VwGH 2006/16/0007

VwGH2006/16/000729.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch die Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/I/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 14. Dezember 2005, Zl. RV/1839-W/05, betreffend Nachsicht einer Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
KVG 1934 §18 Abs2 Z3;
BAO §115 Abs1;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
KVG 1934 §18 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 27. März 2001 gemäß § 236 BAO die Nachsicht der mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 11. Jänner 2001 vorgeschriebenen Börsenumsatzsteuer in der Höhe von S 112.500,--. Sie brachte vor, die Bezahlung des vorgeschriebenen Abgabenbetrages würde sie finanziell sehr stark belasten. Die sachliche Unbilligkeit ergebe sich daraus, dass der Verfassungsgerichtshof am 1. Oktober 1999 die Wortfolge "bedingte oder" im § 18 Abs. 2 Z 3 KVG mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben habe. Das gesamte Börsenumsatzsteuergesetz sei mit Ablauf des 30. September 2000 außer Kraft getreten. Da zum Zeitpunkt der Erlassung des Börsenumsatzsteuerbescheides am 11. Jänner 2001 die gesetzlichen Grundlagen bereits entfallen gewesen seien, ergebe sich daraus die sachliche Unbilligkeit der Einforderung des Abgabenbetrages.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe nicht dargestellt, dass im Beschwerdefall eine Nachsicht aus persönlich bedingten Gründen gerechtfertigt sei. Stütze sich die Vorschreibung der Abgabenschuld auf eine Norm, die durch den Verfassungsgerichtshof nachträglich aufgehoben werde, dann führe dies nicht zur Unbilligkeit nach Lage der Sache. Auch wenn die Abgabenschuld erst nach Erlassung des maßgebenden Erkenntnisses durch den Verfassungsgerichtshof festgesetzt worden sei, sei darin keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, dass ihr bei Vorliegen der Vorrausetzungen für die Nachsicht der Abgabenschuldigkeit diese auch gewährt werde, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, der Verfassungsgerichtshof habe die Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z 3 KVG im Jahr 1999 aufgehoben. Die Festsetzung der Börsenumsatzsteuer beruhe sohin auf einem nunmehr als verfassungswidrig erkannten Gesetz. Die Beschwerdeführerin sei vom Abtretungsvertrag infolge Nichtzahlung zurückgetreten. Sie habe aus dem Vertrag überhaupt keine Vorteile gezogen. Die Finanzbehörden hätten die Börsenumsatzsteuer in beträchtlicher Höhe vorgeschrieben, obwohl die zugrundeliegende Transaktion niemals stattgefunden habe. Die Anwendung eines später für verfassungswidrig erklärten Gesetzes stelle eine subjektive Härte dar, aus der die sachliche Unbilligkeit folge.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Abgabenbehörde hat im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 2002, Zl. 97/14/0013).

Die in Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG enthaltene Regelung, dass die aufgehobenen Vorschriften auf die vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden und nur die Anlassfälle davon ausgenommen sind, führt notwendigerweise dazu, dass die Anlassfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebenso wenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1990, Zl. 89/13/0266, 25. November 1992, Zl. 91/13/0170, und vom 23. Februar 1998, Zl. 97/17/0400).

Die Abgabenvorschreibung erfolgte auf Grund der - vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist - verwirklichten Tatbestände. Eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe liegt in solchen Fällen nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann nicht vor, wenn wie im Beschwerdefall der Vertrag nicht durchgeführt wurde. Die belangte Behörde hat daher mit Recht die Nachsicht der Börsenumsatzsteuer versagt.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. Juni 2006

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