VfGH V40/04

VfGHV40/0413.10.2004

Aufhebung von Wortfolgen einer Kanalanschlussgebührenverordnung betreffend das Entstehen der Gebührenpflicht mit Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides in Folge Fehlens einer landesgesetzlichen Ermächtigung zur Ausgestaltung einer Kanalanschlussgebühr als Interessentenbeitrag; Verfassungswidrigkeit der dynamischen Verweisung auf die Tiroler Bauordnung in der jeweils geltenden Fassung bei Ermittlung der Baumasse in Folge unzulässiger Einschränkung der Gemeindeautonomie

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art118 Abs2, Abs4
F-VG §7 Abs5
FAG 2001 §15 Abs1 Z13, Z14, §16 Abs3 Z4
KanalanschlussgebührenV der Stadtgemeinde Innsbruck vom 07.07.60 §3, §4
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art118 Abs2, Abs4
F-VG §7 Abs5
FAG 2001 §15 Abs1 Z13, Z14, §16 Abs3 Z4
KanalanschlussgebührenV der Stadtgemeinde Innsbruck vom 07.07.60 §3, §4

 

Spruch:

I. Die Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 Abs1 der Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 16. Dezember 1974, angeschlagen an der Amtstafel vom 23. Dezember 1974 bis zum 7. Jänner 1975, sowie die Wortfolgen "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen", "dem Eintritt" sowie "Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur" in §4 der Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 25. Jänner 1972, angeschlagen an der Amtstafel vom 28. Jänner bis zum 11. Februar 1972, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 2005 in Kraft.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

II. Die Wortfolge "Die Gebührenpflicht entsteht mit der Herstellung des Kanalanschlusses." in §4 der Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 25. Jänner 1972, angeschlagen an der Amtstafel vom 28. Jänner bis zum 11. Februar 1972, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B625/03 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit Bescheid vom 14. März 2001 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der beschwerdeführenden AG die Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Gewerbegebäudes.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2002 schrieb der Stadtmagistrat Innsbruck der Beschwerdeführerin unter Berufung unter anderem auf die "Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren" der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 zuletzt geändert mit Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 1974 (im Folgenden: KanalanschlussgebührenV) eine Kanalanschlussgebühr in der Höhe von ATS 958.636,80 bzw € 69.666,85 (inklusive 10 % USt) vor. Die dagegen erhobene Berufung wurde letztlich (nach negativer Berufungsvorentscheidung des Stadtmagistrats der Stadt Innsbruck vom 18. Dezember 2002) mit Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadt Innsbruck vom 27. Februar 2003 als unbegründet abgewiesen und es wurde die erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 Abs1 der Kanalan-schlussgebührenV vom 7. Juli 1960 in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 16. Dezember 1974, angeschlagen an der Amtstafel vom 23. Dezember 1974 bis zum 7. Jänner 1975, sowie des §4 der KanalanschlussgebührenV vom 7. Juni 1960 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 25. Jänner 1972, angeschlagen an der Amtstafel vom 28. Jänner bis zum 11. Februar 1972, entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, diese Bestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

Im verfassungsgerichtlichen Verfahren sind keine Äußerungen abgegeben worden.

3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

3.1. §15 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 2001, Art1 BG BGBl I 2001/3 (FAG 2001) zuletzt geändert durch BG BGBl I 2003/71, lautet auszugsweise:

"Ausschließliche Landes-(Gemeinde-)Abgaben sind insbesondere:

1. - 12. ...

  1. 13. Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;

  1. 14. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen;

15. - 16. ..."

3.2. Das Tiroler Kanalisationsgesetz LGBl 2001/1, lautet auszugsweise:

"§4

Kanalordnung

(1) Der Gemeinderat hat unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Kanalisation durch Verordnung den Anschlussbereich in der Weise festzulegen, dass der Abstand zwischen der Achse des jeweiligen Sammelkanals und der Grenze des Anschlussbereiches festgesetzt wird (Kanalordnung). ...

(2) ...

§5

Anschlusspflichtige Anlagen

(1) Gebäude, sonstige bauliche Anlagen und Sammelkanäle nichtöffentlicher Kanalisationen auf Grundstücken, die ganz oder teilweise im Anschlussbereich liegen, sind an die öffentliche Kanalisation anzuschließen, sofern Wässer anfallen, für die aufgrund der Kanalordnung Anschlusspflicht besteht.

(2) Von der Anschlusspflicht nach Abs1 sind ausgenommen: ...

(3) - (4) ...

§8

Anschlussvertrag

(1) Der Eigentümer einer anschlusspflichtigen Anlage hat mit dem Betreiber der öffentlichen Kanalisation einen schriftlichen Vertrag über den Anschluss der Anlage an die öffentliche Kanalisation abzuschließen. Der Anschlussvertrag hat jedenfalls zu enthalten:

a) - c) ...

(2) Die Verpflichtung zum Abschluss eines Anschlussvertrages entsteht bei bestehenden anschlusspflichtigen Anlagen mit dem Zeitpunkt, in dem nach den wasserrechtlichen Vorschriften mit dem Bau des die Anlage erschließenden Sammelkanals begonnen werden darf. ...

(3) - (5) ...

§10

Anschlussbescheid

(1) Im Falle, dass

a) im Zuge des Kanalanschlussverfahrens ein Anschlussvertrag nicht zustande kommt oder

b) für die Herstellung des Anschlusses fremder Grund in Anspruch genommen oder eine fremde nichtöffentliche Kanalisation oder eine fremde Entwässerungsanlage mitbenützt werden muss und der Eigentümer des betreffenden Grundstücks bzw. der betreffenden Anlage die Zustimmung hiezu verweigert,

hat die Behörde von Amts wegen bei Anlagen, die nach §5 Abs1 anschlusspflichtig sind, die Anschlusspflicht festzustellen, und bei Anlagen, für die die Voraussetzungen nach §5 Abs3 vorliegen, die Anschlusspflicht festzulegen sowie in beiden Fällen die genaue Lage der Trennstelle oder der Anschlussstelle des Sammelkanals einer nichtöffentlichen Kanalisation zu bestimmen. Die Feststellung oder Festlegung der Anschlusspflicht sowie die Bestimmung der Trennstelle oder Anschlussstelle haben mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen, aus dem hervorgeht, hinsichtlich welcher im Hinblick auf ihre Herkunft näher zu bestimmenden Wässer Anschlusspflicht besteht (Anschlussbescheid). Die Feststellung oder Festlegung der Anschlusspflicht hat zu entfallen, wenn bereits ein Bescheid nach §8 Abs5 erlassen wurde.

(2) - (4) ..."

3.3. Die KanalanschlussgebührenV lautet auszugsweise (die in Prüfung genommenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1

Allgemeines

Die Stadtgemeinde Innsbruck erhebt zu ihrem Kostenaufwand für die Herstellung der öffentlichen Kanalanlagen von allen Anwesen, welche an diese Anlagen angeschlossen werden, eine einmalige Gebühr (Kanalanschlussgebühr).

§2

Bemessungsgrundlage und Höhe der Gebühr

(1) Die Kanalanschlussgebühr setzt sich aus einem Bauplatzanteil und einem Baumassenanteil zusammen; die Höhe der Gebühr wird durch Zusammenzählen beider Bestandteile ermittelt.

(2) Das Produkt aus der Fläche des Bauplatzes in m2 und dem Einheitssatz (Abs10) ergibt den Bauplatzanteil. Unter Bauplätze im Sinne dieser Verordnung sind Grundstücke, die nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung zur Errichtung von Gebäuden geeignet und im Grundstückskataster oder Grenzkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet sind, zuzüglich aller demselben Eigentümer gehörigen, daran unmittelbar angrenzenden Grundstücke, auf welchen wegen ihrer Größe oder Form nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung Gebäude nicht errichtet werden können, zu verstehen.

(3) - (6) ...

(7) Für den Fall, daß für die angeschlossenen Objekte ein Interessentenbeitrag nach dem Landesgesetz vom 23.7.1949, LGBl. Nr. 2/1950, oder ein Anliegerbeitrag nach der Satzung vom 3.5.1940 entrichtet wurde, werden 21 % des nachweislich geleisteten Betrages als Kanalisationskostenanteil von der nach der vorliegenden Vorschrift berechneten Kanalanschlußgebühr abgezogen.

(8) - (9) ...

(10) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat jährlich für das gesamte Stadtgebiet einheitlich festzusetzen. Er darf 1/500 der durchschnittlichen ortsüblichen Baukosten für 1 m Mischwasserkanal nicht übersteigen.

§3

Baumasse

(1) Die Baumasse ist nach den Bestimmungen des §20 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, in der jeweils geltenden Fassung zu ermitteln.

(2) Bei Gebäuden, die vor dem 1.1.1975 baubehördlich bewilligt wurden, ist die im Baubewilligungsbescheid angeführte Kubatur als Baumasse anzurechnen. Ist die Kubatur weder aus der Baubewilligung noch aus anderen amtlichen Unterlagen ersichtlich, so ist statt dessen das Produkt aus der bebauten Fläche und der Stockwerksanzahl der Berechnung zugrunde zu legen, wobei die Höhe eines Stockwerkes mit 3,20 m anzunehmen ist; Kellergeschosse und ausgebaute Dachgeschosse sind hiebei voll zu zählen.

§4

Gebührenpflicht

Die Gebührenpflicht entsteht bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur Herstellung des Kanalanschlusses.

§5

Gebührenpflichtiger

...

§6

Vorschreibung und Fälligkeit der Gebühr

...

§7

Inkrafttreten

Diese Vorschrift tritt an dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Gleichzeitig treten die Bestimmungen der Vorschrift vom 1.7.1935, Zl. III-11.621/1935, soweit sie die Veranlagung und Bemessung der Anliegerbeiträge für die Errichtung von Straßenkanalleitungen zum Gegenstande haben, außer Wirksamkeit.

§8

Übergangsbestimmung

(1) Wurde für einen Bau die Baubewilligung bereits vor dem 1.1.1972 rechtskräftig erteilt oder bei bestehenden Objekten der Antrag auf Genehmigung der Entwässerungsanlage vor dem 1.1.1972 eingereicht, sind anstelle der neuen Bestimmungen über die Berechnung der Kanalanschlußgebühr die bisher geltenden Vorschriften anzuwenden. Diese Regelung bezieht sich nicht auf die in §4 getroffene Abänderung.

(2) Bei Gebäuden (Gebäudeteilen), für die die Baubewilligung schon vor dem 1.1.1975 erteilt wurde und hinsichtlich derer der Gebührenanspruch auch bereits vor dem genannten Termin entstanden ist, sind noch die bisher geltenden Vorschriften bei der Gebührenvorschreibung anzuwenden."

Die Stammfassung der KanalanschlussgebührenV wurde vom Gemeinderat am 7. Juli 1960 beschlossen und vom 22. Juli bis zum 5. August 1960 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht. §4 erhielt seine Fassung durch den Gemeinderatsbeschluss vom 25. Jänner 1972, angeschlagen an der Amtstafel vom 28. Jänner bis zum 11. Februar 1972. §3 Abs1 der hier anzuwendenden, oben wiedergegebenen Fassung beruht auf dem Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 1974, angeschlagen an der Amtstafel vom 23. Dezember 1974 bis zum 7. Jänner 1975.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In seinem Einleitungsbeschluss nahm der Gerichtshof vorläufig an, dass die Beschwerde zulässig sei, dass die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §3 Abs1 und §4 der KanalanschlussgebührenV angewandt habe und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden hätte. Der Gerichtshof ging weiters vorläufig davon aus, dass der Gebührenbescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 27. Mai 2002 ebenso wie die weiteren im Instanzenzug ergangenen Bescheide deshalb erlassen worden seien, weil mit dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 14. März 2001 die Gebührenpflicht entstanden sei. Der Berechnung der Kanalanschlussgebühr gemäß §2 Abs1 der KanalanschlussgebührenV dürfte §3 Abs1 leg cit zugrunde gelegt worden sein.

1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, dass diese Annahmen des Prüfungsbeschlusses zutreffen.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2.1. Mit Erkenntnis vom 10. Juni 2003, V10/03, hob der Verfassungsgerichtshof §2 Z1 erster Satz der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Tulfes vom 16. Juni 1993 als gesetzwidrig auf, weil die Kanalanschlussgebühr als Interessentenbeitrag ausgestaltet war, hiefür jedoch keine landesgesetzliche Ermächtigung bestand.

Im Anschluss an dieses Erkenntnis hegte der Verfassungsgerichtshof nun im Anlassverfahren das Bedenken, §4 erster Satz der KanalanschlussgebührenV der Stadtgemeinde Innsbruck sei aus demselben Grund gesetzwidrig, aus dem er jenen Teil der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Tulfes als gesetzwidrig aufgehoben hatte. Dazu führte er im Prüfungsbeschluss aus:

"Mit Erkenntnissen VfSlg 16.116/2001, 16.377/2001, 16.548/2002 und vom 10. Juni 2003, V10/03 hat der Verfassungsgerichtshof Bestimmungen von Kanalgebührenordnungen verschiedener Tiroler Gemeinden als gesetzwidrig aufgehoben. Nach diesen Regelungen war die Pflicht zur Entrichtung einer Anschlussgebühr mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlussbescheides gemäß §11 Tiroler Kanalisationsgesetz (LGBl 1985/40 idF LGBl 1986/50) oder schon mit Rechtskraft jenes Bescheides, mit welchem gemäß §9 Tiroler Kanalisationsgesetz die Anschlusspflicht festgestellt wurde, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte in diesen Entscheidungen, seine mit VfSlg 10.947/1986 beginnende Rechtsprechung, wonach Anschlussgebühren dann als Benützungsgebühren iSd §15 Abs3 Z5 FAG zu qualifizieren sind, wenn sie in einem förmlichen Benützungsverhältnis, und zwar immer am Beginn eines solchen, entstehen. Bei den damals in Prüfung gezogenen Anschlussgebühren nach den Kanalgebührenordnungen handelte es sich jedoch nicht um Benützungsgebühren iSd §15 Abs3 Z5 FAG 1997, da die Gebührenpflicht bereits entstanden war, bevor der Anschluss möglich war und benützt werden konnte, sohin unabhängig davon, ob die anschlusspflichtige Anlage an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen war oder nicht. Der Verfassungsgerichtshof kam daher zu dem Schluss, dass es sich bei den damaligen Bestimmungen um Interessentenbeiträge iSd §14 Abs1 Z15 FAG 1997 handelte, welche mangels Fehlens eines Landesgesetzes verfassungsrechtlich bedenklich waren.

Gemäß §4 erster Satz der KanalanschlussgebührenV der Stadtgemeinde Innsbruck entsteht die Gebührenpflicht bei Bauten, welche nach dem 26. Juni 1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass es sich bei der Anschlussgebühr nach §4 erster Satz leg cit ebenso wie bei den bereits aufgehobenen Bestimmungen der Kanalgebührenordnungen anderer Tiroler Gemeinden um einen Interessentenbeitrag - damals iSd §14 Abs1 Z14 FAG 1997; nunmehr - im Sinne des §15 Abs1 Z13 FAG 2001 BGBl I 2001/3 (diese Z in der Stammfassung) handelt.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher gegen §4 erster Satz der KanalanschlussgebührenV das Bedenken, dass diese Verordnungsstelle aus demselben Grund gesetzwidrig sei, aus dem Teile von Kanalgebührenordnungen anderer Tiroler Gemeinde als gesetzwidrig aufzuheben waren. Demnach würde es der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle an einer gesetzlichen Grundlage, welche die Stadtgemeinde Innsbruck ermächtigt, Kanalanschlussgebühren wie die in der KanalanschlussgebührenV geregelten vorzuschreiben, mangeln. Interessentenbeiträge sind nämlich ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, die, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß §8 Abs5 F-VG 1948 eines Landesgesetzes bedürfen, das die Gemeinde zur Erhebung solcher Abgaben ermächtigt (vgl VfSlg 10.947/1986). Der Verfassungsgerichtshof hegt nun das Bedenken, dass ein solches Gesetz, welches die Gemeinden des Bundeslandes Tirol zur Erhebung von Interessentenbeiträgen im allgemeinen oder zur Erhebung einer Anschlussgebühr nach der KanalanschlussgebührenV im besonderen ermächtigt, nicht besteht. Es scheint, dass diese Gesetzwidrigkeit durch eine allfällige Aufhebung des §4 der zitierten Vorschrift für den vorliegenden Beschwerdefall beseitigt werden könnte.

In vom Amts wegen eingeleiteten Normprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 7726/1975, 11.506/1987). Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 8155/1977, 12.465/1990, 13.140/1992, 13.964/1994).

Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu erwägen sein, ob die hier angenommene Gesetzwidrigkeit auch durch nur teilweise Aufhebung der in Prüfung genommenen Rechtsvorschrift (sodass etwa die Wortfolge übrig bliebe: 'Die Gebührenpflicht entsteht mit Herstellung des Kanalanschlusses.') beseitigt werden könnte, ohne dass der Norminhalt unzulässigerweise völlig verändert würde."

2.2. Diese im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen:

Die Anordnung im ersten Satz des §4 der KanalanschlussgebührenV der Stadtgemeinde Innsbruck ist aus denselben Gründen gesetzwidrig, aus denen ein Teil der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Tulfes gesetzwidrig war.

Wie im Prüfungsbeschluss dargelegt, war aber zu erwägen, ob die Gesetzwidrigkeit durch nur teilweise Aufhebung der in Prüfung genommenen Rechtsvorschrift beseitigt werden kann. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Kanalanschlussgebühr nach Aufhebung von Teilen dieser Bestimmung als Benützungsgebühr iSd §16 Abs3 Z4 FAG 2001 zu beurteilen ist. Durch die Aufhebung der Wortfolgen "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen", "dem Eintritt" sowie "Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur" würde in §4 KanalanschlussgebührenV die Wortfolge "Die Gebührenpflicht entsteht mit der Herstellung des Kanalanschlusses." bestehen bleiben. Nach der - im Prüfungsbeschluss wiedergegebenen - Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl ua VfSlg 10.947/1986) können Anschlussgebühren dann als Benützungsgebühren qualifiziert werden, wenn sie in einem förmlichen Benützungsverhältnis, und zwar immer am Beginn eines solchen, entstehen. Die verbleibende Anordnung des §4 KanalanschlussgebührenV kann als Verpflichtung zur Entrichtung einer Benützungsgebühr angesehen werden. Die Gebührenpflicht entsteht erst in jenem Zeitpunkt, in dem der Kanalanschluss tatsächlich hergestellt ist, die anschlusspflichtige Anlage somit tatsächlich an das Kanalnetz angeschlossen ist und benützt werden kann.

Da die Gesetzwidrigkeit der Bestimmung durch die teilweise Aufhebung einzelner Worte beseitigt werden kann, waren in §4 der KanalanschlussgebührenV lediglich die Wortfolgen "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen", "dem Eintritt" sowie "Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur" aufzuheben.

Hingegen war die - verbleibende - Wortfolge "Die Gebührenpflicht entsteht mit der Herstellung des Kanalanschlusses."

nicht aufzuheben.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte außerdem das Bedenken, dass die Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 Abs1 der KanalanschlussgebührenV verfassungswidrig sein dürfte und führte dazu im Prüfungsbeschluss aus:

"Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dynamische Verweisungen auf Normen einer anderen Rechtsetzungsautorität als verfassungswidrig erachtet, dynamische Verweisungen auf Normen derselben Rechtssetzungsautorität jedoch als grundsätzlich zulässig angesehen; dies freilich unter der Voraussetzung, dass in der verweisenden Norm das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festgelegt ist (vgl VfSlg 12.947/1991, 14.606/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur) und die verwiesene Norm in einem den österreichschen Gesetzblättern vergleichbaren Publikationsorgan kundgemacht und dabei auf die Fundstelle hingewiesen wurde (vgl VfSlg 12.293/1990). Demnach widersprechen sogenannte dynamische Verweisungen, bei denen die fremde Rechtssetzungsautorität allein den Inhalt der verweisenden Rechtsordnung verändern kann, dem Bestimmtheitsgebot ua des Art18

B-VG.

Die Regelung scheint insoweit vor allem im Hinblick auf einen möglichen Eingriff in den der Gemeinde durch Art118 Abs2 B-VG eingeräumten eigenen Wirkungsbereich bedenklich zu sein. Durch die in §3 Abs1 KanalanschlussgebührenV vorgesehene Verweisung wird dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, durch die Änderung eines Landesgesetzes unmittelbar in die Gemeindeautonomie einzugreifen. Die Gemeinde scheint daher gegen die ihr gemäß Art118 Abs2 B-VG in Verbindung mit Art116 Abs1 und Art118 Abs4 B-VG verfassungsgesetzlich eingeräumte Selbstverwaltungsgarantie durch den Verweis auf ein Landesgesetz zu verstoßen, weil sie nicht bereit ist 'in eigener Verantwortung' (Art118 Abs4 B-VG) die ihr verfassungsrechtlich vorbehaltene Entscheidung zu treffen. Die Gemeindevertretung scheint somit ihre Entscheidungsbefugnis in der Sache der Landesregierung zu überlassen (zur Aufgabe einer der Gemeinde zustehenden Selbstverwaltungsgarantie siehe insbes VfSlg 12.169/1989).

Der Verfassungsgerichtshof geht außerdem vorläufig davon aus, dass §3 Abs1 leg cit wegen Widerspruchs zum rechtsstaatlichen Prinzip infolge mangelnder hinreichender Determinierung (vgl VfSlg 13.716/1994, 13.887/1994, 14.270/1995, 14.851/1997, 15.548/1999, 16.317/2001) bzw wegen mangelnder gesetzlicher Grundlage im Hinblick auf das Legalitätsgebot des Art18 B-VG bedenklich erscheint.

Dabei ist die Entwicklung der Tiroler Bauordnung (im Folgenden: TBO) zu beachten. Das Gesetz vom 20. Mai 1974, mit dem eine Bauordnung für Tirol erlassen wurde (Tiroler Bauordnung - TBO), ist mit 1. Jänner 1975 in Kraft getreten (LGBl für Tirol 1974/42). Mit der 3. Bauordnungsnovelle (LGBl 1989/10) wurde §20 Abs2 lita Z3 leg cit geändert. In der Folge wurde die TBO - unter anderem mit den in §20 vorgenommenen Änderungen - mit Kundmachung der Landesregierung vom 28. März 1989 wiederverlautbart (LGBl 1989/33). Nach weiteren - hier nicht relevanten - Änderungen kam es zur Erlassung der TBO 1998 (LGBl 1998/15), in deren §20 sich jedoch keine Umschreibung des Begriffes Baumasse findet.

Der geltende §20 TBO 2001 (LGBl 2001/94) regelt - ebenso wie '20 der TBO 1998 - bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben sowie Ausnahmen und enthält folglich keine Definition der Baumasse. Auch sonst findet sich in der TBO 2001 keine Umschreibung des Begriffes 'Baumasse'. Ein solcher findet sich allerdings in §2 Abs4 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz (LGBl 1998/22) und in §61 Abs2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (LGBl 2001/93). Doch scheinen die Begriffsumschreibungen auf die jeweiligen Zielsetzungen abzustellen und nicht deckungsgleich zu sein. Das Abstellen des §3 Abs1 der KanalanschlussgebührenV auf §20 der seinerzeitigen Tiroler Bauordnung dürfte in einem sachlichen Zusammenhang mit der aus anderen Gründen in Prüfung gezogenen Bestimmung des §4 leg cit stehen, in welchem für nach dem 26. Juni 1969 baubehördlich bewilligte Bauten hinsichtlich des Eintritts der Gebührenpflicht auf den Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides abgestellt wird. Nach §20 Abs1 Tiroler Bauordnung LGBl 1974/42 war die Baumasse 'geschoßweise aus dem umbauten Raum des Gebäudes unter Zugrundelegung der Rohbaumaße zu ermitteln'. Abs2 legte fest, welcher umbaute Raum des Gebäudes als Baumasse voll anzurechnen war. Gemäß Abs3 blieb bei Räumen mit einer lichten Höhe von über dreieinhalb Metern die dreieinhalb Meter übersteigende Höhe bei der Berechnung der Baumasse außer Betracht. Abs4 sah sodann für landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude oder -gebäudeteile vor, dass die nach Abs1 bis 3 zu errechnende Baumasse nur mit der Hälfte in Anrechnung zu bringen war.

Nunmehr ist diese spezifische gesetzliche Grundlage jedoch weggefallen, sodass entweder der Begriff der Baumasse überhaupt nicht hinreichend eindeutig umschrieben oder aber unklar ist, ob auf die eine oder andere der beiden erwähnten - nicht kongruenten - 'Ersatzregelungen' zurückzugreifen ist.

Im Verordnungsprüfungsverfahren wird allerdings zu erwägen sein, ob gegebenenfalls die zuletzt in Geltung gestandene Regelung des §20 der Tiroler Bauordnung LGBl 1989/33 - die abgesehen von §20 Abs2 lita Z3 gleichlautend mit der Stammfassung aus 1974 ist - zur Deutung des §3 Abs1 KanalanschlussgebührenV heranzuziehen ist."

2.4. Auch diese (primären) Bedenken haben sich im Ergebnis als zutreffend erwiesen:

2.4.1. Einerseits stützen sich die Bedenken im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Juni 2004 auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Verbot sogenannter "dynamischer Verweisungen" auf Rechtsakte einer anderen als der normerlassenden Rechtsetzungsautorität sowie darauf, dass ein unzulässiger Eingriff in den den Gemeinden insbesondere durch Art118 Abs2 B-VG eingeräumten eigenen Wirkungsbereich erfolge.

Alternativ ging der Verfassungsgerichtshof im genannten Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, §3 Abs1 der KanalanschlussgebührenV stehe im Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip infolge mangelnder hinreichender Determinierung bzw wegen mangelnder gesetzlicher Grundlage im Hinblick auf das Legalitätsgebot des Art18 B-VG.

2.4.2. Durch die Aufhebung einzelner Wortfolgen in §4 KanalanschlussgebührenV handelt es sich bei der aufgrund der verbleibenden Regelung vorzuschreibenden Abgabe um eine Benützungsgebühr (unter 2.3. näher ausgeführt). Gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 iVm §16 Abs3 Z4 FAG 2001 bedarf die Vorschreibung einer Benützungsgebühr keiner landesgesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung von Benützungsgebühren unterliegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 10.947/1986) dem freien Beschlussrecht der Gemeinde. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Regelung des §3 Abs1 Kanalanschluss-gebührenV ebenfalls im Rahmen des freien Beschlussrechts der Gemeinde erfolgte.

Durch die in Prüfung genommene Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 Abs1 der KanalanschlussgebührenV entledigte sich die Gemeindevertretung jedoch ihrer Entscheidungsbefugnis - die im Sinne der im Prüfungsbeschluss näher erörterten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verbietet, diese einer anderen Rechtssetzungsautorität zu überlassen - und räumte dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit ein, durch eine gesetzliche Änderung der Umschreibung des Begriffes "Baumasse" im Tiroler Baubzw Raumordnungsrecht unmittelbar eine in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallende Angelegenheit mitzugestalten. Bei der Regelung des §3 Abs1 Kanalanschluss-gebührenV handelt es sich daher um eine - die verfassungs-gesetzlich gewährleistete Gemeindeautonomie in unzulässigerweise einschränkende - unzulässige dynamische Verweisung (zur Aufhebung einer der Gemeinde zustehenden Selbstverwaltungsgarantie siehe insbesondere VfSlg 12.169/1989). Durch die Beseitigung der Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" wird den geäußerten Bedenken Rechnung getragen. Die Wortfolge war deshalb aufzuheben.

2.5. Die Aussprüche über die Bestimmung einer Frist und über die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung gründen sich auf Art139 Abs5 B-VG.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

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