VwGH 2005/06/0179

VwGH2005/06/017927.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Mag. HK, 2. der AE und 3. der AB, alle in B, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Anton-Schneider-Straße 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 18. Oktober 2004, Zl. BHBR-I-3300.00-2004/0004, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S OEG und 2. Landeshauptstadt Bregenz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §28;
BauG Vlbg 2001 §35;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litf;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §53 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §28;
BauG Vlbg 2001 §35;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litf;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §53 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 15. Juni 1998 war den Miteigentümern des Gebäudes A-Straße 5 gemäß § 6 Abs. 9, § 31 und § 32 des Vorarlberger Baugesetzes aus 1972, die baupolizeiliche Bewilligung für den Umbau des Gebäudes nach Maßgabe des vorgelegten Projektes erteilt worden. Das Projekt umfasste in seiner Baubeschreibung im Erdgeschoß die Einrichtung eines Gastgewerbebetriebes mit 50 Sitzplätzen. In der dem Bauantrag angeschlossenen Beschreibung war der Bestand an Sitzplätzen mit ca. 60 angegeben, dieser sollte nicht erweitert werden. Im neu geplanten Wintergarten waren zusätzlich 20 Sitzplätze geplant, sodass nunmehr 80 Sitzplätze im Lokal und im Wintergarten vorgesehen waren. Der Bescheid vom 15. Juni 1998 enthält unter Punkt 28. und 29. folgende Auflagen:

"28. Während der Betriebszeiten sind sämtliche Fenster

der Betriebsanlage geschlossen zu halten. Um ein Öffnen der

Fenster durch Kunden zu verhindern, sind, soweit keine

Fixverglasungen vorliegen, z.B. Steckverschlussgetriebe einzubauen.

29. Die Fluchttüre beim Wintergarten ist während der

Betriebszeiten ebenfalls geschlossen zu halten, muss aber im Gefahrenfall z.B. mit einem Panikverschluss von innen jederzeit ohne besondere Hilfsmittel zu öffnen sein."

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem an das Stadtbauamt der mitbeteiligten Landeshauptstadt gerichteten Schreiben vom 13. März 2002 teilte die Erstmitbeteiligte mit, die Errichtung eines Gastgartens mit 16 Sitzplätzen im Hof des gegenständlichen Gebäudes zu beabsichtigen. Daher könne die Betriebsauflage Punkt 29. des Bescheides vom 15. Juni 1998 nicht mehr eingehalten werden, weshalb die Erstmitbeteiligte an die Baubehörde den Antrag stelle, diese Abweichung gegenüber dem angeführten Baubewilligungsbescheid zu genehmigen. Aus den Planunterlagen geht hervor, dass im Restaurant nur noch 40 Sitzplätze eingerichtet werden sollten.

In dem über diesen Antrag eröffneten Verwaltungsverfahren sprachen sich die Beschwerdeführer als Nachbarn in Stellungnahmen gegen diesen Antrag aus.

Die Baubehörde erster Instanz holte zum Vorhaben u.a. eine Stellungnahme des Amtssachverständigen für Maschinenwesen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung Ing. BB vom 27. November 2002 ein. Darin führte dieser hinsichtlich der bei Verwirklichung des Vorhabens zu erwartenden Lärmemissionen aus, dass die Errichtung des in Rede stehenden Gastgartens nicht der baubehördlichen Bewilligungspflicht unterliege und somit Lärm aus diesem Gastgarten auch nicht dem Gastlokal zugerechnet werden könne. Dieser Lärm sei vielmehr dem Umgebungsgeräusch zuzurechnen. Ausgehend von einem Gutachten vom 4. Mai 1998 und einer gewerbetechnischen Stellungnahme vom 3. Juli 2001 könne unter Zugrundelegung der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 auch ohne Betrieb im Gastgarten bei einem Belegungsgrad von 80 % des Lokales die in Rede stehende Tür offen gehalten werden, ohne dass gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 unzumutbare Belästigungen durch Lärm für die nächstgelegene Wohnnachbarschaft entstehen würden.

Der Arzt für Allgemeinmedizin, Stadtarzt Dr. DO, führte in einem Gutachten vom 3. April 2003 auf der Grundlage des lärmtechnischen Gutachtens aus, "dass bedingt durch die Betriebscharakteristik und der sich daraus ergebenden Besuchsfrequenz aus Erfahrung und Sicht des Sachverständigen keine Lärmemissionen zu erwarten sind, die über das Maß der Zumutbarkeit durch das Offenhalten der Türe, hinausgehen". Er gehe davon aus, dass die durch das Offenhalten der Türe entstehenden Emissionen das ortsübliche Maß nicht überschreiten würden. Jedoch werde nicht in Abrede gestellt, dass die Befindlichkeit von Anwohnern, die einer starken subjektiven Bewertung unterliege, ungünstig beeinträchtigt werden könne.

Die Beschwerdeführer legten daraufhin ein Gutachten des Ingenieurbüros für Akustik K GmbH vom 20. Mai 2003 vor, in dem auf der Grundlage von Messungen des aktuellen Grundgeräuschpegels von 38 dB tags und ausgehend von dem Richtwert gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 für städtisches Wohngebiet von 45 dB tags und 35 dB nachts, sowie im Hinblick darauf, dass es sich um einen geschlossenen Hof handle, von 40 dB tags und 30 dB nachts und ausgehend von einem neuen Rechenmodell nach ÖNORM S 5012 ausgeführt wird, dass die zu erwartenden Lärmimmissionen vom Gastgarten an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Erstbeschwerdeführers hin (unter Berücksichtigung eines Zuschlages für informationshaltige Geräusche) 59 dB betragen würden. Bei einem gemessenen Grundgeräuschpegel von 38 dB tags sei als maximal zulässiger Beurteilungspegel 48 dB anzunehmen. Der durch den geplanten Gastgarten verursachte Beurteilungspegel liege somit bei Tag um 11 dB über dem höchstzulässigen Pegel nach ÖAL-Richtlinie Nr. 3. Lasse man den Betrieb des Gastgartens außer Betracht, so betrage der durch die Lärmemission aus dem Lokal bewirkte Immissionspegel am gewählten Immissionspunkt 45 dB. Bei Hinzurechnung eines Zuschlages für informationshaltige Geräusche sei auch hier der zulässige Grenzwert nach ÖAL-Richtlinie um 10 dB überschritten.

Die Beschwerdeführer legten weiters ein auf der Grundlage des von ihnen vorgelegten lärmtechnischen Gutachtens erstelltes medizinisches Sachverständigengutachten des Obersanitätsrates Dr. med. CB vom 23. Juni 2003 vor, in welchem dieser zu dem Ergebnis kam, dass Lärmemissionen aus dem Gastgarten sowohl während des Tages als auch in der Nacht abzulehnen seien. Die bei geöffneter Türe aus dem Lokal dringenden Geräusche verursachten zumindest zur Nachtzeit mit der vom Ingenieurbüro für Akustik K festgestellten kritischen Erhöhung von 11 dB über dem zulässigen Grenzwert Immissionen bei den nächstgelegenen Wohnnachbarn, die mit der Annahme eines ungestörten Schlafverhaltens nicht mehr vereinbar seien. Daraus resultierend sei eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten. Eine Genehmigungsfähigkeit des Projektes sei aus medizinischer Sicht nicht gegeben.

Zu diesen Stellungnahmen nahmen die Amtssachverständigen sowie die Erstmitbeteiligte ablehnend Stellung.

Mit Bescheid vom 7. November 2003 ließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz auf Grund des Antrages der Erstmitbeteiligten gemäß § 7 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001, eine Ausnahme von den vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen im projektsbedingten Umfang zu und erteilte gemäß § 35 i.V.m. §§ 28 und 29 leg. cit. die beantragte Bewilligung unter folgenden Auflagen:

"1. Die Fluchttüre beim Wintergarten darf während der

Betriebszeiten nur einflügelig geöffnet werden.

2. Die Fluchttüre beim Wintergarten ist während der

Betriebszeiten ab 22.00 Uhr geschlossen zu halten, muss aber im Gefahrenfalle z.B. mit einem Panikverschluss von innen jederzeit ohne besondere Hilfsmittel zu öffnen sein."

Die Einwendungen der Nachbarn, darunter jene der Beschwerdeführer, wurden abgewiesen.

Dem Bescheid ist eine Betriebsbeschreibung mit Genehmigungsvermerk angeschlossen, darin wird wie folgt ausgeführt:

"Das Restaurant hat folgende Öffnungszeiten:

geöffnet täglich ab 10:00 Uhr

Sperrstunde 2:00 Uhr

Für den Gastgarten ist bei schönem Wetter eine Betriebszeit von 10:00 Uhr bis 24:00 Uhr (Zeitraum 15. Mai bis 15. September), sowie von 10:00 bis 22:00 Uhr (außerhalb dieses Zeitraumes) - im Rahmen der gesetzlich geregelten Betriebszeiten gemäß § 148 - vorgesehen.

Anzahl der Sitzplätze:

Im Restaurant: 40 Sitzplätze, keine Stehplätze

Im Gastgarten: 16 Sitzplätze, keine Stehplätze Betriebsbeschreibung des Gastgartens:

Der Gastgarten befindet sich an der Rückseite des Restaurants im Anschluss an den Wintergarten.

Der Zugang erfolgt vom Restaurant, kein öffentlicher Zugang.

..."

Der Bescheid der Behörde erster Instanz wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei der in Rede stehenden Terrasse nicht von einem Bauwerk bzw. Gebäudeteil im Sinne des Baugesetzes gesprochen werden könne. Für die Auslegung eines Plattenbelages seien keine bautechnischen Kenntnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. f leg. cit. erforderlich. Auch liege eine Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes nicht vor, weil das Erdgeschoß des gegenständlichen Gebäudes weiterhin für Gastgewerbezwecke genutzt werde. Infolge der fehlenden Bewilligungspflicht seien mögliche Immissionen durch die Nutzung der Terrasse als Gastgarten von der Baubehörde daher nicht zu berücksichtigen.

In der A-Straße bestehe eine geschlossene Bebauung, daher sei das Vorliegen der Voraussetzungen für eine neuerliche Erteilung einer Bauabstandsnachsicht gemäß § 7 BauG zu prüfen. Zur lärmtechnischen Situation sei durch den Amtssachverständigen in seinen Gutachten Stellung genommen worden. Dabei sei zu beurteilen gewesen, ob bei geöffneter Türe Lärm aus dem Inneren des Lokales zu unzumutbaren Belästigungen bei der nächstgelegenen Nachbarschaft und zwar an der Grundstücksgrenze gemäß der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 führe. Der Lärm aus dem Gastgarten sei jedoch nicht der Betriebsanlage zuzuordnen, weil diese Terrasse nicht der baubehördlichen Bewilligungspflicht unterliege. Nach Darstellung von Ausführungen des Amtssachverständigen führte die Behörde aus, dieser habe zusammenfassend festgestellt, dass die gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 zulässigen Pegelgrenzwerte für den A-bewerteten Beurteilungspegel als auch für die Schallpegelspitzen am Immissionspunkt zumindest nicht überschritten (in Bezug auf den Abewerteten Beurteilungspegel) bzw. bei weitem nicht erreicht (in Bezug auf die Schallpegelspitzen) werden würden. Auch bei offener (einflügelig offener) Tür zum Gastgarten würden, soweit technisch beurteilbar, keine im Sinne der ÖAL-Richtline Nr. 3 unzumutbaren Belästigungen durch Lärm für die nächstgelegene Wohnnachbarschaft entstehen. Die Unterschiede zum Privatgutachten seien darauf zurückzuführen, dass dieses die Grundstücksgrenze und nicht das nächstgelegene Fenster beim Gebäude A-Straße 3 heranziehe. Dies sei in der Folge vom Amtssachverständigen berücksichtigt worden. Des Weiteren basiere die Berechnung des Privatgutachters auf einer ganz geöffneten Türe und nicht nur einem geöffneten Türflügel. Die wesentliche Abweichung gegenüber dem Amtssachverständigengutachten liege jedoch darin, dass durch den Privatgutachter auch der Lärm des Gastgartens beurteilt worden sei. Der letztere Unterschied treffe auch auf die unterschiedliche Begutachtung durch die beiden medizinischen Gutachter zu.

Mit dem in Durchführung des Beschlusses der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 14. April 2004 ergangenen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 15. April 2004 wurde der gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz erhobenen Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 i.V.m. § 53 Abs. 1 des Vorarlberger Gemeindegesetzes keine Folge gegeben. Die Begründung dieses Bescheides folgt im Wesentlichen der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz und es wird darin zusammenfassend ausgeführt, dass die nunmehrige Charakteristik des Gastlokales (reines Speiselokal mit deutlich reduzierter Sitzplatzanzahl anstatt Barbetrieb) erwarten lasse, dass die Beschwerdeführer in Bezug auf ortsübliche Immissionen unter Berücksichtigung der Auflagen des Bescheides der Behörde erster Instanz nicht stärker beeinträchtigt würden als bisher.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, der mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 2004 keine Folge gegeben wurde.

Der angefochtene Bescheid wurde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Bewilligungsbescheides vom 15. Juni 1998 ein Barbetrieb mit 80 Sitzplätzen und demgegenüber das dem nunmehr bewilligten Antrag zu Grunde liegende Projekt die Verwirklichung eines Speiserestaurants mit nur noch 40 Sitzplätzen und 16 Sitzplätzen im Gastgarten darstelle. Angesichts dieser unterschiedlichen Verfahrensgegenstände stehe der beantragten Änderung der Auflage Nr 29. nicht das Hindernis der res iudicata entgegen.

Die Berufungsbehörde habe nachvollziehbar dargelegt, dass die in Form der Aufbringung einfacher Steinplatten errichtete Terrasse keiner Bewilligungspflicht nach dem Baugesetz unterliege. Die belangte Behörde schließe sich dem von der Berufungsbehörde bestätigten Ergebnis des von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens an. Das Recht auf Parteiengehör sei nicht verletzt worden und es hätten auch keine befangenen Verwaltungsorgane an der Erlassung des vor der belangten Behörde angefochtenen Bescheides mitgewirkt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluss vom 1. März 2005, B 1514/04-4, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, kann die Behörde Ausnahmen von den in § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Vorschriften betreffend den Mindestabstand zwischen Gebäuden zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies u. a. bei einer Änderung eines nach baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Bauwerks oder bei seinem Wiederaufbau innerhalb von sieben Jahren die Schattenpunkte nicht tiefer in das Nachbargrundstück hineinragen als bisher und die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden (lit. c) oder bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes der Nachbar nicht stärker beeinträchtigt wird als bisher (lit. f).

Gemäß § 29 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 2 BauG ist in der Baubewilligung durch Befristungen, Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden entspricht.

Einer Baubewilligung bedürfen gemäß § 18 Abs. 1 lit. a leg. cit. u.a. die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden (ausgenommen jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind) und gemäß § 18 Abs. 1 lit. b die wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden.

Als wesentliche Änderung eines Bauwerkes oder einer sonstigen Anlage ist gemäß § 2 Abs. 1 lit. o BauG u.a. eine Änderung, durch die die Sicherheit oder die Gesundheit von Menschen oder die Verkehrssicherheit gefährdet, die Nachbarn belästigt oder die Einhaltung der Abstandsflächen oder Mindestabstände beeinflusst werden können, zu verstehen.

Gemäß § 8 BauG dürfen u.a. Bauwerke keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.

Die Baubehörden und diesen folgend die belangte Behörde haben im vorliegenden Fall das Erfordernis einer Baubewilligung gemäß § 18 Abs. 1 BauG ebenso wie das Erfordernis der neuerlichen Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. für das Vorhaben der Erstmitbeteiligten bejaht.

Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid zunächst deswegen für rechtswidrig, weil die Baubehörden die Auflage 29. des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 15. Juni 1998 im Hinblick darauf nicht hätten ändern dürfen, dass mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Antrag keine Änderung des gegenständlichen Projektes, sondern nur die Aufhebung der Auflage 29. des Bescheides des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Landeshauptstadt vom 15. Juni 1998 beantragt worden sei. Daher stehe einer Änderung dieser Auflage der Grundsatz der res iudicata entgegen.

Mit diesem Einwand zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei verständiger Würdigung des Antrages der Erstmitbeteiligten vom 13. März 2002 umfasste deren Antrag eine Änderung der Ausgestaltung ihres Gastlokales und die Reduktion der darin befindlichen Sitzplätze. Er war auch darauf gerichtet, dass im Innenhof nunmehr ein Gastgarten mit 16 Sitzplätzen errichtet werden sollte. Gerade im Hinblick darauf - weil dieser Innenhof nur durch die gegenständliche Fluchttüre beim Wintergarten erreicht werden kann - begehrte die Erstmitbeteiligte die Aufhebung der Auflage Punkt 29. des Bescheides vom 15. Juni 1998. Wie aus der dem Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 7. November 2003 angeschlossenen und mit einem Genehmigungsvermerk der Baubehörde versehenen Betriebsbeschreibung hervorgeht, ist mit diesem Bescheid auch die Anzahl der Sitzplätze im Restaurant mit 40 und jener im Gastgarten mit 16 festgelegt worden. Damit wurde auch im Bescheid selbst die Anzahl der Sitzplätze gegenüber dem Bescheid vom 15. Juni 1998 einerseits reduziert, andererseits der Betrieb des Gastgartens mit 16 Sitzplätzen in das Projekt miteinbezogen. Sohin wurde das Bauvorhaben nicht bloß hinsichtlich der Frage des Offenhaltens der Fluchttüre des Wintergartens geändert, weshalb einem Abspruch über den Bauantrag nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen stand.

Die Bedenken der Beschwerdeführer dahingehend, dass die belangte Behörde in ihrem Vorstellungsbescheid eine Befangenheit eines Mitarbeiters des Bauamtes der Landeshauptstadt Bregenz im Hinblick darauf hätte aufgreifen müssen, weil die im Bauverfahren auf Gemeindeebene ergangenen Bescheide auf Grund der aktiven Mitarbeit und Mitwirkung dieses einen Gemeindebediensteten in beiden Instanzen zu Stande gekommen seien und alle von den Beschwerdeführern im gesamten Verfahren vorgebrachten Einwände von diesem Bediensteten abgelehnt worden seien, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die Ausgeschlossenheit eines behördlichen Organs im Sinn des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG bezieht sich nämlich nur auf die zur Entscheidung berufenen Organwalter. Ob sich diese Organwalter dabei eines Hilfsapparates bedienen bzw. welche Personen für konzeptive oder Ermittlungstätigkeit dabei herangezogen werden, ist für das ordnungsgemäße Zustandekommen der Entscheidung selbst ohne Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 97/06/0202 u.a. Zlen.). Auch die - als Besonderheit in der Vorarlberger Landesrechtsordnung vorgesehene - Ausfertigung des Beschlusses der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 14. April 2004 durch den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt (der selbst auch den Bescheid der Behörde erster Instanz erlassen hatte) vom 15. April 2004 stellt keine Befangenheit im Sinne des § 7 AVG dar, weil keine Mitwirkung an der Erlassung der Berufungsentscheidung selbst, sondern nur deren Ausfertigung vorliegt (vgl. die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, unter E 29 dargestellte hg. Rechtsprechung).

Geht man davon aus, dass im vorliegenden Fall eine Änderung der Verwendung des Gebäudes zu beurteilen war, hatte die belangte Behörde gemäß § 7 Abs. 1 lit. f BauG zu prüfen, ob die durch das nunmehrige Offenhalten eines Flügels der Fluchttüre des Wintergartens bewirkte Änderung der Verwendung des gegenständlichen Gebäudes die Beschwerdeführer als Nachbarn nicht stärker beeinträchtigte als bisher.

Jedenfalls hatte die belangte Behörde auch die Übereinstimmung des gegenständlichen Vorhabens mit § 8 BauG zu prüfen, nämlich, ob dadurch eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn zu erwarten ist. Dies hatte sie nach dem zweiten Satz des § 8 BauG unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen, wobei für die Frage, ob "Gefährdungen" (der Sicherheit oder der Gesundheit) des Nachbarn im Sinne des § 8 zu erwarten sind, die Flächenwidmung keine Rolle spielt (vgl. German/Hämmerle, Das Vorarlberger Baugesetz, 2002, 57).

Sowohl die Baubehörden, die belangte Behörde, als auch die Beschwerdeführer gingen bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens von der für das gegenständliche Grundstück bestehenden Flächenwidmung aus. Eine Divergenz besteht allerdings hinsichtlich die Frage, ob in die Beurteilung der vom Vorhaben bewirkten Emissionen der vom Betrieb des Gastgartens hervorgerufene Lärm mit einzubeziehen ist.

Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Baubehörden und diesen folgend die belangte Behörde bei der Beurteilung der von der gegenständlichen Gaststätte ausgehenden Emissionen nicht nur die aus dem Inneren des Gebäudes entstehenden Emissionen, sondern auch die vom Betrieb des Gastgartens herrührenden Emissionen ihrer Beurteilung zu Grunde hätten legen müssen.

In dieser Hinsicht teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Beschwerdeführer. Mit dem von den Baubehörden genehmigten Offenhalten eines Flügels der Fluchttüre des Wintergartens der Erstmitbeteiligten zum gegenständlichen Innenhof ist nämlich ganz wesentlich der - ebenfalls in der Betriebsbeschreibung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz dargestellte - Betrieb eines Gastgartens in diesem Innenhof verbunden. Der Gastgarten kann nur durch diese Türe betreten werden und zu diesem Zweck hat die Erstmitbeteiligte auch mit ihrem Antrag vom 13. März 2002 die Aufhebung der Auflage Punkt 29. des Bescheides des Bürgermeisters vom 15. Juni 1998 begehrt. Die Auffassung der Amtssachverständigen, der Baubehörden und diesen folgend auch der belangten Behörde ist daher nicht überzeugend, dass einerseits die durch die Änderung der Charakteristik des gegenständlichen Gastlokales im Inneren geminderten Emissionen gegenüber dem Bescheid vom 9. Dezember 1998 eine Änderung des Genehmigungsgegenstandes bewirken und nunmehr das Offenhalten eines Flügels der Fluchttüre zum Wintergarten zulassen, andererseits aber gerade jene Immissionen, die durch die Einrichtung der Terrasse mit 16 Sitzplätzen, welche ja das eigentliche Ziel des gegenständlichen Antrages der Zulassung des Offenhaltens eines Flügels der Fluchttüre des Wintergartens darstellt, nicht in die Beurteilung der durch das gegenständliche Bauvorhaben hervorgerufenen Immissionen miteinbezogen werden sollen. Dass die Einrichtung der Terrasse mit 16 Sitzplätzen in das gegenständliche Vorhaben miteinbezogen ist, geht zweifelsfrei aus dem Baubewilligungsbescheid vom 7. November 2003 hervor. Die Terrasse mit 16 Sitzplätzen, die nur über den Wintergarten und dessen Fluchttüre erreichbar ist, bildet mit dem Restaurant vielmehr eine funktionelle Einheit. Dies ist sowohl dem Bauantrag als auch der Baubewilligung zweifelsfrei zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2002/05/0757, in einem ähnlichen Fall zur Wiener Bauordnung dargelegt, dass der Betriebstyp "Gaststätte mit Gastgarten" vom Betriebstyp "Gaststätte ohne Gastgarten" unterschieden werden muss, und dass der Gastgarten bei der Beurteilung der von einem solchen Betrieb ausgehenden Emissionen miteinzubeziehen ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/05/0154, in welchem der Verwaltungsgerichtshof darauf abgestellt hat, ob aus dem Betrieb der damals in Rede stehenden Jausenstation selbst oder im Zusammenhang mit dem Gartenbetrieb Immissionen entstehen, die den Betrieb als "wesentlich störenden Betrieb" erscheinen lassen).

Die belangte Behörde hat daher sowohl bei der Beurteilung gemäß § 7 Abs. 1 lit. f BauG, als auch bei Anwendung des § 8 BauG zu Unrecht außer Acht gelassen, dass bei der Beurteilung, ob das nunmehrige Offenhalten eines Flügels der Fluchttüre des Wintergartens und der dadurch ermöglichte Betrieb eines Gastgartens das ortsübliche Ausmaß an Immissionen für die Nachbarn überstiegen, auch die vom Betrieb des Gastgartens herrührenden Immissionen zu berücksichtigen waren.

Indem die belangte Behörde sohin von einer unzutreffenden Beurteilung der voraussichtlichen Emissionen des gegenständlichen Bauvorhabens ausging, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Doch selbst wenn man die fehlende Miteinbeziehung der Emissionen durch den Betrieb des Gastgartens außer Acht lässt, leidet der angefochtene Bescheid unter einem weiteren Mangel. Insofern haben es die Baubehörden und die belangte Behörden nämlich unterlassen, eine schlüssige Begründung dafür zu geben, weshalb der Beurteilung der Amtssachverständigen zu folgen war, dass der aus der geöffneten Fluchttüre des Wintergartens austretende Lärm keine unzulässige Belästigung und Gefährdung der Nachbarn bewirkt. Diese Frage ist nämlich in den von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten anders als von den Amtssachverständigen beurteilt worden. Aufklärungsbedürftig wären in diesem Zusammenhang insbesondere die Fragen gewesen, aus welchen Gründen aus sachverständiger Sicht die Hinzurechnung des durch den Gastgarten hervorgerufenen Lärms zum Grundgeräuschpegel und die unterschiedliche Annahme von Zuschlägen gerechtfertigt waren.

Nach dem Gesagten war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 erster Satz VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Juni 2006

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