VwGH 2004/08/0263

VwGH2004/08/026317.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. Werner Ungeringer und Dr. Anton Ullmann, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. Oktober 2004, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2003-936, betreffend Höhe der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
AVG §66 Abs4;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
AVG §66 Abs4;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße vom 24. April 2003 wurde die Höhe der der Beschwerdeführerin gebührenden Notstandshilfe mit täglich EUR 3,33 festgestellt. Die Anrechnung des Einkommens des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin habe diesen Betrag ergeben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, als Einspruch bezeichneten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, zwischen ihr und M. K. bestehe

"keine wirtschaftliche Verbindung, das tägliche Leben sowie darüber hinaus laufende Ausgaben werden getrennt bestritten. Wir führen unsere Geldgeschäfte voneinander absolut unabhängig. Dies wird durch eine getrennte Kontoführung und Kreditkarten bei verschiedenen Kreditinstituten untermauert".

Am 24. September 2003 sagte M. K. bei einer Einvernahme bei der belangten Behörde aus, zwischen ihm und der Beschwerdeführerin bestehe eine Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft. Es bestehe keine Wirtschaftsgemeinschaft. Er sei Hauptmieter der Wohnung, die von ihm und der Beschwerdeführerin bewohnt würde, die Miete bezahle er. Die Lebenshaltungskosten würden getrennt bestritten, es gebe getrennte Kontoführung und getrennte Kreditkarten. In seinem Betrieb sei die Beschwerdeführerin nicht mittätig.

Bei ihrer Einvernahme am selben Tag bestätigte die Beschwerdeführerin, dass zwischen ihr und M. K. eine Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft bestehe. Sie bezahle derzeit keine Miete. Ihre Lebenshaltungskosten bestreite sie selbst, "einerseits durch geborgtes Geld und andererseits durch Rücklagen". Die Kontoführung sei immer getrennt gewesen. In Leistungsanträgen habe sie das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft mit M. K. bejaht, weil sie "nur danach gefragt wurde, ob wir gemeinsam gemeldet sind, was ich bejaht habe. Daraus wurde dann vom Arbeitsmarktservice geschlossen, dass eine Lebensgemeinschaft vorliegt".

In der Folge übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine Umsatzliste einer Bank mit dem Betreff "Bestätigung der Mietenzahlungen". In dieser Liste sind für die Monate Oktober 2002 bis Februar 2003 Zahlungen von jeweils EUR 250,-- vom Konto der Beschwerdeführerin auf das Konto von M.

K. festgehalten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der

Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.

In der Begründung stellte die belangte Behörde den

Verfahrensgang und die Rechtslage dar und führte Folgendes aus:

"Anlässlich einer vom Arbeitsmarktservice durchgeführten

Erhebung in der A. Straße ... konnte festgestellt werden, dass Sie dort namentlich und auch persönlich bekannt sind und regelmäßig Post für Sie anfällt. Sie sind in diesem Haus bei Herrn M. K. wohnhaft und als postempfangsberechtigte Person erfasst. Die in den Hausbriefkasten für Sie eingelegte Post wird auch regelmäßig behoben.

In einer im Zuge des Berufungsverfahrens aufgenommenen Niederschrift erklärten Sie dazu, dass Sie gemeinsam mit Herrn M. K. an der Adresse A. Straße ... wohnen. Neben dieser Wohngemeinschaft besteht zwischen Ihnen und Herrn K. auch eine Geschlechtsgemeinschaft. Sie bezahlen derzeit keine Miete für die oa. Wohnung, der Hauptmieter dieser Wohnung ist Herr K. Ihre Lebenshaltungskosten bestreiten Sie selbst, einerseits durch geborgtes Geld und andererseits durch Rücklagen, die Kontoführung zwischen Ihnen beiden erfolgt getrennt. Laut der von Ihnen der Berufungsbehörde übermittelten Belege haben Sie im Zeitraum von Oktober 2002 bis Februar 2003 für die oa. Wohnung Mietzahlungen in Höhe von monatlich EUR 250,00 an den Empfänger M. K. geleistet, am 28.2.03 wurde der zurundeliegende Dauerauftrag gelöscht."

Diese Angaben seien durch jene von M. K. bestätigt worden.

Die von der belangten Behörde als Sachverhalt gewerteten übereinstimmenden Angaben beurteilte sie "unter Zugrundelegung der

ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ... zum Zeitpunkt

ihrer Geltendmachung von Notstandshilfe am 28. Februar 2003" als Lebensgemeinschaft,

"da laut Ihren übereinstimmenden Aussagen im Zuge des berufungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens zu diesem Zeitpunkt zwischen Ihnen sowohl eine Wohnungs- als auch eine Geschlechtsgemeinschaft bestanden hat und aufgrund der Tatsache, dass die Mietzahlungen für die gemeinsame Wohnung, zu der Sie von Oktober 2002 bis Februar 2003 einen monatlichen Beitrag von jeweils EUR 250,-- geleistet haben, nunmehr auch von Herrn K.

übernommen wurden."

In der Folge errechnete die belangte Behörde die Höhe des

Notstandshilfeanspruches der Beschwerdeführerin mit EUR 3,33 täglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit

des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin vertritt in der Beschwerde die Ansicht, es seien dem angefochtenen Bescheid "die Verhältnisse zum 18. 2. 2003 zugrundezulegen", somit jene des Tages der Antragstellung auf Notstandshilfe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern das Gesetz nichts Gegenteiliges bestimmt, zeitraumbezogen zu beurteilen. Dies bedeutet, dass die für das Entstehen und das Erlöschen des Anspruches auf Arbeitslosengeld jeweils geltende Rechtslage zeitraumbezogen maßgebend ist. Die Behörde hat daher die Sachlage und Rechtslage ab Antragstellung bis zur Erlassung des Bescheides - gemäß § 66 Abs. 4 AVG bis zur Erlassung des Berufungsbescheides - zu berücksichtigen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Oktober 2004, Zl. 2002/08/0073, mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für die Notstandshilfe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2004, Zl. 2000/08/0208).

Anders als die Beschwerdeführerin annimmt, ist demnach nicht allein auf die Sach- und Rechtslage am Tag der Antragstellung abzustellen, maßgebend ist vielmehr der gesamte Zeitraum von der Antragstellung bis zur Bescheiderlassung durch die Behörde. Der jeweilige Sachverhalt ist daher auf der Grundlage folgender Rechtslage zu beurteilen:

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG in den hier anzuwendenden - gleich lautendenden - Fassungen BGBl. I Nr. 103/2001 und - ab 1. August 2004 - BGBl. I Nr. 77/2004 ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 AlVG befindet. Diese ist gegeben, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung (NH-VO), BGBl. Nr. 352/1973, in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 388/1989, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen (§ 36a Abs. 1 AlVG) des Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß § 2 Abs. 2 NH-VO die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde geht in rechtlicher Hinsicht davon aus, es bestehe zwischen der Beschwerdeführerin und M. K. eine Lebensgemeinschaft, auf Grund derer das Einkommen von M. K. auf den Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin anzurechnen sei. In tatsächlicher Hinsicht stützte sich die belangte Behörde abgesehen vom unbestrittenen Vorliegen einer Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft auf das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft, die wiederum deshalb bestehen soll, weil der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ab März 2003 die Miete zur Gänze bezahlte.

Die Beschwerdeführerin ist hingegen der Ansicht, eine Wirtschaftsgemeinschaft liege jedenfalls dann nicht vor, wenn sie zu den Mietkosten der gemeinsam bewohnten Wohnung keinen Beitrag leiste. Tatsächlich ist es für das Ergebnis des Verfahrens jedoch ohne Bedeutung, ob die Beschwerdeführerin den Mietzins zur Hälfte bezahlt oder ob diesen M. K. zur Gänze trägt. Dies aus folgenden Gründen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 4. Oktober 2001, Zl. 96/08/0312, mwN, und vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038).

Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0318).

Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens-(Wohn-)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der auf die Beschwerdeführerin entfallenden Miete oder der Ernährung) beiträgt. Gemeinsames Wohnen allein begründet auch zwischen Personen, die gemeinsame Kinder haben, noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. das Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0101).

Nach der dargestellten Rechtsprechung genügt für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft die Mitfinanzierung der Miete. Dies erfolgte im Beschwerdefall durch die Beschwerdeführerin bis einschließlich Februar 2003, während nach den Feststellungen die übrigen Aufwendungen jeder der beiden Lebensgefährten selbst getragen hat.

Wird seither die Miete zur Gänze von dem nicht die Notstandshilfe beanspruchenden Lebensgefährten getragen, bedeutet dies einen noch größeren Beitrag zur gemeinsamen Lebensführung durch diesen. Auch wenn dadurch kein "gemeinsames Wirtschaften" in dem Sinne erfolgte, dass jeder Lebensgefährte (s)einen Teil beiträgt, liegt in der Übernahme der gesamten Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, genau jene finanzielle Unterstützung des anderen, welche eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die die Anrechnung des Partnereinkommens sachlich rechtfertigt.

Demnach lag im Beschwerdefall auch ab März 2003 eine Wirtschaftsgemeinschaft vor, zumal der nicht die Notstandshilfe beanspruchende Lebensgefährte M. K., der die Miete schon bis dahin zur Hälfte getragen hat, die Miete zur Gänze bezahlte.

Bei diesem Ergebnis kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführerin ihr bis Februar geleisteter Beitrag zur Miete von M. K. erlassen oder nur gestundet worden ist, wie sie in der Beschwerde vorbringt, weil auch in diesen Fällen gemeinsames Wirtschaften vorläge. Das der belangten Behörde vorgeworfene Versäumnis, sie habe dahingehend nicht ermittelt, liegt demnach nicht vor.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Mai 2006

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