VwGH 2005/18/0045

VwGH2005/18/004513.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des I, geboren 1959, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Dezember 2004, Zl. St 290/04, betreffend Ungültigerklärung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1997 §16 Abs1b;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1a;
FrG 1997 §94 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1997 §16 Abs1b;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1a;
FrG 1997 §94 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 27. Dezember 2004 wurde der dem Beschwerdeführer am 29. Juni 1995 von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems erteilte unbefristete Aufenthaltstitel gemäß § 16 Abs. 1b des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, für ungültig erklärt.

Der Beschwerdeführer, der bereits 20 Jahre lang in Österreich gelebt und gearbeitet habe, sei mit seiner Familie im Jahr 1997 in die Türkei zurückgekehrt und habe dort seit sieben Jahren den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen. Er habe seinen Niederlassungswillen in Österreich durch die Verlegung seines Wohnsitzes in die Türkei aufgegeben. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Aufgabe seines Wohnsitzes in Österreich von vornherein nur auf eine bestimmte Zeit geplant gewesen wäre. Der Sohn des Beschwerdeführers, dessen schwere Krankheit den Beschwerdeführer zur Rückkehr mit seiner Familie in die Türkei veranlasst habe, sei bereits vor ca. eineinhalb Jahren verstorben. Der Beschwerdeführer zeige jedoch erst jetzt Interesse an einer Rückkehr nach Österreich und sei seit 11. Mai 2004 in St. Pölten an der Unterkunft seines Neffen wohnhaft. Dies wäre ihm aber bereits vor eineinhalb Jahren möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubwürdig darlegen können, den Niederlassungswillen nicht aufgegeben zu haben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

4. Mit Verfügung vom 20. April 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Gelegenheit gegeben, zu seiner vorläufigen Annahme, dass der angefochtene Bescheid - aus näher dargelegten Erwägungen -

infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde rechtswidrig sein könnte, Stellung zu nehmen:

5. Der Beschwerdeführer hat in seinem Schriftsatz vom 10. Mai 2006 ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid - neben den in der Beschwerde geltend gemachten Rechtswidrigkeiten - auch an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde leide. Die belangte Behörde hat von einer Stellungnahme Abstand genommen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1b FrG ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel auf Antrag des Fremden oder von Amts wegen für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde seinen Niederlassungswillen aufgegeben hat und er seine Niederlassung in Österreich beendet hat. Die Behörde hat den Fremden von der Absicht der Ungültigerklärung in Kenntnis zu setzen und ihm eine 14 Tage nicht unterschreitende Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt der Aufenthaltstitel für ungültig zu erklären.

Der dem Beschwerdeführer am 29. Juni 1995 erteilte unbefristete Aufenthaltstitel (eine Aufenthaltsbewilligung nach § 1 Aufenthaltsgesetz) berechtigte ihn gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, zum Aufenthalt in Österreich. Gemäß § 113 Abs. 5 FrG gelten die bis 31. Dezember 1997 erteilten Aufenthaltsbewilligungen - je nachdem - als Erstniederlassungsbewilligung oder weitere Niederlassungsbewilligung. Gemäß § 113 Abs. 3 FrG wäre die unbefristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers auf Antrag durch einen Niederlassungsnachweis (§ 24 FrG) zu ersetzen. Gemäß § 89 Abs. 1 FrG trifft Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen der Landeshauptmann. Dieser kann die Bezirksverwaltungsbehörde mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

Auch die Entscheidung über die Ungültigerklärung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gemäß § 16 Abs. 1b FrG stellt im vorliegenden Fall eine solche "im Zusammenhang mit einer Niederlassungsbewilligung" dar. Die in erster Instanz einschreitende Bezirksverwaltungsbehörde (die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems) war für eine Ungültigerklärung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gemäß § 16 Abs. 1b FrG zuständig, weil sie vom Landeshauptmann von Oberösterreich mit Verordnung oöLGBL. Nr. 130/2002 auf Grund des § 89 Abs. 1 und Abs. 1a FrG ermächtigt worden ist, insbesondere Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen in erster Instanz im Namen des Landeshauptmanns zu treffen. Gemäß § 94 Abs. 4 FrG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung oder Ungültigerklärung (§ 16 Abs. 1b leg. cit.) von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, der Bundesminister für Inneres. Die belangte Behörde hätte die Berufung daher gemäß § 6 AVG an diesen weiter leiten müssen. Durch ihre statt dessen getroffene Sachentscheidung hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Juni 2006

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