenen Baulandüberschusses in der Gemeinde - die Baulandreserven seien für ca. 70 bis 100 Jahre ausreichend - sowie des Umstandes, dass aus der Sicht der Raumordnung sowie der Ortsplanung dem Erhalt der ökologisch wertvollen Flächen der Vorrang zukomme, überwiege das von den beschwerdeführenden Parteien geltend gemachte öffentliche Interesse jenes an der Vermeidung der festgestellten Beeinträchtigungen eindeutig nicht. Die beantragte Bewilligung sei daher zu versagen gewesen.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Berufung, in der sie vorbrachten, die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien "quasi" von bebautem Gebiet "eingekreist"; diese lägen daher innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Überdies seien zahlreiche von ihnen vorgebrachte Argumente nicht geprüft worden, unter anderem, dass ohne die beantragte Bauführung inmitten des Ortes willkürlich Freiland bestehen bliebe und der Eindruck der Zersiedelung hervorgerufen würde. Auch handle es sich bei der betroffenen Fläche um keine "gewachsene Landschaft", sondern um eine, die mangels Bewirtschaftung durch einige Jahre zufällig entstanden sei. Ungeprüft gelassen habe die Behörde weiters den architektonischen Aspekt, die Auswirkungen der Investitionen und die entsprechenden Wirtschaftsimpulse für die Gewerbebetriebe der Umgebung. Die eigentumsbeschränkenden Regelungen des Tir NatSchG seien im Übrigen verfassungswidrig.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. September 2005 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es stehe auf Grund des - von den beschwerdeführenden Parteien unbestritten gebliebenen - naturkundefachlichen Gutachtens fest, dass es sich bei der in Rede stehenden Fläche um einen Biotopkomplex handle, der aus Feuchtwiesen, wasserführenden Gräben, Weidengebüschen, Bruchwäldern und Waldteilen bestehe. Dieser werde im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde als Moorfeuchtgebietskomplex sowie als Bruch- und Auenwald bezeichnet. Es handle sich dabei um ein Feuchtgebiet im Sinne des § 3 Abs. 8 Tir NatSchG, beim Bach um ein Gewässer im Sinn des § 3 Abs. 7 Tir NatSchG. Betreffend die Lage der Grundstücke außerhalb geschlossener Ortschaften - nur insoweit bestehe Bewilligungspflicht nach den §§ 7 und 9 iVm § 29 Tir NatSchG - betrage die Länge der betroffenen Fläche in nordsüdlicher Richtung über 100 m und die Breite in westöstlicher Richtung über 50 m. Diese Fläche grenze im Westen und im äußersten Südwesten an ein zusammenhängend verbautes Wohngebiet. Im Norden sei dieses Wohngebiet von der Fläche durch ein ca. 10 m breites Grundstück getrennt. Im Nordosten grenzten Brachland bzw. landwirtschaftlich genutzte Wiesen an, die sich nach Norden über eine Distanz von mehr als 220 m zum nächsten zusammenhängend bebauten Wohngebiet und nach Osten über eine Distanz von mehr als 300 m zum Lech erstreckten. Auch im Osten grenzten Wiesenflächen an, an die nach ca. 8o m Wohnbebauung anschließe. Im Süden schließlich erstrecke sich auf eine Länge von über 150 m eine freie Fläche bis zur nächsten Bebauung. Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien daher entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien nicht von zusammenhängender Bebauung umschlossen. Ein bloßes Angrenzen an eine geschlossene Ortschaft bedeute noch keine Lage innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Eine Realisierung des beantragten Siedlungsprojekts würde nach den Darlegungen des naturkundefachlichen Sachverständigen zu einer vollständigen Zerstörung des Feuchtgebietkomplexes und damit zu schweren Beeinträchtigungen des Lebensraumes von Pflanzen und Tieren sowie des Naturhaushaltes führen, weiters zu Beeinträchtigungen des Erholungswertes und des Landschaftsbildes. Auch bei Realisierung der Variante 2, die das Feuchtbiotop im Ausmaß von ca. einem Drittel erhalten wolle, sei keine nennenswerte Minderung der Beeinträchtigungen zu erwarten, weil das Feuchtgebiet diesfalls in zwei Teilbereiche getrennt und von den geplanten Einrichtungen umschlossen würde, sodass es von der Umgebung abgeschlossen wäre. Was schließlich das öffentliche Interesse am beantragten Projekt anlange, sei die Fläche als "ökologische Freihaltefläche" gewidmet, sie werde im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde zu den naturkundlich besonders wertvollen Freihalteflächen gezählt und ihre Erhaltung und Pflege als Ziel bezeichnet. Das Projekt der beschwerdeführenden Parteien stehe im Widerspruch zum öffentlichen Planungsinteresse der Gemeinde. Weiters würden die Baulandreserven der Gemeinde - aus der Sicht der Raumordnung - für ca. 70 bis 100 Jahre ausreichen. Die Errichtung des Siedlungsprojektes liege primär im privaten Interesse der beschwerdeführenden Parteien. Es fehle jedes Anzeichen dafür, dass übergeordnete öffentliche Ziele bzw. langfristige öffentliche Interessen verfolgt würden. Angesichts der Größenordnung des Projekts seien langfristige bedeutsame Auswirkungen auf Wirtschaft, Bevölkerungsentwicklung und Finanzlage vernachlässigbar. Eine Verwirklichung des architektonischen Anliegens sei auch nicht an eine Realisierung auf den in Rede stehenden Grundstücken gebunden - im Unterschied zu den bei einer Zerstörung des Biotops "unwiederbringlichen Naturschutzinteressen". Mangels eines nennenswerten langfristigen öffentlichen Interesses am beantragten Projekt könne eine Interessenabwägung nicht zu dessen Gunsten ausschlagen.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 6. März 2006, B 3394/05, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 bedürfen außerhalb geschlossener Ortschaften im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 u.a. das Ausbaggern (a) sowie die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen (b) einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Gemäß § 7 Abs. 2 Tir NatSchG bedürfen außerhalb geschlossener Ortschaften im Bereich

a) der Uferböschung von fließenden natürlichen Gewässern und eines 5 m breiten von der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens und

b) eines 500 m breiten, vom Ufer stehender Gewässer mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 landeinwärts zu messenden Geländestreifens

1. die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden und

2. Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Gemäß § 9 Tir NatSchG bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

  1. a) das Einbringen von Material;
  2. b) das Ausbaggern;
  3. c) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

    d) jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung;

    e) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche;

  1. f) Entwässerungen;
  2. g) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

    Eine naturschutzrechtliche Bewilligung darf gemäß § 29 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG für Vorhaben u.a. nach den §§ 7 Abs. 2 und 9 nur erteilt werden,

    1) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

    2) wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

    § 1 Abs. 1 Tir NatSchG normiert als Interessen des Naturschutzes, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, das

  1. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
  2. b) ihr Erholungswert,
  3. c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

    d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

    bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, das Siedlungsprojekt der beschwerdeführenden Parteien würde (in beiden zur Bewilligung eingereichten Varianten) ein außerhalb geschlossener Ortschaft bestehendes Feuchtgebiet zerstören und solcherart die Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 Tir NatSchG beeinträchtigen. Da an der Realisierung des Projekts keine nennenswerten öffentlichen Interessen bestünden, könne den beschwerdeführenden Parteien die begehrte Bewilligung nicht erteilt werden.

    Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, eine Verwirklichung ihres Projekts würde ein Feuchtgebiet vollständig zerstören. Sie bestreiten, dass ein "schützenswertes" Feuchtgebiet vorliege. Der bestehende Sumpf habe sich spontan gebildet, weil die Grundeigentümer es durch Jahre hindurch verabsäumt hätten, zu mähen und zu "roden". Es handle sich um "keinen gewachsenen Lebensraum". Im Übrigen seien die von der Behörde getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, weil zwar auf einzelne Pflanzenarten hingewiesen, im Übrigen gefährdete Pflanzen und Tiere aber nur pauschal genannt würden.

    Gemäß § 3 Abs. 8 Tir NatSchG ist ein Feuchtgebiet ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

    Um von einem Feuchtgebiet im Sinne dieser Bestimmung sprechen zu können, kommt es nach ständiger Judikatur entscheidend darauf an, dass es sich um einen vom Wasser geprägten, in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handelt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2006, Zl. 2004/10/0173 und die vorzitierte Vorjudikatur).

    Im Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen wurde die vom Projekt der beschwerdeführenden Parteien betroffene Fläche als ein von kleinen Fließgewässern durchzogener Bereich mit kleinen, verbrachten Feuchtwiesen, Niedermoorelementen, kaum mehr genutzten Pfeifengraswiesen, Staudenfluren, Weidengebüschen und Herbstzeitlosen-Trespenwiesen beschrieben. In den Pfeifengraswiesen finde sich auch der Kreuzenzian, ebenfalls eine geschützte Pflanzenart. Wie insbesondere auf dem Luftbild zu erkennen sei, grenze sich die betroffene Fläche von den umliegenden intensiv genutzten Fettwiesen deutlich ab. Angesichts dieser Darlegungen, denen die beschwerdeführenden Parteien auf gleicher fachlicher Ebene nicht entgegen getreten sind, ist es nicht zweifelhaft, dass die im § 3 Abs. 8 Tir NatSchG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ob das Feuchtgebiet "natürlich gewachsen" ist, hat im Grunde des § 3Abs. 8 Tir NatSchG jedoch keine Bedeutung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2005, Zl. 2002/10/0165). Das Vorbringen, der bestehende Zustand sei nur deshalb entstanden, weil die Fläche in den letzten Jahren nicht bewirtschaftet worden sei, ist daher nicht zielführend.

    Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich weiters gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Fläche liege außerhalb geschlossener Ortschaft. Sie bringen vor, die betroffenen Grundstücke würden nicht nur westlich an das bebaute Gebiet angrenzen. Sie seien "quasi" von bebautem Gebiet "eingekreist". Gebiete "innerhalb einer Ortschaft" könnten aber nicht als außerhalb geschlossener Ortschaft gelegen angesehen werden. Wenn sogar Park- und Sportanlagen zur geschlossenen Ortschaft zählten, müsse dies auch für unbebautes Bauland gelten. Auch Straßenanlagen und Festplätze müssten bebauten Grundstücken gleichgehalten werden; im Bereich der angrenzenden Grundstücke sei bereits ein Festplatz gewidmet. Im Übrigen seien die Feststellungen der belangten Behörde nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob eine geschlossene Ortschaft gegeben sei.

    Gemäß § 3 Abs. 2 Tir NatSchG ist unter einer "geschlossenen Ortschaft" ein Gebiet zu verstehen, das mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist, wobei der Zusammenhang bei einem Abstand von höchstens 50 m zwischen zwei Gebäuden noch nicht als unterbrochen gilt. Zur geschlossenen Ortschaft gehören auch Parkanlagen, Sportanlagen und vergleichbare andere weitgehend unbebaute Grundstücke, die überwiegend von einem solchen Gebiet umgeben sind. Land- und fortwirtschaftliche Gebäude, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfen, gelten nicht als Betriebsgebäude.

    Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung wird eine zusammenhängende Bebauung durch einen Abstand von höchstens 50 m zwischen zwei Gebäuden nicht unterbrochen. Besteht jedoch ein Abstand von mehr als 50 m zwischen zwei Gebäuden, so liegt insoweit eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhanges vor. Ein Gebäude, das von anderen Gebäuden mehr als 50 m entfernt ist, liegt demnach nicht mehr innerhalb der - durch diese Gebäude gegebenenfalls konstituierten und begrenzten - geschlossenen Ortschaft; auch das Gebiet zwischen diesen Gebäuden und einem davon mehr als 50 m entfernten Gebäude zählt nicht mehr zur geschlossenen Ortschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2007, Zl. 2005/10/0018, und die dort zitierte Vorjudikatur).

    Die beschwerdeführenden Parteien behaupten zwar, dass die von ihrem Projekt betroffene Fläche "quasi von bebautem Gebiet eingekreist" sei, sie behaupten aber nicht, dass es sich um Gebäude handle, die i.S.d. § 3 Abs. 2 Tir NatSchG höchstens 50 m voneinander entfernt wären. Vielmehr sind sie den diesbezüglichen Entfernungsangaben des angefochtenen Bescheides konkret nicht entgegen getreten. Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit der Lage der Fläche innerhalb geschlossener Ortschaft auf das Vorhandensein einer Sportanlage bzw. eines Festplatzes verweist, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Anlagen nur dann zur geschlossenen Ortschaft gehören, wenn sie ihrerseits überwiegend von einem Gebiet umgeben sind, welches mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist. Schon aus diesem Grund ist ihr Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Im Übrigen sind bei Beurteilung des Bebauungszusammenhanges nach dem Gesetz lediglich bestehende Gebäude maßgeblich; auf die bloße Widmung eines Grundstückes kommt es nicht an.

    Betreffend die Auswirkungen des Siedlungsprojektes auf die nach dem Tir NatSchG geschützten Rechtsgüter bestreiten die beschwerdeführenden Parteien, dass es zu einer gänzlichen Zerstörung des Feuchtgebietskomplexes kommen würde: Insbesondere bei Realisierung der zweiten Variante würden die Biotope weitgehend erhalten bleiben. Es könne also nur von einer teilweisen, flächenmäßig beschränkten Zerstörung und daher nur von einer geringfügigen Beeinträchtigung der Naturschutzinteressen ausgegangen werden.

    Anders als die belangte Behörde, die ihre Auffassung, das Projekt der beschwerdeführenden Partei würde in beiden Varianten den Feuchtgebietskomplex vollständig zerstören, auf das naturkundefachliche Gutachten eines Sachverständigen gestützt hat, haben die beschwerdeführenden Parteien eine fachliche Fundierung ihrer Auffassung, das Projekt würde lediglich zu einer nur teilweisen Zerstörung des Feuchtgebietes führen, unterlassen. Selbst wenn man aber annähme, das Feuchtgebiet würde lediglich zu einem Teil zerstört und es bliebe ein Drittel davon erhalten, so führte bereits dieser Umstand dazu, dass eine naturschutzrechtliche Bewilligung im Sinne des § 29 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG davon abhängig wäre, dass andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 überwögen. Selbst eine - nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien - vergleichsweise geringfügige Beeinträchtigung der durch das Tir NatSchG geschützten öffentlichen Naturschutzinteressen lässt eine Bewilligung nämlich nur bei Vorliegen überwiegender langfristiger öffentlicher Interessen zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2007, Zl. 2005/10/0009, und die dort zitierte Vorjudikatur).

    Im Zuge der Interessenabwägung hat die belangte Behörde ein langfristiges öffentliches Interesse am Vorhaben der beschwerdeführenden Parteien verneint. Die betroffene Fläche sei im örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde als ökologische Freihaltefläche gewidmet. Die Festlegungen der Gemeinde im örtlichen Raumordnungskonzept stünden der Errichtung der Siedlungsanlage diametral entgegen. Auch von den beschwerdeführenden Parteien seien keine nennenswerten langfristigen öffentlichen Interessen am Projekt vorgebracht worden, insbesondere nicht, dass das Vorhaben, hochwertige Architektur bei gleichzeitiger Schaffung preisgünstigen Wohnraums zu bieten, ausschließlich am gewählten Ort realisiert werden könne.

    Die beschwerdeführenden Parteien rügen, die belangte Behörde habe verkannt, dass "architektonische, künstlerische, soziologische und ortsplanerische Umstände" ihr Projekt einzigartig machten. In der Steiermark sei ein "Schwesterprojekt" errichtet worden, das zu einem regelrechten "Architekturtourismus" geführt habe. Weder der ortsplanerische Aspekt (eine Freifläche inmitten des Ortes erwecke den Eindruck von Zersiedelung), noch der architektonische Aspekt oder die durch die Errichtung der Anlage bewirkten Wirtschaftsimpulse seien von der belangten Behörde festgestellt und hinreichend gewürdigt worden.

    Mit diesem Vorbringen zeigen die beschwerdeführenden Parteien nicht auf, dass die belangte Behörde das Vorliegen langfristiger öffentlicher Interessen am beantragten Projekt zu Unrecht verneint hätte. Das örtliche Raumordnungskonzept der Gemeinde bringt unbestrittenermaßen zum Ausdruck, dass eine Bebauung der Fläche nicht im örtlichen Raumordnungsinteresse gelegen ist. Das Bestehen von "Baulandreserven", auf denen Projekte, die dem vorliegenden Vorhaben entsprechen, ohne Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen verwirklicht werden könnten, ist weiters ebenso unbestritten wie die Erwartung, dass diese Reserven für ca. 70 bis 100 Jahre ausreichen. Was aber die durch die Errichtung des Vorhabens bewirkbaren Wirtschaftsimpulse anlangt, haben die beschwerdeführenden Parteien selbst nicht dargelegt, inwiefern diese im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde von langfristiger Natur wären.

    Soweit die beschwerdeführenden Parteien die Bestimmungen des Tir NatSchG als verfassungswidrig erachten, weil diese nach ihrer Auffassung ohne angemessenen Ausgleich zu massiven Eigentumsbeschränkungen führten, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG zu stellen. Zu diesem Vorbringen hat der Verfassungsgerichtshof nämlich bereits in seinem Beschluss vom 6. März 2006 ausgeführt, eine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Parteien wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sei als so wenig wahrscheinlich zu erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

    Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Im Beschwerdefall besteht keine Grundlage für die Zuerkennung eines über die zuerkannten Kosten hinausgehenden Betrages. Das in Ansehung von Verpflegung und Unterkunft über die zugesprochenen Pauschbeträge hinausgehende Begehren war daher abzuweisen.

    Wien, am 29. Oktober 2007

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