Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §124 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §124 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss der Behörde erster Instanz wurde der Mitbeteiligte mehrerer Dienstpflichtverletzungen nach dem BDG 1979 beschuldigt. Mit einem als "Eingabe" bezeichneten Schriftsatz vom 7. Juni 2005 erhob der rechtsfreundlich vertretene Mitbeteiligte näher ausgeführte "formelle Einwendungen" gegen diesen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss. Im Schriftsatz wird aus unterschiedlichen rechtlichen Blickwinkeln vorgebracht, dass der "Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss" rechtswidrig sei. Es wird jedoch kein Antrag gestellt, den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss aufzuheben. Diese "Eingabe" wurde durch eine weitere "Stellungsnahme" samt Beweisanträgen vom 20. Juni 2005 ergänzt.
In der Begründung des Disziplinarerkenntnisses vom 13. Dezember 2005 nahm die Behörde erster Instanz mehrfach auf diese "Einwendungen" Bezug; unter anderem wird dargelegt, dass der Beschwerdeführer "Einwendungen gegen den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss erhoben" habe. In der Folge erging ein "Kostenbeschluss" vom 18. Jänner 2006, mit dem der mitbeteiligten Partei der Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens auferlegt wurde. Sowohl gegen das Disziplinarerkenntnis vom 13. Dezember 2005 als auch gegen den "Kostenbeschluss" vom 18. Jänner 2006 erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Die belangte Behörde entschied über diese Berufungen unter Spruchpunkt a) des Bescheides vom 21. März 2006 in der Weise, dass die angefochtenen Bescheide "ersatzlos behoben" wurden.
Dies begründete die belangte Behörde damit, dass die Behörde erster Instanz die "Eingabe" des Beschwerdeführers, welche als "Rechtsmittel" gegen den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss zu werten gewesen sei, nicht der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vorgelegt, sondern selbst darüber erkannt habe, indem sie den "Einwendungen" des Beschwerdeführers keine Folge gegeben habe. Sie habe dadurch eine ihr nicht zukommende sachliche Zuständigkeit in Anspruch genommen.
Da zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 13. Dezember 2005 über die als "Rechtsmittel" anzusehenden "Einwendungen" im Schriftsatz vom 7. Juni 2005 noch nicht von der dafür sachlich zuständigen Berufungskommission beim Bundeskanzleramt abgesprochen worden sei, habe sich die Behörde erster Instanz auf einen noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss gestützt und ihr Disziplinarerkenntnis mit dem Mangel funktioneller Unzuständigkeit belastet.
Spruchpunkt b) des Bescheides vom 21. März 2006 lautet:
"Der gegen den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss vom 13. Mai 2005, Zl. ... gerichtete Schriftsatz des Beschuldigten vom 7. Juni 2005 wird zuständigkeitshalber an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt weitergeleitet."
In der Begründung führte die belangte Behörde dazu aus, der Schriftsatz sei "gemäß § 6 AVG iVm § 105 BDG" zur "rechtlichen Beurteilung zuständigkeitshalber an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt weiterzuleiten."
Gegen Punkt a) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde des Disziplinaranwaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den Schriftsatz der mitbeteiligten Partei vom 7. Juni 2005 falsch interpretiert, es habe sich keineswegs um ein Rechtsmittel im Sinne des § 63 AVG gehandelt. Die Interpretation der Eingabe als Rechtsmittel gehe vollkommen am Parteiwillen vorbei. Mangels Vorliegens eines Rechtsmittels gegen den Einleitungs- bzw. Verhandlungsbeschluss vom 13. Mai 2005 sei daher auch eine Befassung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt unzulässig. Bei Beachtung des wahren Parteiwillens wäre die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG verpflichtet gewesen, in der Sache selbst zu erkennen.
In der von der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschrift vom 25. Juli 2006 wird ausgeführt, "das Vorbringen des BF ist (auch) aus der Sicht der mitbeteiligten Partei voll inhaltlich richtig". Dennoch spricht sich der Mitbeteiligte gegen eine Aufhebung des Punktes a) des angefochtenen Bescheides aus.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt allerdings voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann. Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens - auch eines anwaltlich vertretenen Antragstellers - von Amts wegen zu ermitteln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 97/21/0144). Der Inhalt ist ausgehend vom objektiven Erklärungswert zu deuten.
Der Schriftsatz des Mitbeteiligten vom 7. Juni 2005 wurde seitens dessen rechtsfreundlicher Vertretung eingebracht und als "Eingabe" (nicht als Berufung; vgl. § 123 Abs. 2 BDG) bezeichnet. Es werden "formelle Einwendungen" im Zusammenhang mit dem Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 13. Mai 2005 erhoben. Der Schriftsatz enthält auch keinen Antrag, den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss aufzuheben (vgl. § 63 Abs. 3 AVG). Diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen eines Rechtsmittels. Die "Eingabe" spricht andererseits mehrfach von der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses und begründet dies eingehend. Dies spricht für das Vorliegen einer Berufung. Bei dieser Sachlage kann in der Frage, ob ein Rechtsmittel vorliegt, der Wille der mitbeteiligten Partei nicht mit Eindeutigkeit erschlossen werden.
Dadurch, dass die belangte Behörde es unterlassen hat, den wahren Parteiwillen zu ermitteln (diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass der Mitbeteiligte mit der Gegenschrift vom 25. Juli 2006 vorgebracht hat, dass sein Wille im Schriftsatz vom 7. Juni 2005 nicht auf die Erhebung einer Berufung gerichtet gewesen sei), belastete sie Punkt a) des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb der Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Zu Spruchpunkt b) wird auf den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2006/09/0087, verwiesen.
Wien, am 6. November 2006
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