VwGH 2004/05/0222

VwGH2004/05/022224.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Werner Kiss in Eisenstadt, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte GesmbH in 2500 Baden, Erzherzog Rainer Ring 23, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. September 2004, Zl. RU1-BR-34/001-2004, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Felixdorf, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 77/2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z1 idF 8200-8;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §37;
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z1 idF 8200-8;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer gehört nunmehr die Liegenschaft EZ 1375, Grundbuch Felixdorf, mit dem Grundstück Nr. 292/2 (Felixdorf, Mayrgasse 7). Zuvor waren seine Brüder F. K. und H. K. Eigentümer.

Mit Schreiben vom 8. März 1993 suchten die damaligen Eigentümer, vertreten durch die K. GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, um die Erteilung einer Baubewilligung für einen Wohnhausumbau und Zubau auf der gegenständlichen Liegenschaft an. Dazu wurde der Bauplan und eine Baubeschreibung vorgelegt; nach der Baubeschreibung war eine Nutzung für je 5 Wohnungen im Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß vorgesehen. Bei der Bauverhandlung wurde festgehalten, dass das bestehende Betriebs-, Büro- und Wohngebäude zur Gänze aufgestockt werde und die teilweise vorhandenen Holzdecken gegen Massivdecken ausgewechselt würden. Das bestehende Erdgeschoß werde durch den Zubau von drei Erkervorbauten im Hof abgeändert, der übrige Bestand bleibe erhalten. Mit Bescheid vom 13. April 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde gemäß § 92 Abs. 7 NÖ BauO 1976 die Bewilligung zur Ausführung des Vorhabens "Um- und Zubau einer Wohnhausanlage auf der Parzelle Nr. 292/2, EZ 1975, KG Felixdorf". Festgehalten wurde, dass die Ausführung nach Maßgabe der mit einer Bezugsklausel versehenen Baubeschreibung und den Planunterlagen zu erfolgen habe, wobei auch Auflagen vorgeschrieben wurden. Eine Überschreitung von Grundstücksgrenzen sah der Bauplan nicht vor.

Eine Meldung über den Baubeginn ist im Akt nicht enthalten; nach dem Beschwerdevorbringen soll nach der Baubewilligung unverzüglich mit dem Bau begonnen und noch im Jahr 1993 "von der Traufe bis zur Firsthöhe" das Gebäude dem Bauplan entsprechend errichtet worden sein.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 18. Jänner 1996 wurde über die bauausführende K. GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Am 29. Juli 1997 fand eine amtswegig anberaumte "Feststellungsverhandlung" betreffend eine widmungswidrige Nutzung der Baulichkeit auf der gegenständlichen Liegenschaft, aber auch auf anderen Liegenschaften, statt. Festgestellt wurde, dass das an der Anschrift Mayrgasse 7 errichtete Objekt einschließlich des Fassadenverputzes großteils fertig gestellt sei, Komplettierungsarbeiten seien aber noch durchzuführen. Die hofseitige Dacheindeckung dieses Wohnblockes fehle zur Gänze, sodass die Dachlattung und der Dachstuhl bereits starke Witterungsschäden aufwiesen. Eine Endbeschau für dieses Bauvorhaben sei noch nicht beantragt worden. Die Baulichkeiten seien nicht bewohnt und auch nicht bewohnbar. Im Erdgeschoß werde etwa die Hälfte der Räumlichkeiten als konsenslose Ablagerungsstätte für Hausmüll und Unrat verwendet. Im Hof dieser L-förmigen Liegenschaft würden an drei verschiedenen Stellen Abfalllagerungen (Bauschutt, Baustellenabfälle und Hausmüll) getätigt.

Mit Bescheid vom 5. August 1997 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde beiden Grundeigentümern den baupolizeilichen Auftrag, den Bauschutt, die Baustellenabfälle und Hausmüll, welche im Hof gelagert waren, sowie sämtliche Ablagerungen von Müll und Unrat im Erdgeschoß des Wohnblockes in einer behördlich genehmigten Deponie endzulagern bzw. in einer Behandlungsanlage aufzubereiten.

Ing. O. F., ein Nachbar, zeigte mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 an, dass deshalb, weil der unmittelbar an sein Haus und Grundstück anschließende Rohbau kein Dach und auch keine Dachrinnen aufweise, bei Regen derzeit das ablaufende Wasser des Hauses direkt auf sein Grundstück, insbesondere auf seine Terrasse laufe. Dadurch seien bereits beträchtliche Schäden entstanden.

Ein im Akt befindlicher, an F. K. gerichteter baupolizeilicher Auftrag vom 11. Dezember 2000 verweist auf einen am 24. November 2000 durchgeführten Lokalaugenschein, worüber im Akt jedoch keine Unterlagen enthalten sind. Danach sollte abermals der Bauschutt entfernt werden; weiters wurde aufgetragen, einen baurechtswidrig über die Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. 307, EZ 1132, errichteten Gebäudeteil abzubrechen.

Mit zwei Bescheiden vom 19. Juni 2001, gerichtet an F. K. und H. K., erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde abermals den Auftrag, den Bauschutt zu entfernen. Weiters wurde aufgetragen, das auf der Parzelle 292/2 EZ 1375, KG Felixdorf errichtete Gebäude, das durch Baugebrechen unbenutzbar sei, abzubrechen. Nach erfolgloser Berufung durch H.K. (Bescheid des Gemeindevorstandes vom 28. August 2001) behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. Februar 2002 auf Grund der Vorstellung des H.K. den ergangenen Berufungsbescheid. Betreffend den Auftrag hinsichtlich des Bauschutts sei die Baubehörde nicht zuständig gewesen. Bezüglich des Abbruchauftrages führte die belangte Behörde aus, dass die Baubehörde ohne ausreichendes Ermittlungsverfahren einen Bauauftrag erlassen hätte und auch die Berufungsbehörde keine Ermittlungen durchgeführt habe.

Mit Bescheid vom 20. August 2003 hob der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde den "Bescheid des Gemeindevorstandes vom 28. August 2001" auf und verwies die Angelegenheit an den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zurück. Schon zuvor wurde vom Bürgermeister am 6. März 2003 eine Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt, bei welcher die Einholung von Gutachten über den derzeitigen Zustand des Gebäudes, weiters "nach § 35 NÖ BO und eine Gegenüberstellung in Form einer Kosten-Nutzen Rechnung" sowie die Erstellung eines Bestandsplanes der Liegenschaft unter Berücksichtigung des Zusammenbaues an der Nachbarliegenschaft in Aussicht gestellt wurde. Der anwesende Bausachverständige DI H. St. gab folgende Erklärung ab:

"Der Dachstuhl ist auf Grund des Fehlens der Dacheindeckung (es ist eine desolate Vollschalung angebracht, seit 1996 dringen daher Niederschläge ungehindert in den Dachboden ein) teilweise morsch.

Durch die Stahlbetonhohldielendecke konnten die Niederschläge entlang den Wänden in das darunter liegende Geschoss abfließen, wodurch das Mauerwerk massiv durchfeuchtet wurde und bereits Moosbildung und Ausblühungen sichtbar sind.

Auf Grund der großen Spannweiten der Decken wurden ohne Vorliegen eines statischen Gutachtens IPE-Träger in Deckenstärke eingezogen. Durchbiegungen sind sichtbar.

Die Fassade in der Mayrgasse besteht nur im Rohbau, Fenster sind teilweise nicht vorhanden. Dadurch können Niederschläge in das Gebäude eindringen.

Das Objekt (beschwerdegegenständlich) hat zur Liegenschaft (Nachbar) im EG keine Feuermauer.

Durch das Fehlen der Dacheindeckung und einer Dachentwässerung wird die Feuermauer des Objektes (Nachbar) ständig durchfeuchtet. Im unteren Bereich ist bereits massive Schimmelbildung sichtbar."

Vom 24. April 2003 stammt das Gutachten des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Prof. Dipl. Ing. W. G., in welchem eine exakte Lage-Höhenaufnahme des Baukörpers vorgenommen worden war. Das Gutachten kam zum Ergebnis, dass der auf dem Grundstück Nr. 292/2 befindliche Baukörper mit etwa 3,80 m Breite auf das Grundstück Nr. 307, EZ 1132, gehörig der M. GmbH, hinüberreiche. Es habe eindeutig eine Überbauung der Grundstücksgrenze stattgefunden.

Vom 24. April 2003 stammen auch die beiden Gutachten des Prof. Dipl. Ing. A. H., betreffend den Verkehrswert des gegenständlichen Gebäudes (Wertgutachten) und betreffend den derzeitigen baulichen Zustand dieses Gebäudes (Zustandsgutachten).

In seinem Zustandsgutachten ging dieser Sachverständige davon aus, dass ein Rohbau mit 49,5 %, ein Ausbau mit 50,5 % der Gesamterrichtungskosten zu bewerten sei. Er stellte den vorhandenen Anteil an den gesamten Baukosten und den nicht vorhandenen Anteil an den Gesamtbaukosten in einer Tabelle gegenüber.

Hervorzuheben ist in Anbetracht der im späteren Privatgutachten bestrittenen Positionen 3, 4, 5, 7, 9 und 11 dieser Tabelle, dass der Sachverständige bei den Betondecken unterschiedliche Setzungen bzw. Durchbiegungen wahrnahm, im Dachgeschoß auch Risse, welche durch Änderung der Auflager/Zwischenwände sanierbar seien, wobei er eine statische Untersuchung forderte. Er beanstandete auch, dass auf Grund der großen Spannweiten der Decken ohne Vorliegen eines statischen Gutachtens IPE-Träger in Deckenstärke eingezogen worden seien. Bei den Treppen forderte er die teilweise Neuherstellung wegen ungleicher Stufenausmaße, teilweise seien Stiegenplatten neu herzustellen. Die Fassade wäre insgesamt zu erneuern, die bestehende Wärmeschutzfassade sei großteils schadhaft, sie sei abzutragen. Entlang der Hausecke sei, bedingt durch laufende Einwirkung von Wasser, Feuchtigkeit hinter der Fassade vorhanden. Damit die Feuchtigkeit im Mauerwerk hinter der Wärmeschutzfassade austrocknen könne, sei die vorgesetzte Wärmefassade abzutragen. Alle derzeit vorhandenen Fenster seien zu entfernen und gesamt zu erneuern. Als baupolizeilichen Missstand bezeichnete der Sachverständige das Fehlen der Feuermauer an der Grundgrenze zum Nachbarn F. sowie, bedingt durch die vorhandene Dachneigung zum Nachbarn F. und durch die fehlende Dacheindeckung und fehlende Spenglerarbeiten sowie fehlende Saumrinne an der Anrainerwand, dass seit 1996 bei Regen massiv Wasser entlang der Anrainerwand abgelaufen sei und dort keine Regenwasserableitung vorhanden sei. Es seien großflächige Feuchtigkeitsschäden sichtbar, die laufend zunähmen.

Der Sachverständige ermittelte die Neubau-Herstellungskosten, ausgehend vom Richtpreis für Mehrwohnungshäuser mit normaler Bauhöhe und durchschnittlicher Ausstattung mit EUR 1.100,-- pro Quadratmeter Wohnnutzfläche. Danach würden die Neubaukosten bei 920 m2 Nutzfläche EUR 1,012.000,-- betragen. Da zu 70 % das Objekt nicht fertig gestellt sei, müssten für die Fertigstellung somit EUR 709.412,-- angesetzt werden, wozu der Sachverständige noch einen Betrag für die erforderliche Trockenlegung (EUR 36.336,--), für die Schaffung der erforderlichen 15 Stellplätze (EUR 26.300,--) und für Unvorhergesehenes (5 % = EUR 38.602,--) annahm, sodass er zu gerundeten Fertigstellungskosten von EUR 810.000,-- gelangte.

In seinem Wertgutachten ging der Sachverständige bezüglich des Grundwertes der Liegenschaft mit mittlerer Lage von einem Grundpreis von EUR 80,-- pro Quadratmeter aus. Dem so ermittelten Betrag (989 m2) von EUR 79.120,-- stellte er die Abbruchkosten von EUR 81.000,-- gegenüber, sodass der Liegenschaftswert mit einem symbolischen Kaufpreis von EUR 1,-- festgelegt wurde. Bezüglich des Bauwertes nahm der Sachverständige im Hinblick auf das Alter des Gebäudes, den aufgestauten Reparaturbedarf, den gegenwärtigen Bau- und Erhaltungszustand, die technischen und hygienischen Gegebenheiten, die vorhandene Ausstattung, den verlorenen Bauaufwand und die Zueinanderordnung der Räume je Wohneinheit einen Kubikmeterpreis von EUR 200,-- als angemessen an, wobei dies jedoch nicht der Preis einer Wiederherstellung sei. Daraus ergebe sich ein Zeitwert bei 1.814 m3 von EUR 362.800,--, wovon aber 15 % für die grenzüberschreitende Ausführung und für Unvorhergesehenes abzuziehen seien, sodass sich ein Zeitwert von EUR 272.000,-- ergebe. Unter Bedachtnahme auf den festgestellten Grundwert betrage der Sachwert der Liegenschaft EUR 272.000,--. Der Verkehrswert sei dem Sachwert gleich, weil im derzeitigen Zustand keine Vermietung möglich sei.

Diese Gutachten wurden in der Verhandlung vom 25. Juni 2003 erörtert und dem anwesenden Grundeigentümer F.K. die Möglichkeit eingeräumt, dazu eine Stellungnahme binnen 6 Wochen abzugeben.

Am 21. Juli 2003 langte bei der Baubehörde das Gutachten des Ing. E. K., allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bauwesen, ein (Privatgutachten). Auftraggeber des Gutachtens war ein Kaufinteressent, wobei der Gutachter auf das Einverständnis der Grundeigentümer F. K. und H. K. verwies. Der Privatgutachter stellte, was die Fertigstellungsquote betrifft, den Werten der genannten Tabelle folgende Werte gegenüber:

3.) Decken :

100%

14,5

4.) Treppen :

80%

4,0

5.) Dachstuhl :

80%

5,2

7.) Dachentwässerung :

80%

0,4

9.) Außenverputz :

70%

1,75

11.) Türen, Fenster :

40%

3,8

Der Privatgutachter gelangte damit zum Ergebnis, dass der bereits vorhandene Anteil der Baukosten 44,45 % betrage. Im Einzelnen führte er dazu aus, die unterschiedlichen Verformungen an den Spannbetonhohldielendecken seien technisch bedingt durch den Herstellungsvorgang der Fertigteile; erst bei genügend großer Auflast nach dem Einbau werde durch den Estrich etc. die Verformung oft auch nur teilweise aufgehoben. Dass die Spannbetondielen statisch nicht ausgenützt seien, werde auch dadurch untermauert, dass in Teilbereichen die Längsauflagerung entlang tragender Mauern noch gar nicht unter Spannung stehe. Die Stiegen befänden sich noch im Rohbauzustand und wiesen daher noch nicht die vorgeschriebene Maßgenauigkeit auf. Im Zuge der Belagsaufbringung würden die Stufenmaße hergestellt werden. Bezüglich des Dachstuhls räumte auch dieser Sachverständige ein, dass die Dachstuhlung aus Wirtschaftlichkeitsgründen komplett abzunehmen und neu aufzubringen sei. Die wenigen Sparren mit massiven Anmorschungen seien zu ersetzen. Da die Träger üblicherweise überdimensioniert würden und die Abrostung bei den üblich verwendeten Stahlqualitäten minimal sei, sei ein Korrosionsanstrich nicht notwendig und deshalb auch nicht ausgeführt worden. Die Stahlträger seien im Innenbereich angeordnet, sodass eine Korrosion bei der Dacheindeckung praktisch unmöglich sei.

Die Fassade zeige keine systematische Schädigung und sei nach Auffassung des Gutachters verwendungsfähig. Eine Trocknung des Mauerwerkes von innen sei möglich und notwendig. Fenster seien nur dann zu entfernen, wenn sie der Bauordnung nicht mehr entsprechen, aus technischer Hinsicht sei eine Entfernung der Fenster wegen Verschleißes etc. nicht begründbar. Die Rahmen der eingebauten Fenster seien noch nicht von ihrer Schutzfolie befreit und somit ohne Weiteres verwendbar. Die verzinkten Hängerinnen bzw. Dachabfallrohre würden üblicherweise nicht gestrichen werden; die sonstigen Verblechungen seien zum überwiegenden Teil fertig gestellt, wobei allerdings Adaptierungsarbeiten notwendig wären.

Zur Frage der Wirtschaftlichkeit einer Behebung führte der Privatgutachter aus, dass ein Neubau bei EUR 1.100,-- pro Quadratmeter Wohnnutzfläche um EUR 215.292,-- teurer wäre als die im Zustandsgutachten ermittelten Fertigstellungskosten von EUR 810.000,--. Ein Neubau sei keinesfalls günstiger. Jedenfalls sei die Fertigstellung des Bauwerkes wirtschaftlich.

Mit Bescheid vom 12. November 2003 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Eigentümern F. K. und H. K. den Auftrag, das gegenständliche Objekt bis 30. April 2004 abzubrechen. In der Begründung wurde in Bezugnahme auf die vorliegenden Gutachten ausgeführt, dass eine Sanierung des Gebäudes als unwirtschaftlich anzusehen sei. Daher sei nach § 35 Abs. 2 NÖ BauO der Abbruch geboten.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung erklärten F. K. und H. K., dass nach den von ihnen beigebrachten Privatgutachten das Gutachten des Prof. Dipl. Ing. A. H. widerlegt sei und eine wirtschaftliche Sanierung des Gebäudes möglich sei.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde gab dieser Berufung mit Bescheid vom 21. Jänner 2004 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Der Gemeindevorstand verwies auf das Gutachten des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Prof. Dipl. Ing. A. H., wonach auf Grund des baulichen Zustandes des Gebäudes unter Kosten-Nutzen-Gegenüberstellung das Gebäude aus Wirtschaftlichkeitsgründen abzubrechen sei. Eine Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten enthielt auch dieser Bescheid nicht.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Jänner 2004 Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Sie verwies in der Begründung auf die am 6. März 2003 vom bautechnischen Sachverständigen festgestellten Baumängel. Weiters zählte sie die Maßnahmen auf, die für eine Behebung erforderlich wären, wobei offenkundig (ohne Quellenangabe) Passagen aus dem Zustandsgutachten übernommen wurden. Da die erforderlichen Fertigstellungskosten von EUR 810.000,-- den Verkehrswert von EUR 272.000,-- wesentlich überstiegen, sei die Behebung unwirtschaftlich und entsprechend § 35 NÖ BauO ein Abbruch zu vertreten. Da die bestehenden Baugebrechen so gravierend seien und deren Beseitigung unwirtschaftlich und das Gebäude unbewohnt und unbenutzbar sei, sei nach schlüssiger Meinung des bautechnischen Sachverständigen der gänzliche Abbruch zur Wahrung der öffentlichen Interessen erforderlich. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen vor. Das eingeholte und schlüssige Gutachten des bautechnischen Sachverständigen sei zu Recht der Entscheidung der Gemeindebehörde zu Grunde gelegt worden, der Vorstellungswerber hätte sich nicht damit begnügen dürfen, der Auffassung des Sachverständigen bloß mit einer laienhaften gegenteiligen Behauptung zu erwidern, sondern hätte das Gutachten mit einem auf gleicher Stufe stehenden Beweismittel, also etwa mit dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines anderen geeigneten Sachverständigen bzw. Vorlage von Gegengutachten von Sachverständigen einschlägiger Fachrichtung, bekämpfen müssen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichterlassung eines Abbruchauftrages verletzt.

Seinen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begründet der Beschwerdeführer damit, dass vor Erlassung eines Abbruchauftrages nach § 35 Abs. 2 Z. 2 NÖ BauO ein Baugebrechen vorliegen müsse, welches der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 NÖ BauO gewährten Frist nicht behoben hätte. Ein Auftrag nach der zuletzt genannten Bestimmung sei aber nicht erteilt worden. Es lägen auch keine Feststellungen darüber vor, dass die Baumängel einen Zustand am Bauwerk verursacht hätten, durch den auf lange Sicht die Standfestigkeit, das Aussehen, der Brandschutz, die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt würden oder der zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarn führte, sodass kein Baugebrechen im Sinne des § 35 Abs. 2 Z. 2 NÖ BauO vorliege. Auch der Tatbestand des § 35 Abs. 2 Z. 1 NÖ BauO sei nicht gegeben, weil Feststellungen darüber fehlten, dass mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes des Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden seien und die im Gesetz genannten Missstände vorlägen. Auch der Tatbestand der Z. 3 dieser Gesetzesbestimmung sei nicht erfüllt, weil für das Bauwerk eine Baubewilligung vorliege und das Gebäude in dem nach § 24 NÖ BauO vorgegebenen Ausmaß errichtet worden sei. Die Anwendbarkeit des Tatbestandes der Z. 1 des § 35 Abs. 2 BO setze voraus, dass das Gebäude überhaupt einmal benützt worden sei, was hier nicht gegeben sei. Im Übrigen solle der Abbruch eines Bauwerks das letzte Mittel sein, um allfälligen Baugebrechen entgegen zu wirken. Im Lichte einer verfassungskonformen Auslegung dieser Bestimmungen der NÖ BauO hätten dem Beschwerdeführer Sicherungsmaßnahmen zum Schutz von Personen oder Sachen oder die Beseitigung allfälliger Baugebrechen aufgetragen werden müssen.

Seinen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet der Beschwerdeführer damit, dass die Behörde ihrer Verpflichtung, die notwendigen Beweise aufzunehmen, nicht nachgekommen sei. Insbesondere habe sich die Behörde nicht mit dem vorgelegten Privatgutachten beschäftigt, welches das Gutachten der Amtssachverständigen vollkommen widerlegt habe. Eine Berücksichtigung des Privatgutachtens hätte ergeben, dass der Fassadenschutz zu 70 % fertig gestellt gewesen sei, dass die Fenster nicht (abgesehen von einem Fenster) gebrochen bzw. schadhaft seien, dass die fehlende Statik kein Baugebrechen darstelle und dass das Bauwerk noch gar nicht schlüsselfertig hergestellt sei. Auch bezüglich anderer Feststellungen hinsichtlich des Bauzustandes wird auf das Privatgutachten verwiesen. Nicht nachvollziehbar sei nach Auffassung des Beschwerdeführers die vom Amtssachverständigen vorgenommene Bewertung des Verkehrswertes zu den prognostizierten noch aufzuwendenden Gesamtbaukosten; der Amtssachverständige übersehe, dass der Zubau nach dem ursprünglichen Bauansuchen über die Grundstücksgrenze hinweg auch auf der Liegenschaft EZ 1132 (Grundstück Nr. 307) erfolgen sollte; ein diesbezüglich vorgenommener Abzug vom Verkehrswert sei nicht gerechtfertigt. Bei Ermittlung des Grundwertes seien die Abbruchkosten in Höhe von EUR 81.000,-- nicht heranzuziehen, da das Bauwerk ja fertig gestellt werden könne. Es ergebe sich ein wesentlich geringerer Betrag der erforderlichen Fertigstellungskosten, dem ein wesentlich höherer Verkehrswert zur Berechung der Unwirtschaftlichkeit gegenüber zustellen sei. Diese Widersprüche hätte die Behörde von Amts wegen prüfen müssen, dann wäre sie zur Feststellung gelangt, dass die Behebung der Baugebrechen nicht unwirtschaftlich sei.

Gerügt wird auch, dass die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen sei, insbesondere habe sie die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen nicht dargestellt und sich mit dem Privatgutachten nicht auseinander gesetzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligte Marktgemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 33 und 35 NÖ BauO 1996 in der Fassung LGBl. 8.200-8

(BO) lauten:

"§ 33

Vermeidung und Behebung von Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche

( die Standsicherheit,

( die äußere Gestaltung,

( der Brandschutz,

( die Sicherheit von Personen und Sachen,

( beeinträchtigt werden oder

( die zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen können,

zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Die Baubehörde darf in diesem Fall

( die Überprüfung durch Sachverständige durchführen lassen

( die Vornahme von Untersuchungen und

( die Vorlage von Gutachten anordnen.

(3) Den Organen der Baubehörde und den beauftragten Sachverständigen ist der Zutritt zu allen Teilen der Bauwerke an Werktagen zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzug auch an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nachtzeit zu gestatten. Wenn nötig, ist dem Eigentümer mit Bescheid diese Verpflichtung aufzutragen.

§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesonders die Räumung von Gebäuden oder deren Teilen anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Missstände vorliegen oder

2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist und der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 gewährten Frist die Missstände nicht behoben hat oder

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten."

Der Gesetzgeber nennt im § 35 Abs. 2 BO alternativ drei Voraussetzungen, die zur Erlassung eines Abbruchauftrages führen können. Wie aus den Bescheidbegründungen ohne jeden Zweifel hervorgeht, haben die Verwaltungsbehörden den Abbruchauftrag ausschließlich auf den Tatbestand des § 35 Abs. 2 Z. 2 BO gestützt.

Nach § 33 Abs. 1 BO hat der Eigentümer eines Bauwerks dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung oder der Anzeige entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat dort näher beschriebene Baugebrechen zu beheben. Aus dem Wortlaut "entsprechenden Zustand ausgeführt" ergibt sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber auch die mangelhafte Ausführung, die selbstverständlich auch in einer Nichtfertigstellung bestehen kann, als Baugebrechen ansieht (vgl. Hauer-Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, 435). Daher kann ein Abbruchauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 2 BO darauf gestützt werden, dass die Fertigstellung eines begonnenen Baues unwirtschaftlich sei.

Abgesehen von den strittigen Bemessungsgrundlagen hat der von der Baubehörde herangezogene Sachverständige zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Gebrechensbehebung, also der Fertigstellung, die Fertigstellungskosten und den Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft ermittelt. Der Privatgutachter hat die Wirtschaftlichkeit danach beurteilt, dass er die Kosten der Fertigstellung den Kosten der Gesamtneuerrichtung gegenübergestellt hat.

Es ist nun jedenfalls dem Beschwerdeführer darin Recht zu geben, dass er dem diesbezüglich von den Gemeindebehörden eingeholten Gutachten mit einem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist, mit dem sich die Behörden hätten auseinander setzen müssen (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 838 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Da keine Beweiswürdigung vorgenommen wurde, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht von den getroffenen Feststellungen - als Basis seiner rechtlichen Beurteilung - ausgehen. Erst die auf Grund eines mangelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen erlauben die Beantwortung der Frage der Wirtschaftlichkeit; schon jetzt sei bemerkt, dass ein - wenn auch beträchtliches - Missverhältnis zwischen Herstellungskosten eines Bauwerks und Verkehrswert der Liegenschaft noch nicht zur Unwirtschaftlichkeit der Bauführung führt, weil es wohl bei einem Grundstück wie dem gegenständlichen dem Regelfall entspricht, dass eine Gebäudeerrichtung nicht billiger als das Grundstück ist.

Darüber hinaus zeigt der Beschwerdeführer richtig auf, dass der herangezogene Tatbestand einen Auftrag nach § 33 Abs. 2 BO voraussetzt, der hier nach der Aktenlage nicht erteilt wurde. Schon deshalb kommt die Heranziehung des von den Behörden gewählten Tatbestandes nicht in Betracht.

Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer allenfalls deshalb nicht in seinen Rechten verletzt sein könnte, weil der Bauauftrag auch auf die Z. 3 des § 35 Abs. 2 BO hätte gestützt werden können, kann nicht näher eingegangen werden, weil bezüglich der dort geforderten Unzulässigkeit keinerlei Beurteilungsgrundlagen vorliegen; dass dem Beschwerdeführer keine Frist zur Antragstellung gesetzt wurde, steht aber fest.

Der Tatbestand des § 35 Abs. 2 Z. 1 BO ist für den Fall der Fertigstellung eines ursprünglich neu geschaffenen Bauwerkes unanwendbar, wenn dieses Gebäude noch nie benützbar gewesen ist, was hier schon auf Grund des unstrittigen mangelnden Innenausbaus feststeht. In Anbetracht des im Einleitungssatz des § 35 Abs. 2 BO enthaltenen Gebotes an die Baubehörde würde eine Erweiterung des Tatbestandes der Z. 1 auf nicht fertig gestellte Vorhaben dann, wenn auch eine der dort genannten weiteren Vorraussetzungen vorliegt, zwingend zu einem Abbruchauftrag bei nicht innerhalb der gesetzlich Vollendungsfrist ausgeführten Bauten führen, was mit der Intention des Gesetzes (unbenützbar gewordene Baulichkeiten sollen beseitigt werden) nicht in Einklang zu bringen ist.

Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannte und Mängel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden, da die Rechtslage in Anbetracht der wahrgenommenen Verfahrensmängel eindeutig ist und civil rights im Sinne des Art. 6 EMRK durch diese Aufhebung nicht berührt werden.

Wien, am 24. April 2007

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