Normen
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §236;
BAO §243;
EStG 1988 §102 Abs4 idF 1989/660;
BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §236;
BAO §243;
EStG 1988 §102 Abs4 idF 1989/660;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich der für die Jahre 1989 und 1990 bei dem in Monaco wohnhaften, im Inland beschränkt steuerpflichtigen Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, der Beschwerdeführer habe neben anderen Einkünften Zinsen aus einem (inländischen) Sparbuch nicht erklärt. Dem Beschwerdeführer seien im Jahr 1989 741.564 S und im Jahr 1990 1,207.045 S an Zinsen zugeflossen, wovon jeweils 10 % Kapitalertragsteuer, somit 74.156 S und 120.704 S, einbehalten worden seien. Der Prüfer vertrat die Ansicht, die der Höhe nach unbestrittenen Zinsen unterlägen gemäß § 98 Z 5 EStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht, wobei die einbehaltene Kapitalertragsteuer anzurechnen sei.
Das Finanzamt folgte den Ausführungen des Prüfers und erließ dementsprechende, am 1. August 1993 in Rechtskraft erwachsene Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990, wobei es zur Begründung auf den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht verwies.
Am 20. Dezember 1995 regte der Beschwerdeführer an, die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 von Amts wegen wieder aufzunehmen, wobei er unter Hinweis auf die Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 ausführte, die Einkommensteuer für die ihm zugeflossenen Zinsen sei bereits durch die einbehaltene Kapitalertragsteuer abgegolten, weswegen die Einkünfte aus Kapitalvermögen insoweit zu verringern seien.
Mit Schreiben vom 29. Februar 1996 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer formlos mit, der Anregung könne mangels Vorliegens von Gründen für die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 nicht entsprochen werden.
Am 13. Mai 1996 ersuchte der Beschwerdeführer den Bundesminister für Finanzen unter Wiederholung seines Vorbringens in der Anregung vom 20. Dezember 1995, die Behebung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990 im Aufsichtsweg zu veranlassen.
Mit Schreiben vom 19. Juli 1996 teilte der Bundesminister für Finanzen dem Beschwerdeführer formlos mit, die Behebung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990 sei wegen Ablaufes der im § 302 Abs 1 BAO normierten Einjahresfrist nicht mehr möglich.
Am 12. Juli 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht einer bereits entrichteten Abgabenschuld von 779.444 S, wobei er unter teilweiser Wiederholung seines Vorbringens in der Anregung vom 20. Dezember 1995 ausführte, die Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 sei insofern unrichtig festgesetzt worden, als die Zinsen entgegen der Gesetzeslage besteuert worden seien. Bei Beachtung der Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 wäre bei der gegebenen Steuerprogression ein um 779.444 S geringerer Betrag zu entrichten gewesen. Die Einhebung dieses Betrages sei iSd § 236 BAO sachlich unbillig, weil zum Mangel der unrichtigen Abgabenfestsetzung und zur unterlassenen Berufung noch weitere im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände hinzugekommen seien, die zur rechtskräftigen, jedoch rechtswidrigen Festsetzung der Einkommensteuer geführt hätten. So habe er auf Grund der Qualifikation des Prüfers angenommen, eine Berufung gegen die im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990 sei aussichtslos und daher unzumutbar. Da er durch das Verhalten der Abgabenbehörde bestimmt worden sei, eine Berufung zu unterlassen, somit der Abgabenbehörde ein Verschulden an der unterlassenen Berufung zur Last falle, könne eine Nachsicht geboten sein. In der gemäß § 149 Abs 1 BAO aufgenommenen Niederschrift sei nämlich festgehalten, "daß Zinsen aus einem Sparbuch der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, obwohl sie bereits mit 10 % KEST gemäß § 102 Abs 4 EStG endbesteuert gewesen wären".
Mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 wies das Finanzamt den Antrag ab, wobei es zur Begründung im Wesentlichen ausführte, der Unbilligkeitstatbestand stelle auf die Einhebung einer Abgabenschuld ab, weswegen im Veranlagungs- oder Berufungsverfahren unterlaufene Versäumnisse in einem Nachsichtsverfahren nicht nachgeholt werden könnten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 19. November 1996 verwies der Beschwerdeführer zur Begründung auf seine Ausführungen im Antrag vom 12. Juli 1996.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Die belangte Behörde hielt fest, es sei nur über die sachliche Unbilligkeit der Einhebung einer der Höhe nach unbestrittenen Abgabenschuld zu entscheiden. Die Einhebung einer Abgabenschuld sei sachlich unbillig, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Jedenfalls müsse es im Vergleich zu ähnlichen Fällen zu einer anormalen steuerlichen Belastung und damit zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, der Unbilligkeitstatbestand stelle auf die Einhebung einer Abgabenschuld ab, weswegen im Abgabenfestsetzungsverfahren unterlaufene Versäumnisse nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt werden könnten. Dies würde im Ergebnis auf die unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen. Wie vom Beschwerdeführer im Einklang mit der hg Rechtsprechung ausgeführt, müssten zum Mangel der unrichtigen Abgabenfestsetzung und zur unterlassenen Berufung noch weitere im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände hinzukommen, um so die Einhebung einer Abgabenschuld nach der besonderen Lage des Falles unbillig erscheinen zu lassen. Die Abgabenbehörde müsste beispielsweise durch unrichtige Erlässe oder Auskünfte den Abgabepflichtigen veranlassen, eine Berufung zu unterlassen. Diesfalls könnte eine Nachsicht wegen der Verwirklichung des Unbilligkeitstatbestand geboten sein, es sei denn, (auch) dem Abgabepflichtigen sei ein Fehlverhalten von so schwer wiegender Art anzulasten, das alle übrigen für die Nachsicht sprechenden Gründe aufwiege.
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers habe der Prüfer in der gemäß § 149 Abs 1 BAO aufgenommenen Niederschrift nur festgehalten, "die auf diesem Sparbuch 1989 und Folgejahre gutgeschriebenen Zinsen unterliegen gem. § 98 Zi. 5 EStG 1988 der beschränkten Steuerpflicht", wobei er auf die "anrechenbare KEST" hingewiesen hat. Dies habe der geltenden Rechtslage entsprochen. Allerdings sei bei der Berechnung der Einkommensteuer die Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 außer Acht gelassen worden. Die Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 sei somit objektiv unrichtig festgesetzt worden. Dies reiche jedoch noch nicht aus, um die Einhebung der Abgabenschuld als unbillig anzusehen. Der Beschwerdeführer sei stets steuerlich vertreten gewesen. Bei nur geringer Sorgfalt hätte dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers auf Grund des eindeutigen Textes des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 die unrichtige Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 auffallen müssen. Die Unterlassung der dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers zumutbaren Sorgfalt stelle ein dem Beschwerdeführer zur Last fallendes Verschulden dar, was einen entschuldbaren Irrtum ausschließe. Ein berufsmäßiger Parteienvertreter dürfe sich nicht darauf verlassen, die von einem (qualifizierten) Prüfer vertretenen Ansichten entsprächen der Rechtslage. Von einer unverschuldet unterlassenen Berufung könne auch in Anbetracht, dass anlässlich der gemäß § 149 Abs 1 BAO aufgenommenen Niederschrift kein Rechtsmittelverzicht abgegeben worden sei, keine Rede sein. Aus der eben erwähnten Niederschrift sei auch nicht ersichtlich, dass der Prüfer zur Besteuerung der Zinsen etwas ausgeführt oder gar eine unrichtige Auskunft erteilt hätte. Das Fehlverhalten des steuerlichen Vertreters, das dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei, sei derartig schwer wiegend, dass es alle übrigen für die Nachsicht sprechenden Gründe aufwiege.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 236 BAO kann eine bereits entrichtete Abgabenschuld auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Diese Unbilligkeit kann persönlich oder sachlich bedingt sein. Die Abgabenbehörde hat daher zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, sondern der Antrag schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 2. Juli 2002, 96/14/0074, mwN).
Im Beschwerdefall ist nur strittig, ob die belangte Behörde die sachlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung der bereits entrichteten Abgabenschuld von 779.444 S zu Recht verneint, somit keine Ermessensentscheidung getroffen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, dient eine Nachsicht nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Berufungen, nachzuholen (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 19. März 1998, 96/15/0067). Der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinn von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden. Es kann allerdings sein, dass der Unbilligkeitstatbestand auch im Hinblick auf eine unrichtige Abgabenfestsetzung in Verbindung mit einer unterlassenen Berufung gegeben ist, wenn noch weitere, vorwiegend im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände hinzu kommen, die nach der besonderen Lage des Falles die Einhebung einer Abgabenschuld unbillig erscheinen lassen (vgl das hg Erkenntnis vom 13. November 1989, 88/15/0121, mwN). Insoweit der Beschwerdeführer meint, dies wäre bei ihm der Fall gewesen, weil er auf Grund der Qualifikation des Prüfers und der gemäß § 149 Abs 1 BAO aufgenommenen Niederschrift, aber auch auf Grund der anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung vom Prüfer mündlich zum Ausdruck gebrachten Ansicht, die Zinsen unterlägen der Einkommensteuer, weswegen nicht ihm, sondern der Abgabenbehörde ein Verschulden an der unterlassenen Berufung zur Last falle, kann ihm der Gerichtshof nicht folgen. Richtig ist, dass der Prüfer und das Finanzamt in Verkennung der Rechtslage die Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 nicht angewandt haben, weswegen die Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990 unrichtig festgesetzt worden ist. Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass der Prüfer den Beschwerdeführer etwa durch eine unrichtige Auskunft veranlasst hätte, eine Berufung zu unterlassen. Offenkundig war auch dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers die Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 nicht bekannt. Damit hat aber der steuerliche Vertreter die ihm obliegende Sorgfaltspflicht insofern verletzt, als er es unterlassen hat, sich über die geltende Rechtslage zu informieren, um so die Richtigkeit der im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung erlassenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990 zu prüfen. Bemerkt wird, dass die Bestimmung des § 102 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl Nr 660/1989 hinsichtlich ihres normativen Inhaltes zu keinen Zweifeln Anlass gibt. Es kann daher keine Rede davon sein, vorwiegend im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände bzw von der Abgabenbehörde gesetzte Handlungen hätten dazu geführt, dass eine Berufung unterlassen worden ist. Wie bereits die belangte Behörde ausgeführt hat, ist das schwer wiegende Fehlverhalten des steuerlichen Vertreters dem Beschwerdeführer zuzurechnen, weswegen in der Einhebung der bereits entrichteten Abgabenschuld von 779.444 S keine sachliche Unbilligkeit zu erblicken ist.
In Ausführung der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe ohne hinreichende Erhebungen Sachverhaltsannahmen getroffen, die ihm nicht zur Stellungnahme vorgehalten worden seien. Dies betreffe vor allem die Annahme, der Prüfer habe keine Handlungen gesetzt, die dazu geführt hätten, eine Berufung zu unterlassen. Der Prüfer hätte zu dieser Frage vernommen werden sollen.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Abgesehen davon, dass es Sache eines Nachsichtswerbers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die eine Nachsicht gestützt werden kann (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 17. Jänner 2001, 98/13/0073, mwN), weswegen die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen hat, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, weswegen die belangte Behörde zu dem Schluss hätte gelangen sollen, der Prüfer habe den Beschwerdeführer dazu bestimmt, eine Berufung zu unterlassen. Bemerkt wird, dass im Administrativverfahren kein Antrag gestellt wurde, den Prüfer zum Beweisthema, er habe den Beschwerdeführer zur Unterlassung einer Berufung bestimmt, zu vernehmen.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.
Wien, am 25. November 2002
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