VwGH 2004/17/0209

VwGH2004/17/020920.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des HS in I, vertreten durch Dr. Markus Knoll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Pacherstraße 19, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. September 2004, Zl. I-Rm-00037e/2004, betreffend Vorschreibung einer Kanalanschlussgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1974 §20;
BauO Tir 1974 §3 Abs2;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §2 Abs1;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §2 Abs3;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §3 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauO Tir 1974 §20;
BauO Tir 1974 §3 Abs2;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §2 Abs1;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §2 Abs3;
KanalanschlußgebührenO Innsbruck 1960 §3 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 26. Jänner 2004 wurde dem Beschwerdeführer aus Anlass der am 15. Jänner 2001 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung eines "Bürohauses mit Parkdeck" auf einer näher bezeichneten Liegenschaft Kanalanschlussgebühr in Höhe von EUR 78.159,37 vorgeschrieben. Diese errechnete sich aus einem Baumassenanteil (anrechenbare Baumasse 27.159 m3 vervielfacht mit dem Einheitssatz von S 36,--) von S 977.724,--. Der Bauplatzanteil wurde mit Null festgesetzt.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, beim Parkdeck handle es sich um kein Gebäude im Sinne der Tiroler Bauordnung bzw. des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes, weil es keine überwiegend umschlossene bauliche Anlage sei. Die anrechenbare Baumasse betrage daher 5.759,76 m3, woraus sich eine Kanalanschlussgebühr von S 207.351,36 errechne. Zum Beweis für die Richtigkeit seines Vorbringens stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins und Einholung eines Sachverständigengutachtens.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte die Abgabenbehörde erster Instanz aus, es seien an Ort und Stelle Erhebungen durchgeführt, Kontrollmessungen und Fotos gemacht worden. Danach sei von der "Bau- und Feuerpolizei, Umwelt" auf dieser Basis eine Flächenermittlung durchgeführt und die offenen Flächen den Gesamtflächen gegenübergestellt worden. Dies habe Folgendes ergeben:

 

Gesamtfläche

Offene Außenfläche

Westfassade

1.693,15 m2

579,66 m2

Ostfassade

1.684,55 m2

795,98 m2

Nordfassade

277,94 m2

107,67 m2

Südfassade

264,26 m2

83,25 m2

Gesamt

3.919,90 m2

1.566,56 m2

Im Beschwerdefall stünden somit 2.353 m2 (60,04 %) geschlossener Bereich lediglich 1.566,56 m2 (39,96 %) offenem Bereich gegenüber, weshalb von einem Gebäude auszugehen sei.

Nach einem Vorlageantrag des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Erstbehörde sei in ihrer Berufungsvorentscheidung in erschöpfender und ausführlicher Weise auf das Berufungsvorbringen eingegangen. Es genüge daher der Verweis auf die Begründung dieses Bescheides, der sich die belangte Behörde vollinhaltlich anschließe.

Der Beschwerdeführer betrachte offensichtlich die Errichtung des Parkdecks getrennt vom übrigen Bauvorhaben, nämlich der Errichtung des Bürohauses. Dem sei jedoch zu entgegnen, dass mit Baubescheid vom 15. Jänner 2001 über das gesamte Bauvorhaben einheitlich abgesprochen worden sei. Selbst das Vorliegen zweier getrennter Bauansuchen und zweier gesondert zu beurteilender Baubescheide wäre aber auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Einheitlichkeit eines Bauvorhabens ohne Bedeutung. Auf Grund der einheitlichen Betrachtung des gesamten Bauvorhabens ergebe sich ein Verhältnis des geschlossenen Bereichs von 2.353 m2 zum offenen Bereich von 1.566,56 m2. Somit stehe ein prozentueller Anteil von 60,04 % an geschlossenen Flächen einem Prozentsatz von 39,96 % an offenem Bereich gegenüber, weshalb das Bauvorhaben als überwiegend umschlossene bauliche Anlage und somit als Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes zu qualifizieren sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck (in der Folge: KanalanschlussgebührenVO), Gemeinderatsbeschluss vom 7. Juli 1960 (idF vor der teilweisen Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2004, V 40/04), lautet:

"§ 1

Allgemeines

Die Stadtgemeinde Innsbruck erhebt zu ihrem Kostenaufwand für die Herstellung der öffentlichen Kanalanlagen von allen Anwesen, welche an diese Anlagen angeschlossen werden, eine einmalige Gebühr (Kanalanschlussgebühr).

§ 2

Bemessungsgrundlage und Höhe der Gebühr

(1) Die Kanalanschlussgebühr setzt sich aus einem Bauplatzanteil und einem Baumassenanteil zusammen; die Höhe der Gebühr wird durch Zusammenzählen beider Bestandteile ermittelt.

...

(3) Der Baumassenanteil ist das Produkt aus der Baumasse (§ 3) der baulichen Anlage in m3 und dem Einheitssatz (Abs. 10).

...

(8) Wird der Bauplatz oder die Baumasse einer baulichen Anlage nach Vorschreibung der Abgabe vergrößert, ist für die Erweiterung eine nach den obigen Absätzen zu ermittelnde Ergänzungsgebühr zu entrichten.

...

(10) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat jährlich für das gesamte Stadtgebiet einheitlich festzusetzen. Er darf 1/500 der durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten für 1 m Mischwasserkanal nicht übersteigen.

§ 3

Baumasse

(1) Die Baumasse ist nach den Bestimmungen des § 20 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, in der jeweils geltenden Fassung zu ermitteln.

...

§ 4

Gebührenpflicht

Die Gebührenpflicht entsteht bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen ...

..."

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, V 40/04, VfSlg. 17335, in § 3 Abs. 1 der KanalanschlussgebührenVO die Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" mit der Begründung als gesetzwidrig aufgehoben, dass es sich dabei um eine - die verfassungsrechtlich-gesetzlich gewährleistete Gemeindeautonomie in unzulässiger Weise einschränkende - unzulässige dynamische Verweisung handle. In dem selben Erkenntnis hob der Verfassungsgerichtshof u. a. auch in § 4 der KanalanschlussgebührenVO die Wortfolge "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen" als gesetzwidrig auf. Dies erfolgte mit der Begründung, dass mit dieser Bestimmung ein Interessentenbeitrag vorgeschrieben worden sei, zu dessen Einhebung es aber keine gesetzliche Ermächtigung gebe.

Die Aufhebung trat mit 31. März 2005 in Kraft. Auf die vor diesem Zeitpunkt verwirklichten Tatbestände ist die KanalanschlussgebührenVO idF vor der Aufhebung - mit Ausnahme des Anlassfalles - weiter anzuwenden. Da der Beschwerdefall kein Anlassfall war, hat der Verwaltungsgerichtshof der Prüfung des angefochtenen Bescheides die Rechtslage vor der Aufhebung der genannten Wortfolgen zu Grunde zu legen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 13. Dezember 2004, Zl. 2003/17/0114, und vom 1. Juli 2005, Zl. 2004/17/0198, ausgeführt hat, ist der Verweis in der KanalanschlussgebührenVO als Verweisung auf den im Zeitpunkt der Erlassung der KanalanschlussgebührenVO in Kraft gestandenen Baumassenbegriff des § 20 Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 42/1974, zu verstehen. Damit ist im Ergebnis die selbe Rechtslage anzuwenden wie nach Inkrafttreten des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes.

§ 20 TBO in der Stammfassung LGBl. Nr. 42/1974 lautete:

"§ 20

Baumasse

(1) Die Baumasse ist geschoßweise aus dem umbauten Raum des Gebäudes unter Zugrundelegung der Rohbaumaße zu ermitteln.

(2) Als Baumasse ist voll anzurechnen:

a) der umbaute Raum des Gebäudes, der allseitig

umschlossen wird,

1. seitlich von den Außenflächen der Umfassungswände,

2. unten von der Oberfläche der Fußböden des untersten

Geschoßes,

3. oben von der Oberfläche der Decken über dem

obersten Vollgeschoß oder, falls eine solche Decke fehlt, von der

Oberfläche des Daches;

b) der umbaute Raum der ausgebauten Teile des

Dachgeschoßes einschließlich der zugehörigen Flure und Stiegenräume, ermittelt unter sinngemäßer Anwendung der in der lit. a enthaltenen Bestimmungen;

..."

Aus dem Bescheid vom 15. Jänner 2001, mit welchem die Baubewilligung für die das verfahrensgegenständliche "Bürohaus mit Parkdeck" erteilt wurde, ergibt sich, dass dieses (unstrittig) aus Untergeschoß, Erdgeschoß und zwei Obergeschoßen, welche insgesamt 268 Pkw-Abstellplätze enthalten und einem dritten Obergeschoß, welches drei Büroeinheiten enthält, besteht.

Strittig ist ausschließlich, ob die Teile der baulichen Anlage, die als Parkdeck (Untergeschoß bis einschließlich zweites Obergeschoß) ausgeführt sind, in die Baumassenberechnung einzubeziehen sind.

§ 3 Abs. 2 TBO bestimmt als Gebäude jene überdeckten, allseits oder überwiegend umschlossenen baulichen Anlagen, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen oder Sachen zu dienen.

Der Beschwerdeführer rügt die Vorgangsweise der belangten Behörde, sämtliche Geschoße des "Bürohauses mit Parkdeck" unabhängig von ihrer baulichen Gestaltung in die Berechnung der Baumasse einzubeziehen, zu Recht.

Nach § 20 TBO ist die Baumasse nämlich geschoßweise aus dem umbauten Raum eines Gebäudes zu ermitteln. Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob die einzelnen Geschoße jeweils überwiegend umschlossen sind. Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. März 2007

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