VwGH 2005/20/0219

VwGH2005/20/021917.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des V in W, geboren 1985, vertreten durch Mag. Wilhelm Peter Milchrahm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Jänner 2005, Zl. 255.738/0-V/15/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus Lagos kommender nigerianischer Staatsbürger, ist seinen Angaben zufolge Angehöriger des Stammes der Ibo und Christ. Er reiste am 19. Juli 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag.

Der Beschwerdeführer wurde zu seinen Fluchtgründen vom Bundesasylamt am 28. Juli 2004 und am 2. August 2004 sowie nach Zulassung des Asylverfahrens am 14. Oktober 2004 befragt. Dabei gab er zusammengefasst an, er sei Ende Februar 2004 in Lagos von OPC-Mitgliedern überfallen und verletzt worden, weil er sich geweigert habe, ihnen seinen Lieferwagen zu übergeben. Dieser sei beschädigt und schließlich in Brand gesetzt worden. Dem Beschwerdeführer sei die Flucht zur Polizei gelungen; dort sei ihm aber nicht geholfen worden. Er habe erfahren, dass die OPC-Mitglieder die Absicht hätten, ihn umzubringen. Die Polizei könne den Beschwerdeführer vor Übergriffen der OPC nicht schützen. In der Folge sei es bis Anfang Mai 2004 im Stadtviertel Idiaraba zu tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen seiner Volksgruppe der Ibo und Mitgliedern der OPC gekommen, für die der Beschwerdeführer "als Verursacher" von den Behörden verantwortlich gemacht worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher Nigeria aus Furcht vor der OPC und vor der Polizei verlassen.

Mit Bescheid vom 3. November 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt unterzog das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen einer ausführlichen Beweiswürdigung und gelangte aufgrund von näher dargestellten Widersprüchen in seinen Angaben bei den genannten Vernehmungen und aufgrund von näher begründeten Plausibilitätserwägungen zu dessen mangelnder Glaubwürdigkeit. Demzufolge ging die Erstbehörde insoweit von negativen Feststellungen aus und sie traf weiters Feststellungen zur politischen Lage und zur Menschenrechtssituation in Nigeria. Rechtlich kam die Erstbehörde demnach zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, vom Beschwerdeführer selbst verfassten Berufung führte er - offenbar im Zusammenhang mit seinem damaligen Aufenthalt in der Justizanstalt Josefstadt - nur aus, er bereue, die Regeln und Vorschriften in diesem Land nicht beachtet zu haben, er ersuche um Verzeihung für sein Vergehen und verspreche, "es" nie wieder zu tun. Sollte er nach Nigeria abgeschoben werden, so werde er sein Leben verlieren, da er Nigeria "wegen eines Problems" verlassen habe. Auch in der eine mündliche Verhandlung beantragenden Berufungsergänzung, die weitgehend nur aus allgemeinen, keinen konkreten Fallbezug herstellenden Ausführungen besteht, wurde den beweiswürdigenden Argumenten des Bundesasylamtes nicht konkret entgegen getreten, sondern das Vorbringen im Wesentlichen nur pauschal als "genügend substantiiert" und "plausibel" bezeichnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Jänner 2005 wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" ab. Zur Begründung verwies sie auf die für zutreffend und schlüssig erachtete Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, auf die in der Berufung des Beschwerdeführers in keiner Weise eingegangen worden sei. Die Beweiswürdigung sei auch in der Berufungsergänzung nur "schablonenhaft und textblockartig" bemängelt worden, ohne dass auch nur der geringste Versuch unternommen worden sei, das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers zu untermauern und die von der Erstbehörde aufgezeigten Widersprüche zu entkräften. Demzufolge übernahm die belangte Behörde die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid. Unter dem Gesichtspunkt des Abschiebungsschutzes verwies die belangte Behörde vor allem darauf, dass der Beschwerdeführer den allgemeinen Feststellungen des Bundesasylamtes zu Nigeria nicht entgegen getreten sei. Angesichts der Angaben des Beschwerdeführers "zu seinen nicht vorhandenen Bindungen zu Österreich" sei auch die verfügte Ausweisung nicht rechtswidrig. Schließlich erklärte die belangte Behörde auch die weiteren rechtlichen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt ihres Bescheides. Aufgrund des hinreichend geklärten Sachverhaltes habe eine mündliche Verhandlung entfallen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die umfangreiche Rechtsausführungen enthaltende Beschwerde tritt den einzelnen (von der belangten Behörde übernommenen) Beweiswürdigungsargumenten im erstinstanzlichen Bescheid nicht konkret entgegen. Vielmehr wird auch in der Beschwerde zugestanden, dass es manche Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers gegeben habe. Mit der nicht näher begründeten Deutung, es habe sich um "geringfügige Widersprüche" gehandelt, und mit der nicht erläuterten Äußerung, die Ansicht des Bundesasylamtes, die Fluchtgeschichte sei konstruiert, wäre verfehlt, zeigt der Beschwerdeführer aber keine - vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende - Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung auf. Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde im Ergebnis auch zutreffend von der ausdrücklich beantragten Verhandlung Abstand nehmen, zumal auch im Berufungsverfahren - wie erwähnt - keine substanziierte Bekämpfung der Beweiswürdigung vorgenommen wurde (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533).

Auch der in der Beschwerde geltend gemachte Begründungsmangel liegt nicht vor, weil ausgehend von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen kein Zweifel bestehen konnte, dass die belangte Behörde - wie schon das Bundesasylamt - insoweit negative Feststellungen treffen wollte (vgl. idS etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 99/21/0185). Von daher kommt es auch auf die Unterlassung von Feststellungen zu einem realen Hintergrund für die angeblichen Fluchtgründe des Beschwerdeführers entgegen der Beschwerdemeinung nicht an. Schließlich ist der Beschwerde noch zu erwidern, dass die Erstbehörde Feststellungen zur aktuellen Lage in Nigeria getroffen hat, denen im Berufungsverfahren nicht entgegen getreten wurde. Darauf hat schon die belangte Behörde zutreffend hingewiesen. Danach mussten für die belangte Behörde keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der erwachsene und in Nigeria über Familienanschluss verfügende Beschwerdeführer einer maßgeblichen Rückkehrgefährdung ausgesetzt wäre. Gegenteiliges ist weder notorisch noch ergibt sich das aus der in der Beschwerde zitierten - an Touristen gerichteten - Reisewarnung des BMaA vom 21. Dezember 2004 für einzelne Gebiete Nigerias.

Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet", der von der belangten Behörde auch bestätigt wurde. Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf Ersatz der (nicht entrichteten) Eingabengebühr war im Hinblick auf die Verfahrenshilfebewilligung abzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2006

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