VwGH 2006/18/0061

VwGH2006/18/006120.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der V, geboren 1991, vertreten durch Mag. Irene Podovsovnik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Habsburgergasse 6-8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. November 2005, Zl. 312.669/11-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 10. November 2005 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. April 2003 auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises gemäß §§ 10 Abs. 4, 14 Abs. 2 und 19 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 12. März 2002 bis 10. April 2002 gültigen Visum C nach Österreich eingereist. In der Folge seien ihr für den Zeitraum von Mitte Mai 2002 bis Mitte Mai 2003 mehrere Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG erteilt worden, weil ihr Bruder Ivan an Leukämie gelitten habe und sie als Knochenmarkspenderin in Frage gekommen sei. Der Bruder Ivan sei trotz durchgeführter Knochenmarktransplantation am 13. Juni 2003 verstorben. Auf Grund der erteilten Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen könne die Beschwerdeführerin nicht als niedergelassen angesehen werden. Ein derartiger Aufenthalt führe auch nicht zur Aufenthaltsverfestigung; die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Niederlassungsnachweises gemäß § 24 FrG lägen daher nicht vor. Der gegenständliche Antrag vom 3. April 2003 auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises sei daher als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten. Dieser Antrag hätte gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG vor der Einreise vom Ausland aus gestellt werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland befunden. Die Inlandsantragstellung sei mangels Vorliegens von humanitären Gründen im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG auch nicht gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG zulässig. Die vorgebrachten Umstände, dass der Großmutter die Obsorge über die Beschwerdeführerin übertragen worden sei und die Beschwerdeführerin in Wien die Hauptschule besuche, stellten keine ausreichenden humanitären Aspekte dar. Die Einwanderung diene lediglich dem Interesse der Beschwerdeführerin, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG würden daher nicht vorliegen. Die Beschwerdeführerin hätte den Antrag daher vor der Einreise vom Ausland aus stellen müssen. Der gegenständliche im Inland gestellte Antrag sei daher gemäß § 14 Abs. 2 FrG abzuweisen gewesen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei in einem derartigen Fall ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Hinblick auf Art. 8 EMRK entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, mit einem von 12. März 2002 bis 10. April 2002 gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist zu sein und bisher nur von Mitte Mai 2002 bis Mitte Mai 2003 über Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG verfügt zu haben. Die - unbekämpfte -

Ansicht der belangten Behörde, dass es sich beim gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin um einen Erstantrag handelt, ist vor dem Hintergrund der hg. Ausführungen im Erkenntnis vom 13. Oktober 2005, Zl. 2005/18/0520, unbedenklich.

2.1. Gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG sind Erstanträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Im bereits zitierten Erkenntnis, Zl. 2005/18/0520, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass Fremde, die bisher über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG verfügt haben, nicht niedergelassen sind und daher gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nur dann vom Inland aus stellen können, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit. nach wie vor gegeben sind.

2.2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie nach ihrer Einreise mit einem Visum C nur von Mai 2002 bis Mai 2003 über Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 10 Abs. 4 FrG verfügt habe, weil sie als Knochenmarkspenderin für ihren leukämiekranken Bruder Ivan in Frage gekommen sei, und ihr Bruder Ivan im Juni 2003 verstorben sei. Sie bringt jedoch vor, nunmehr bereits seit fast vier Jahren in Österreich bei der obsorgeberechtigten Großmutter, der demnächst die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werde, zu leben und hier die Schule zu besuchen. Sie sei durch den Verlust ihres Bruders Ivan psychisch sehr erschüttert. Eine Rückkehr nach Serbien und Montenegro zu ihren Eltern, die dort in "sehr schwierigen Verhältnissen" lebten, würde einen neuerlichen Bruch in ihrem Leben darstellen, zumal sie keinen regelmäßigen Kontakt und daher auch keinen inneren Bezug mehr zu den Eltern habe. Sie beherrsche die deutsche Sprache sehr gut und sei als gänzlich integriert zu betrachten. Eine Rückkehr nach Jugoslawien würde sie in ihrer Lebensplanung "gänzlich aus der Bahn werfen", zumal sie in ihrer Heimat keinen Schulabschluss erworben und keine weiterführenden Kenntnisse ihrer Muttersprache habe.

2.2.2. Die Eigenschaft der Beschwerdeführerin als mögliche Knochenmarkspenderin für ihren leukämiekranken Bruder, auf deren Grundlage der Beschwerdeführerin Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen erteilt worden sind, liegt auf Grund des Todes des Bruders Ivan im Juni 2003 nicht mehr vor.

Auch die weiters ins Treffen geführten Gründe erfüllen die Voraussetzung des § 10 Abs. 4 FrG nicht:

Nach der hg. Judikatur liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Bestimmung nur vor, wenn besondere Gefährdungen bzw. Notlagen im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. gegeben sind oder - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht. Keine Grundlage für die Annahme eines derartigen Falles bieten hingegen etwa Aspekte der Dauer des Aufenthaltes und der Integration. (Vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020.)

Die Eltern der Beschwerdeführerin, die im Alter von etwa zehneinhalb Jahren nach Österreich eingereist ist, um als Knochenmarkspenderin für ihren damals leukämiekranken und mittlerweile verstorbenen Bruder Ivan zur Verfügung zu stehen, leben nach wie vor in der Heimat der Beschwerdeführerin. Das in keiner Weise konkretisierte Vorbringen, dass die Eltern der Beschwerdeführerin "in sehr schwierigen Verhältnissen" lebten und die Beschwerdeführerin zu diesen keinen regelmäßigen Kontakt und daher auch keinen inneren Bezug mehr habe, ist nicht geeignet, die Unmöglichkeit der Führung eines gemeinsamen Familienlebens der Beschwerdeführerin mit ihren Eltern in der Heimat aufzuzeigen, zumal die Beschwerdeführerin nicht vorbringt, bis zur Ausreise nach Österreich in ihrem elften Lebensjahr nicht bei ihren Eltern gelebt zu haben. Ebenso wenig steht das Fehlen eines Schulabschlusses in der Heimat und "weiterführender Kenntnisse" der Muttersprache der Führung eines gemeinsamen Familienlebens entgegen.

Da es der minderjährigen Beschwerdeführerin somit möglich ist, mit ihren Eltern in ihrer Heimat ein gemeinsames Familienleben zu führen, besteht vorliegend kein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug zu der in Österreich lebenden Großmutter.

Mangels Vorliegens eines "besonders berücksichtigungswürdigen Falles" im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG war die Beschwerdeführerin daher nicht berechtigt, den vorliegenden Antrag vom Inland aus zu stellen. Aus diesem Grund ist die Abweisung des Antrages gemäß § 14 Abs. 2 FrG unbedenklich.

3. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass bei Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 FrG eine Ermessensentscheidung unter Bedachtnahme auf die in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2003/18/0148).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 20. April 2006

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