Normen
EStG 1988 §34;
EStG 1988 §34;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - wie bereits das Finanzamt - die im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2002 geltend gemachten Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Da die Empfängnisunfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht als Krankheit beurteilt werden könne, entfalle eine typisierende Einstufung als außergewöhnliche Belastung. Es sei daher das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 zu prüfen. Eine Zwangsläufigkeit hinsichtlich der künstlichen Befruchtung liege nicht vor. Aus steuerlicher Sicht trete durch das Inkrafttreten des In-Vitro-Fertilisations-Fonds-Gesetzes, BGBl. I Nr. 180/1999, keine Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, dadurch, dass das In-Vitro-Fertilisations-Fonds-Gesetz in bestimmten Fällen eine Kostenübernahme durch die öffentliche Hand vorsehe, werde die Ansicht bestärkt, dass eine homologe Befruchtung als steuerlich zu berücksichtigende Heilbehandlung anzusehen sei. Nach diesem Gesetz sei auf der Ebene des gesundheitlichen Defektes der Frau anzusetzen, die gemeinsam mit dem Ehemann den Kinderwunsch hege, für dessen Erfüllung sie jedoch eine medizinische Hilfe benötige und sohin zwangsläufig die Kosten hiefür aufzubringen habe. Die Empfängnisunfähigkeit stelle einen krankhaften Zustand dar. Die homologe künstliche Befruchtung einer solchen Frau erfülle auch die Merkmale einer medizinischen Heilbehandlung.
Strittig ist, ob bei den für eine künstliche Befruchtung aufgewendeten Ausgaben die für eine steuerliche Geltendmachung als außergewöhnliche Belastung erforderliche Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 vorliegt. Nach dieser Bestimmung erwächst dem Steuerpflichtigen die Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 3. November 2005, 2002/15/0124, mit der Frage befasst, ob die Kosten der künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastung anzusehen seien. Er hat in dem - den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhebenden - Erkenntnis ausgeführt, dass für die abschließende Beurteilung Feststellungen über die Ursache der Fortpflanzungsunfähigkeit zu treffen sein werden, denn eine freiwillig herbeigeführte Fortpflanzungsunfähigkeit würde die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ausschließen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis unmissverständlich ausgeführt, dass eine künstliche Befruchtung auch zu einer außergewöhnlichen Belastung führen kann (vgl. Zorn, VwGH:
Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung, RdW 2006/53, 53). Bereits der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, G 188/91, im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kinder Zwangsläufigkeit von vornherein unterstellt. Dieser bei Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder entwickelte Gedanke ist auch auf die Berücksichtigung der Aufwendungen für eine In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung zu übertragen. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern können demnach Kosten einer medizinisch indizierten In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden, wenn die Fortpflanzungsunfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt wurde (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 EStG 1988, Einzelfälle, In-Vitro-Fertilisation, bzw. Krankheitskosten). Bei dieser Betrachtungsweise kann es dahingestellt bleiben, ob die Unfruchtbarkeit der Frau überhaupt als Krankheit und die - hier in Rede stehende - homologe künstliche Befruchtung als Heilbehandlung im Sinne der einschlägigen Sozialversicherungsgesetze zu beurteilen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686).
Wien, am 24. September 2007
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