VwGH 2006/18/0173

VwGH2006/18/017313.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des C K in H, geboren 1975, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. April 2006, Zl. uvs- 2006/30/0259-6, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §38;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwRallg;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §38;
FrPolG 2005 §55;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (der belangten Behörde) vom 6. April 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1, §§ 61, 66 und 86 Abs. 1 iVm § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens und des Vorbringens des Beschwerdeführers in der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 23. Februar 2006 führte diese begründend aus, dass vor allem jene Straftaten verfahrensrelevant gewesen seien, die zu insgesamt drei Verurteilungen durch österreichische Gerichte geführt hätten.

Dies seien gewesen:

a) Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. Dezember 1999 sei über den Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von 220 Tagessätzen verhängt worden, wovon die Hälfte der Geldstrafe auf eine Probezeit von drei Jahre bedingt nachgesehen worden sei. Dem Urteil sei folgender Schuldspruch zu Grunde gelegen:

"(Der Beschwerdeführer( ist schuldig, er hat am 10.06.1999 in Imst

1.) den Gendarmeriebeamten G.I. (W.( durch die Äußerung: "Ich bin der letzte Türke, den du ärgerst, jetzt bist du fertig !", wobei er gegen den Beamten die Faust ballte, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2.) den Gendarmeriebeamten G.I. (W.( mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Führerscheindaten, zu hindern versucht, indem er ihm den Führerschein aus der Hand zu reißen versuchte."

b) Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Mai 2000 sei über den Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. eine Zusatzstrafe in Form einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen und einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden, wobei die Freiheitsstrafe auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Diesem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

"(Der Beschwerdeführer( ist schuldig, er hat am 25.09.1999 in Imst

1. den Gendarmeriebeamten GI (F.( mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Personalien anhand seines Führerscheines, zu hindern versucht, indem er den Beamten wiederholt anrempelte, ihm den Führerschein gewaltsam entriss und einen gezielten Faustschlag gegen das Gesicht versetzte;

2. den Gendarmeriebeamten GI (F.( während der zu Pkt. 1 angeführten Amtshandlung, sohin während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten, durch den zu Pkt. 1 angeführten Faustschlag gegen das Gesicht, wodurch der Beamte eine Orbitakontusion links mit Schwellung und Hämatomverfärbung erlitt, am Körper verletzt;

3. den Gendarmeriebeamten GI (F.( durch Drohung mit dem Tode zu einer Handlung, nämlich dem Wegwerfen eines Amtsvermerkes, zu nötigen versucht, indem er ihn mehrfach aufforderte, den für die Anzeigeerstattung erforderlichen Amtsvermerk (betreffend Personaldaten, Festnahme- und Einsatzzeiten sowie Sachverhaltsdarstellung) in dem Papierkorb zu werfen, widrigenfalls er (der Beamte), der nun bei den Türken in Imst bekannt sei, den Montag nicht mehr erleben werde."

c) Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. November 2003 sei über den Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. leg. cit. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden, wobei dieser Verurteilung folgender Schuldspruch zu Grunde gelegen sei:

"(Der Beschwerdeführer( ist schuldig, er hat zu datumsmäßig jeweils nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca. August 2002 und 03.02.2003 in Innsbruck, Wien und an anderen Orten

A)

den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs. 6) von Österreich aus- und in die BRD ein- und in weiterer Folge wieder von der BRD aus- und nach Österreich eingeführt sowie in Verkehr gesetzt, und zwar:

1. durch Schmuggel von mindestens 400 Ecstasy-Tabletten und cirka 120 g Kokain von Wien über das 'Große Deutsche Eck' nach Tirol im Verlauf von mehreren Suchtgiftschmuggelfahrten;

2. durch in sehr geringem Umfang kostenlose Weitergabe, größtenteils aber durch Verkauf von ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbaren, die Grenzmenge jedoch jedenfalls übersteigende große Menge an - teilweise qualitativ sehr gutem - Kokain an die abgesondert verfolgten (namentlich genannten neun Personen( sowie zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Drogenkonsumenten;

3. durch in sehr geringem Umfang kostenlose Weitergabe, größtenteils aber durch Verkauf von ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbaren, die Grenzmenge jedoch jedenfalls übersteigende große Menge an Ecstasy-Tabletten an die abgesondert verfolgten (namentlich genannten zehn Personen( und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Abnehmer;

B)

den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen sowie anderen überlassen, und zwar

1. durch Erwerb von ziffernmäßig nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten, Kokain und Ecstasy-Tabletten bei (zwei namentlich genannten Personen( sowie weiteren Personen für den Eigenbedarf und deren Besitz;

2. durch Verkauf von jeweils geringen Mengen an Cannabisprodukten an die abgesondert verfolgten (zwei namentlich genannten Personen(;

3. dadurch, dass er zusammen mit den abgesondert verfolgten (namentlich genannten zwölf Personen( sowie weiteren namentlich nicht bekannten Personen Kokain konsumierte, wobei er zumindest teilweise das dafür benötigte Suchtgift zur Verfügung stellte.

(Der Beschwerdeführer( hat hiedurch zu A): Das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG und zu B): Das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG

begangen und er wird hiefür nach § 28 Abs. 2 SMG unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren sowie gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

Nach Hinweis auf § 9 Abs. 1, § 60 Abs. 1, §§ 61, 63, 66 und 86 FPG sowie Art. 8 EMRK und Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls unter Art. 7 ARB falle. Auf Grund dessen ergebe sich die Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde. Die vom Beschwerdeführer gezeigten Verhaltensweisen, die zu den angeführten Verurteilungen geführt hätten, zeigten eindeutig, dass er entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Durch die gezeigten Verhaltensweisen sei die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dieses persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft berühre. Besonders die Verurteilung nach dem SMG sei als besonders schwerwiegend im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität anzusehen. Schwerwiegend und besonders nachteilig sei auch zu werten gewesen, dass er nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides, also im Wissen um die persönlichen, schwerwiegenden Folgen eines Aufenthaltsverbotsverfahrens, und trotz gegenteiliger Beteuerungen in der Berufung vom 17. August 2003 gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe.

Der Beschwerdeführer halte sich bereits länger als zehn Jahre ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich auf. Trotz bereits erfolgter gerichtlicher Verurteilungen und des Wissens um das drohende Aufenthaltsverbotsverfahren sei neuerlich ein schwerwiegendes gerichtlich strafbares Verhalten gesetzt worden. Es sei mit Recht davon auszugehen, dass bei einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mit weiteren gerichtlich strafbaren Handlungen und damit verbundenen Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechnet werden müsse.

Mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers massiv eingegriffen. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, wie z.B. für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, zweifelsfrei notwendig und dringend geboten. Das Aufenthaltsverbot sei auch gemäß § 61 FPG zulässig. Weiters sei der Beschwerdeführer nicht von klein auf im Inland aufgewachsen, weil er erst 15-jährig nach Österreich zugewandert sei.

Die verhängte Aufenthaltsverbotsdauer von fünf Jahren erscheine gemäß § 63 Abs. 2 FPG angemessen und unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung maßgeblichen und persönlichen Umstände notwendig und erforderlich, um den angeführten Schutzinteressen bestmöglich entsprechen zu können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, von der Beschwerde nicht bekämpften Annahme, dass dem - unbestritten im Alter von 15 Jahren nach Österreich zugewanderten und bereits länger als zehn Jahre ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich niedergelassenene - Beschwerdeführer die nach Art. 7 ARB geschützte Rechtsposition zukommt, bestehen - anders als die Beschwerde meint - gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid keine Bedenken. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138, verwiesen.

2.1. Bei der Frage, ob gegen türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB zukommt, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, ist § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FPG insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 60 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 60 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. Für die Beantwortung, ob die in § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Ferner dürfen gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB die einem türkischen Staatsangehörigen unmittelbar aus dem ARB zustehenden Rechte nur dann im Weg einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abgesprochen werden, wenn diese Maßnahme dadurch gerechtfertigt ist, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nur zulässig, wenn auf Grund eines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. (Vgl. zum Ganzen nochmals das vorzitierte Erkenntnis.)

2.2. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Innsbruck am 9. Dezember 1999 (zu einer teilbedingten Geldstrafe) verurteilt, weil er am 10. Juni 1999 einen Gendarmeriebeamten gefährlich bedroht hatte, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, und ihn mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Führerscheindaten, zu hindern versucht hatte. Mit Urteil desselben Gerichtes vom 2. Mai 2000 wurde über den Beschwerdeführer eine Zusatzstrafe (Geldstrafe und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe) verhängt, weil er am 25. September 1999 einen anderen Gendarmeriebeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Personalien an Hand seines Führerscheines, zu hindern versucht, einen gezielten Faustschlag in das Gesicht des Gendarmeriebeamten versetzt und diesen dadurch am Körper verletzt sowie ihn durch Drohung mit dem Tod zum Wegwerfen des für die Anzeigeerstattung erforderlichen Amtsvermerkes zu nötigen versucht hatte.

In weiterer Folge wurde gegen den Beschwerdeführer der erstinstanzliche Aufenthaltsverbotsbescheid vom 5. Juli 2000 (und der diesen bestätigende Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 21. September 2000, der auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde) erlassen.

Weder die genannten Verurteilungen noch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn hielten den Beschwerdeführer jedoch davon ab, in noch massiverer Weise straffällig zu werden. So schmuggelte er, wie oben (I.1.) dargestellt, im Zeitraum zwischen August 2002 und 3. Februar 2003 in mehreren Angriffen Suchtgift in einer großen Menge nach Österreich und in die BRD und setzte es in Verkehr. Darüber hinaus erwarb und verkaufte er weiteres Suchtgift.

In Anbetracht des sich an Intensität steigernden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Ebenso kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die Grundinteressen der Gesellschaft berührt, sodass Art. 14 Abs. 1 ARB der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht.

Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie er behauptet, auf Grund einer Suchttherapie nicht mehr suchtgiftabhängig sein sollte, böte dieser Umstand angesichts des oben beschriebenen Gesamtfehlverhaltens noch keine ausreichende Gewähr für eine für ihn günstige Verhaltensprognose im Licht des § 60 Abs. 1 und § 86 Abs. 1 FPG. So ist bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers, der seine Gewaltbereitschaft mehrfach unter Beweis gestellt hat, die in Haft verbrachte Zeit - seinem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vorbringen in der Berufungsverhandlung vom 23. Februar 2006 zufolge von Februar 2002 bis Juni 2003 - nicht zu berücksichtigen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 30. November 2005, Zl. 2005/18/0591, mwN). Besonders fällt zu Lasten des Beschwerdeführers bei der Beurteilung der von der belangten Behörde getroffenen Verhaltensprognose ins Gewicht, dass er während der Anhängigkeit eines wegen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn anhängigen hg. Beschwerdeverfahrens über einen mehrmonatigen Zeitraum Suchtgift nicht nur konsumierte, sondern in großen Mengen schmuggelte und verkaufte.

3. Die Beschwerde vertritt weiters die Auffassung, im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer seit Juni 1990 und somit bei Verübung der Straftat am 25. September 1999 bereits das zehnte Jahr in Österreich aufhältig gewesen sei, sei eine Aufenthaltsverfestigung eingetreten.

Die in Ansehung dieses Vorbringens ins Blickfeld kommenden Bestimmungen des § 61 Z. 2 und 3 FPG und des § 55 Abs. 2 und 3 leg. cit. lauten:

"§ 61. Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn

(...(

2. eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre;

3. dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z. 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen;

(...(."

"§ 55. (...(

(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

(3) Hat der in Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB, oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

rechtskräftig verurteilt worden.

(...(."

Nach der zu den §§ 35 und 38 des Fremdengesetzes 1997 ergangenen hg. Judikatur, die in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" wegen der insoweit gleichlautenden Wortfolge auf die Auslegung der §§ 55 und 61 FPG übertragen werden kann, ist unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2003/18/0277, mwN).

§ 61 Z. 3 FPG steht der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes schon deshalb nicht entgegen, weil über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. November 2003 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt wurde. In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ist die gegenständliche Maßnahme auch nicht gemäß § 61 Z. 2 iVm § 55 Abs. 2 und 3 FPG unzulässig. Im Übrigen wäre, selbst wenn der Beschwerdeführer bei Verübung der ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Straftaten (am 10. Juni 1999) bereits zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen wäre, keine Aufenthaltsverfestigung eingetreten, weil der Verhängung dieser Maßnahme auch die Verübung des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung und des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG durch den Beschwerdeführer zu Grunde lag (vgl. § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG).

4.1. Im Licht des § 66 Abs. 1 und 2 FPG bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer seit seinem 15. Lebensjahr in Österreich lebe, hier mit zwei Geschwistern bei seinen Eltern aufgewachsen sei, den Polytechnischen Lehrgang und die Berufsschule absolviert habe, in weiterer Folge bei mehreren Unternehmen beschäftigt gewesen sei und derzeit bei einem namentlich genannten Unternehmen beschäftigt sei. Er sei Vater eines fünfjährigen Kindes, das nicht mit ihm in die Türkei ziehen könnte.

4.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid und auch in der Berufungsverhandlung am 23. Februar 2006 vor der belangten Behörde auf seine privaten (einschließlich beruflichen) und familiären Bindungen in Österreich hingewiesen. Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar mit der Frage, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, auseinandergesetzt, jedoch keine Beurteilung nach § 66 Abs. 2 leg. cit. vorgenommen und keine Interessenabwägung nach dieser Gesetzesbestimmung durchgeführt. Insbesondere hat die belangte Behörde keine Feststellungen zu der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgebrachten privaten und familiären Situation getroffen.

Im Hinblick darauf erweist sich der festgestellte Sachverhalt als ergänzungsbedürftig und der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. September 2006

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