VwGH 2006/18/0183

VwGH2006/18/018327.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der D, geboren 1982, vertreten durch Dr. Johann Kral, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Frankgasse 6/10, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 26. April 2006, Zl. 314.887/2- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 26. April 2006 wurde der von der Beschwerdeführerin am 25. Mai 2005 an den Landeshauptmann von Wien (die Erstbehörde) gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe den Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für die Aufenthaltszwecke "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" und "jeglicher Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 FrG" per Post gestellt. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 3. Juni 2005 sei dieser Antrag abgewiesen worden.

In der am 7. Juli 2005 fristgerecht erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eingewendet, dass ihr keine Gelegenheit geboten worden wäre, darzulegen, aus welchen Gründen ihr eine Antragstellung aus dem Ausland nicht möglich und auch nicht zumutbar gewesen wäre. In ihrer früheren Heimat wäre der Bürgerkrieg besonders grausam geführt worden. Aus diesem Grund hätte sie flüchten müssen und wäre nach Österreich gelangt. Bei einer Rückkehr müsste sie damit rechnen, als Verräterin behandelt und schwersten Verfolgungen ausgesetzt zu sein. Noch immer zögen im Gebiet ihrer früheren Heimat paramilitärische Banden umher. Als alleinstehende Frau hätte sie mit grausamsten Vergewaltigungen und Folterungen zu rechnen und müsste sie auch mit dem Tod rechnen.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin bei der Antragstellung zwei verschiedene Aufenthaltszwecke angegeben habe, weshalb sie mit Schreiben vom 21. Februar 2006 gemäß § 19 Abs. 2 NAG aufgefordert worden sei, sich für einen Aufenthaltszweck zu entscheiden. Mit Schreiben des Beschwerdevertreters vom 8. März 2006 sei mitgeteilt worden, dass sie als Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" geltend machte, weil sie Gesellschafterin der D. KEG wäre.

Auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage, hinsichtlich deren die belangte Behörde auf § 81 Abs. 1 und § 82 Abs. 1 NAG hinwies, sei der Antrag vom 25. Mai 2005 als Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zu werten gewesen. Bei Erstanträgen sei § 21 Abs. 1 NAG zu beachten. Es stehe eindeutig fest, dass die Beschwerdeführerin den Antrag im Inland gestellt habe und sie sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe. Sie sei noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Republik Österreich gewesen und hätte den gegenständlichen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen, weil sie keine für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen erfülle.

Die Behörde habe einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abzuweisen, wenn kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" aus humanitären Gründen vorliege. § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG entspreche dem Inhalt nach im Wesentlichen § 21 des seit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG. Der Antrag der Beschwerdeführerin und ihre Berufung enthielten keine Behauptung humanitärer Gründe.

Nach Hinweis auf die §§ 72 und 73 Abs. 2 sowie § 74 NAG führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin ihre Angaben in ihrer Berufung, dass sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat schwersten Verfolgungen ausgesetzt wäre, nicht mit entsprechenden Beweismitteln unterlegt habe. "Besonders berücksichtigungswürdige Fälle" seien Fälle, in denen Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt seien oder ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen hätten und Opfer und Zeugen von Menschenhandel seien. Dies treffe jedoch im gegenständlichen Fall nicht zu. § 57 FrG entspreche im Wesentlichen § 72 NAG. Im vorliegenden Fall sei daher festgestellt worden, dass keine besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Aspekte gegeben seien. Vielmehr sei die von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgangsweise eine Umgehung der Einwanderungsbestimmungen.

Außerdem verfüge sie über kein arbeitsmarktrechtliches Dokument bzw. keine Zulassung als Schlüsselkraft. Wenn sie im Schreiben vom 8. März 2006 angegeben habe, dass sie Gesellschafterin der D. KEG wäre, so habe sie diesbezüglich keine Urkunden und Beweismittel vorgelegt. Die Parteien seien verpflichtet, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken.

Eine Inlandsantragstellung werde gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen, wobei sich die Entscheidung der belangten Behörde aus formeller Sicht auf § 75 leg. cit. gründe.

§ 21 Abs. 1 NAG entspreche dem Inhalt nach im Wesentlichen

§ 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz und § 14 Abs. 2 FrG. Ein weiteres

Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, sei entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 21 Abs. 1 und 2 NAG lauten:

"Verfahren bei Erstanträgen

§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:

1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern (...(;

2. Fremde, die bisher rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, auch wenn sie zu dieser Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;

3. Fremde, die bisher österreichische Staatsbürger oder EWR-Bürger waren;

  1. 4. Kinder (...(;
  2. 5. Fremde, die an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts, und

    6. Fremde, die eine Aufenthaltsbewilligung als Forscher (§ 67) beantragen (...(."

    Neben den Fällen des § 21 Abs. 2 leg. cit. sieht auch § 74 leg. cit. eine Ausnahme von dem in § 21 Abs. 1 leg. cit. normierten Grundsatz der Auslandsantragstellung vor. So kann nach § 74 leg. cit. die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln) zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 erfüllt werden.

    § 72, § 73 und § 75 NAG lauten:

    "Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 72. (1) Die Behörde kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z. 1 und 2), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist. Drittstaatsangehörigen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltsbewilligung nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens jedoch für drei Monate, erteilt werden.

(2) Zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen Handlungen kann Drittstaatsangehörigen, insbesondere Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen für die erforderliche Dauer, mindestens jedoch für sechs Monate, erteilt werden."

"Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 73. (1) Die Behörde kann Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' oder eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilen. Die Bestimmungen über die Quotenpflicht finden keine Anwendung.

(2) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat und

2. im Fall einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.

(3) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung' - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat.

(4) Soll aus humanitären Gründen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' im Fall einer Familienzusammenführung (§ 46 Abs. 4) erteilt werden, hat die Behörde auch über einen gesonderten Antrag als Vorfrage zur Prüfung humanitärer Gründe (§ 72) zu entscheiden und gesondert über diesen abzusprechen, wenn dem Antrag nicht Rechnung getragen wird. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn gleichzeitig ein Antrag in der Hauptfrage auf Familienzusammenführung eingebracht wird oder ein solcher bereits anhängig ist. Die Pflicht zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung entfällt."

"Zustimmung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen

§ 75. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nach §§ 72 bis 74 bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Inneres."

2. Die Beschwerde bringt (im Rahmen ihrer Sachverhaltsdarstellung) vor, dass - wie die Beschwerdeführerin in ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung dargestellt habe - "auch humanitäre Gründe für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sprechen, weil die Beschwerdeführerin freundschaftliche Kontakte zu Albanern pflegte, was aber von 'richtigen' Serben als Verrat gewertet wurde, und ist bekannt, dass derartige Personen schweren Repressalien ausgesetzt waren, die auch mit dem Tod 'enden' konnten". Im Rahmen der Beschwerdegründe führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Behörde, wenn sie Bedenken gegen diese Darstellung der Beschwerdeführerin gehabt hätte, in Verfolgung der Anleitungspflicht und des Untersuchungsgrundsatzes sie zur Vorlage von Nachweisen hätte auffordern müssen. Nunmehr sei die Darstellung, dass humanitäre Gründe vorlägen, "Grundlage des Verfahrens geworden". Es lägen zweifellos besonders berücksichtigungswürdige humanitäre Gründe vor, die eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung rechtfertigten, und "entgegenstehende Gründe" lägen nicht vor.

3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Wie im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0153, ausgeführt wurde, räumt § 74 NAG dem Fremden kein durchsetzbares - und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung ein. Zur weiteren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

4. Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall eine Inlandsantragstellung unter Hinweis auf § 74 und § 75 NAG nicht zugelassen. Unstrittig hat die Beschwerdeführerin bisher über keinen Aufenthaltstitel verfügt, sodass es sich bei dem am 25. Mai 2005 gestellten Antrag um einen Erstantrag handelt. Ferner ergeben sich weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid Anhaltspunkte dafür, dass einer der Tatbestände des § 21 Abs. 2 NAG erfüllt sei.

Im Hinblick darauf erweist sich die Abweisung dieses Antrages gemäß § 21 Abs. 1 NAG als unbedenklich. Dabei war eine Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht erforderlich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0095, mwN).

Von daher brauchte nicht darauf eingegangen zu werden, ob es sich bei der Beschwerdeführerin, wie sie vorbringt, um eine Schlüsselkraft handle.

5. Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. mit 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Da das FrG mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten ist (Artikel 5 des Fremdenrechtspaketes, BGBl. I Nr. 100), kam eine Anwendung des FrG bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht. Entgegen der Beschwerdeansicht war daher der gegenständliche Antrag auf Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung nach § 21 NAG zu beurteilen.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2006

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