VwGH 2005/18/0504

VwGH2005/18/050417.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des L, (geboren 1959), vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Mai 2005, Zl. SD 725/04, betreffend Erlassung einer Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe über eine vom 25. April 2001 bis zum 28. Juli 2001 gültige Aufenthaltserlaubnis der österreichischen Botschaft in Belgrad zum Aufenthaltszweck "Künstler" verfügt. Am 10. Juli 2001 habe der Beschwerdeführer die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grund seiner am 2. Dezember 2000 geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin beantragt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 22. Juli 2002 sei diese Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen hätte, um eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft wäre nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt.

Das Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt beeinträchtige die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens in erheblichem Ausmaß, sodass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG entgegenstehe. Solcherart seien die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG - im Grund des § 34 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer sei ledig, laut Zentralem Melderegister lebe er bei seiner Mutter und seinen Töchtern (aus einer "offenbaren Vorbeziehung"). Zweifelsfrei sei daher von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung bzw. des ungehinderten Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt eine Scheinehe schließe. Die solcherart bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erweise.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken gewesen, dass der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche, aus der Dauer seines Aufenthalts ableitbare Integration verweisen könne. Der Umstand, dass der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels an den Landeshauptmann von Wien weitergeleitet und zwischenzeitig zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden sei, vermöge die Interessen des Beschwerdeführers nicht zu verstärken, vielmehr sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seither unrechtmäßig. Auch in Anbetracht seiner zweifelsfrei erheblichen familiären Bindungen sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zwar gewichtig, habe aber bei Abwägung gegen das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung von Scheinehen in den Hintergrund treten müssen. Solcherart erweise sich die Erlassung der Ausweisung auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Mangels sonstiger besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Dass einer Tochter des Beschwerdeführers die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden sei, vermöge weder die Interessen des Beschwerdeführers zu verstärken noch sei die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhalts dazu gehalten gewesen, mit ihrer Entscheidung solange zuzuwarten, bis der Beschwerdeführer möglicherweise begünstigter Drittstaatsangehöriger sein würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 34 Abs. 1 FrG lautet:

"§ 34. (1) Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder

2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht oder

2. der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat."

2. Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG setzt demnach voraus, dass sich der davon betroffene Fremde auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält.

Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen besteht vorliegend kein Anhaltspunkt dafür, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält. Vielmehr wurde nach diesen Feststellungen der im angefochtenen Bescheid genannte Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2001 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger auf Grundlage der Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen rechtskräftig - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten (vgl. Blatt 173 ff) mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 21. April 2005 - abgewiesen. Dieser abweisende Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach Ausweis des hg. Akts betreffend die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte zur Zl. 2005/18/0206 protokollierte Beschwerde am 21. April 2005 zugestellt.

Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung und damit der Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides am 18. Mai 2005 (vgl. Blatt 182 der Verwaltungsakten) nicht während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufgehalten hat. Daran vermag der hg. Beschluss vom 10. Juni 2005, Zl. AW 2005/18/0177, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde gegen die Versagung der Niederlassungsbewilligung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit der Wirkung stattgegeben wurde, dass ihm die Rechtsstellung zukommt, die er vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte, schon deshalb nichts zu ändern, weil ein solcher Beschluss über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erst mit seiner Zustellung (Erlassung) - somit ex nunc - zum Tragen kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0326).

Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides lagen daher die besagten Voraussetzungen gemäß § 34 Abs. 1 FrG nicht vor. Damit kam aber auch die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 1 FrG nicht in Betracht. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Jänner 2006

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