VwGH 2006/06/0075

VwGH2006/06/00755.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dr. C O in Z, vertreten durch Schreckeneder & Schröder, Rechtsanwälte OEG in 5700 Zell am See, Bahnhofplatz 4/4, gegen den Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 18. Juli 2005 (ohne Geschäftszahl), betreffend Beiträge, zu Recht erkannt:

Normen

RAO 1868 §27 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RAO 1868 §27 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Salzburger Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist (aktiver) Rechtsanwalt im Bundesland Salzburg.

Mit Eingabe an die belangte Behörde vom 7. Oktober 2004 brachte der Beschwerdeführer zunächst vor (Punkt 1 der Eingabe), im Jahr 2004 seien ihm bislang nachstehende Beiträge - im Folgenden kurz als "Zwangsbeiträge" (im Original unter Anführungszeichen) bezeichnet - vorgeschrieben und von seinem Konto abgebucht worden (Anmerkung: diese Beiträge sind auch ziffernmäßig ausgeworfen, das wird hier aber nicht wiedergegeben):

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 (RAO), in der Fassung LGBl. Nr. 93/2003, anzuwenden.

§ 27 Abs. 1 und 2 sowie § 53 RAO lauten:

"§ 27. (1) Der Plenarversammlung sind folgende Angelegenheiten zugewiesen:

a) die Festsetzung ihrer Geschäftsordnung und der des Ausschusses sowie der Satzung der Versorgungseinrichtung;

b) die Wahl des Präsidenten, der Präsidenten-Stellvertreter und der Mitglieder des Ausschusses der Kammer sowie der dem Rechtsanwaltsstand angehörigen Prüfungskommissäre zur Rechtsanwaltsprüfung und der Rechnungsprüfer;

c) die Festsetzung der Ausgaben der Kammer für humanitäre Standeszwecke, soweit diese über die nach den §§ 49 und 50 vorgesehenen Leistungen aus der Versorgungseinrichtung hinausgehen, wobei auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen ist;

d) die Festsetzung der Jahresbeiträge der Kammermitglieder zur Bestreitung der Verwaltungsauslagen der Kammer, der Aufwendungen für Maßnahmen im Interesse der Kammermitglieder, insbesondere für Versicherungen und die Standeswerbung, sowie der Beiträge der Kammermitglieder zur Deckung der Ausgaben im Sinn des Buchstaben c;

e) der Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben sowie die Prüfung und Genehmigung der Rechnungen der Kammer;

f) die Anträge auf Änderung der Sprengel bestehender und Bildung neuer Rechtsanwaltskammern.

(2) Die Beiträge nach Buchstabe d sind für alle Kammermitglieder gleich hoch zu bemessen. In Rechtsanwaltskammern, in denen es wegen besonders großer Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Kammermitglieder erforderlich ist, hat die Beitragsordnung zu bestimmen, dass die Höhe der Beiträge nach Maßgabe des personellen Umfanges oder der Ertragslage der Kanzlei abgestuft wird. Die Beiträge können durch den Ausschuss in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet oder nachgesehen werden."

"§ 53. (1) Die Umlagenordnung hat die Beiträge für die Versorgungseinrichtung so zu bemessen, dass unter Berücksichtigung des der betreffenden Rechtsanwaltskammer zukommenden Teils der Pauschalvergütung die Auszahlung der Leistungen langfristig gesichert ist. Zu diesem Zweck sind unter Berücksichtigung mittelfristiger Finanzierungserfordernisse nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnende Rücklagen zu bilden. In der Umlagen- und Leistungsordnung kann für Bezieher von Leistungen aus der Alters-, der Berufsunfähigkeits- sowie der Hinterbliebenenversorgung jeweils befristet für eine Höchstdauer von zehn Jahren ein Pensionssicherungsbeitrag von nicht mehr als 2,5 vH der jeweils zur Auszahlung gelangenden monatlichen Bruttoleistung festgesetzt werden, wenn nach versicherungsmathematischen Grundsätzen die Deckung der Versorgungsleistungen kurzfristig nur durch eine außergewöhnliche Erhöhung der Umlagen erreicht werden könnte, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder übersteigen würde.

(1a) Abs. 1 gilt nicht für Versorgungseinrichtungen nach dem Kapitaldeckungsverfahren.

(2) Die Beiträge sind für alle beitragspflichtigen Rechtsanwälte grundsätzlich gleich hoch zu bemessen. Die Umlagenordnung kann jedoch bestimmen, dass

1. Rechtsanwälte, die bereits die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Versorgungseinrichtung erfüllen, Leistungen aus dieser jedoch nicht in Anspruch nehmen, von der Leistung der Umlage ganz oder teilweise befreit werden;

2. die Höhe der Umlagen nach der Dauer der Standeszugehörigkeit der Rechtsanwälte abgestuft wird;

3. die Beiträge so zu bemessen sind, dass die unterschiedliche Belastung im Rahmen der Verfahrenshilfe und die Nichterbringung von Verfahrenshilfeleistungen durch niedergelassene europäische Rechtsanwälte (§ 13 Z 3 EuRAG) Berücksichtigung finden;

4. Umlagen in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet und allfällige Rückstände mit den Leistungen aus der Versorgungseinrichtung aufgerechnet werden. "

Nach dem ausdrücklich ausgeführten Beschwerdepunkt erachtet sich der Beschwerdeführer

1. in seinem aus § 27 Abs. 2 Satz 3 RAO hervorgehenden Recht, in berücksichtigungswürdigen Fällen (so wie in seinem Fall) die Beiträge nach § 27 Abs. 1 lit. d RAO nachgesehen zu bekommen;

2. in seinem aus § 27 Abs. 2 Satz 2 RAO hervorgehenden Recht, nur solche Beiträge nach § 27 Abs. 1 lit. d RAO vorgeschrieben zu bekommen, deren Höhe vorher nach Maßgabe des personellen Umfanges oder der Ertragslage seiner Kanzlei abgestuft worden seien,

verletzt.

Daraus folgt zunächst, dass der Beschwerdeführer durch die Vorschreibung von "Beiträgen", die nicht dem § 27 Abs. 1 lit. d RAO zu subsumieren sind, durch den angefochtenen Bescheid begrifflich nicht im Beschwerdepunkt verletzt sein kann, was jedenfalls für die Beiträge für die Versorgungseinrichtungen gilt. Auch die Leistung von Sterbegeldern, nunmehr Todfallsbeiträgen, sind, wie sich den vorgelegten Leistungsordnungen in Übereinstimmung mit den unbestrittenen Erläuterungen der belangten Behörde ergibt, Leistungen der Versorgungseinrichtung. Die Leistungen der Versorgungseinrichtungen sind keine Aufwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 lit. d RAO (sondern solche im Sinne der §§ 49 ff RAO).

§ 27 Abs. 2 1. Satz RAO normiert als Grundsatz, dass die Beiträge nach Abs. 1 lit. d für alle Kammermitglieder gleich hoch zu bemessen sind. Als Ausnahme bestimmt Satz 2, dass in Rechtsanwaltskammern, in denen es wegen besonders großer Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Kammermitglieder erforderlich ist, die Beitragsordnung zu bestimmen hat, dass die Höhe der Beiträge nach Maßgabe des personellen Umfanges oder der Ertragslage der Kanzlei abgestuft wird. Es gibt somit zum zweiten Satz zwei Möglichkeiten; dass von der zweiten Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, ist nicht ersichtlich (dass von dieser zweiten Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht wurde, ist ja auch unstrittig). § 27 Abs. 2 2. Satz RAO vermittelt für sich allein dem Beschwerdeführer auch nicht das Recht, Beiträge nur in einer solchen Höhe vorgeschrieben zu bekommen, die auf die Ertragslage seiner Kanzlei Bedacht nehmen. Soweit der Beschwerdeführer der Ansicht ist, die Beiträge hätten gemäß dieser Bestimmung wegen besonderes großer Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitglieder nach der Ertragslage der Kanzlei abgestuft festgesetzt werden müssen, hat er seine Bedenken bereits erfolglos an den Verfassungsgerichtshof herangetragen; der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch aus den im Ablehnungsbeschluss angeführten Gründen zu einer Anfechtung nicht veranlasst.

§ 27 Abs. 2 3. Satz RAO sieht vor, dass die Beiträge durch den Ausschuss in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet oder nachgesehen werden können. Eine Stundung strebt der Beschwerdeführer nicht an. Zu klären ist aber die Frage, wie es sich im Beschwerdefall mit einer Nachsicht verhält. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass eine solche Nachsicht auch für bereits entrichtete Beiträge in Betracht kommt, für die, wie im Beschwerdefall, zeitnah mit der Entrichtung ein Nachsichtansuchen eingebracht wurde, und eine Nachsicht erst künftig fällig werdender Beiträge unter Bedachtnahme auf eine gegenwärtige, aber voraussichtlich nicht bloß vorübergehende wirtschaftlich schwierige Lage des Beitragspflichtigen nicht ausgeschlossen ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. Juli 2007

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