VwGH 2004/06/0154

VwGH2004/06/015426.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 1, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 18. August 2004, GZ. 044617/2004-3, betreffend Untersagung der Benützung gemäß § 38 Abs. 8 Stmk. BauG, den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Stmk 1995 §19 Z3;
BauG Stmk 1995 §20 Z2 litb idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §38 Abs1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §38 Abs8;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
BauG Stmk 1995 §19 Z3;
BauG Stmk 1995 §20 Z2 litb idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §38 Abs1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §38 Abs8;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.083,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 erteilte der Stadtsenat der Stadt G der Beschwerdeführerin die Bewilligung für die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung a) von Abstellflächen für 172 Pkw-Abstellplätze, b) einer Einfriedung und c) einer Lärmschutzwand auf den Grundstücken Nr. 1069/1 und 1069/2, KG St. Mit Bescheid vom 27. Mai 2004 untersagte der Stadtsenat der Stadt G der Beschwerdeführerin gemäß § 38 Abs. 8 Stmk. Baugesetz 1995 (Stmk. BauG) i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003 die Benützung der mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligten Pkw-Abstellflächen auf dem Grundstück Nr. 1069/2, KG St. Anlässlich einer Überprüfung am 17. Mai 2004 sei festgestellt worden, dass die im Spruch angeführte und mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligte bauliche Anlage ohne behördliche Bewilligung in Benützung genommen worden sei. Gemäß § 33 Abs. 8 Stmk. BauG habe die Behörde die Benützung zu untersagen, wenn eine bauliche Anlage im Sinne des § 19 Z. 3 Stmk. BauG ohne Benützungsbewilligung benützt werde. Zum Zeitpunkt der Erhebung seien 111 Pkw's auf dem Grundstück geparkt gewesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Benützung der verfahrensgegenständlichen Abstellplätze nicht nur behördlich festgestellt worden sei, sondern auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht in Abrede gestellt werde. Die Behörde habe gemäß § 38 Abs. 3 Stmk. BauG auf Antrag mit schriftlichem Bescheid darüber zu entscheiden, ob und von welchem Zeitpunkt an die bauliche Anlage benützt werden dürfe. Aus der Tatsache, dass bewilligte Abstellflächen zwar noch nicht fachgerecht ausgeführt worden seien, aber unbestritten benützt würden, lasse sich nicht ableiten, dass ihre Benützung nicht untersagt werden könne. Relevant sei allein, dass für die verfahrensgegenständlichen Abstellplätze eine Bewilligung nach § 19 Abs. 1 Stmk. BauG (Errichtung von Pkw-Abstellflächen) behördlich erteilt worden sei und diese somit vor deren Benützung einer Bewilligung nach § 38 Abs. 1 Stmk. BauG bedürften, sie jedoch ohne Benützungsbewilligung benützt würden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine beim Verwaltungsgerichtshof am 22. Dezember 2004 eingelangte Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Darin wird auch ausgeführt, dass mittlerweile die 172 Abstellplätze bewilligungsgemäß ausgeführt worden seien und die Benützungsbewilligung mit Bescheid vom 23. November 2004 erteilt worden sei.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes zu einer im Hinblick auf die nunmehr erteilte Benützungsbewilligung für die mittlerweile errichteten Abstellplätze eingetretene Gegenstandslosigkeit der Beschwerde teilte die Beschwerdeführerin mit, dass der angefochtene Bescheid nach wie vor in ihre Rechtssphäre eingreife. Es sei gegen die beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gestützt auf den angefochtenen Bescheid ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden, das nach wie vor in erster Instanz anhängig sei. Aus den beigelegten Aufforderungen zur Rechtfertigung vom 26. November 2004 geht hervor, dass der Strafvorwurf (gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bzw. den verantwortlichen Beauftragten der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 2 VStG) die Benützung der mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligten Pkw-Abstellflächen auf dem Grundstück Nr. 1069/2 ohne behördliche Bewilligung in einem näher angeführten Zeitraum gemäß § 118 Abs. 1 Z. 6 und § 38 Abs. 1 Stmk. BauG betrifft.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann unter einer Klaglosstellung nach der eigentümlichen Bedeutung des Wortes "Klaglosstellung" nur eine solche verstanden werden, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides eingetreten ist, sei es durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 10. Dezember 1980, VwSlg. Nr. 10.322/A).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, VwSlg. Nr. 10.092/A) ist § 33 Abs. 1 VwGG aber nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn zwar alle Voraussetzungen eingetreten sind, festzustellen, dass die Beschwerde gegenstandslos ist, weil kein rechtliches Interesse mehr an einer Entscheidung besteht, nicht jedoch, dass dies durch die Klaglosstellung des Beschwerdeführers herbeigeführt worden wäre.

Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da mit dem angeführten Bescheid vom 23. November 2004 die Benützung der mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligten und mittlerweile errichteten Abstellflächen für Pkw nunmehr bewilligt wurde. Damit wurde dem angefochtenen Bescheid jedenfalls materiell derogiert, seine normative Wirkung wurde damit beseitigt. Es kann der Beschwerdeführerin auch nicht darin gefolgt werden, dass sie trotzdem durch den angefochtenen Bescheid nach wie vor in ihrer Rechtssphäre berührt und verletzt werde. Es trifft insbesondere nicht zu, dass der Strafvorwurf, der dem angeführten Verwaltungsstrafverfahren gegen Organe der Beschwerdeführerin zu Grunde liegt, auf den angefochtenen Bescheid gestützt wird. Die herangezogene Verwaltungsstrafbestimmung des § 118 Abs. 1 Z. 6 stellt darauf ab, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer

"6. bauliche Anlagen ohne Benützungsbewilligung benützt (§ 38 Abs. 8)".

In diesem Sinne wurde auch in der jeweils ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter der Strafvorwurf erhoben, die Betreffenden hätten es als Organ der Beschwerdeführerin zu verantworten, dass in der näher angeführten Zeit im Jahr 2004 die mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligten Pkw-Abstellflächen auf dem Grundstück Nr. 1069/2, KG St., vom jeweils Beschuldigten ohne behördliche Bewilligung benützt worden seien. Die Frage, ob von den Behörden zu Recht eine Benützungsbewilligungspflicht gemäß § 38 Abs. 1 Stmk. BauG angenommen wurde, ist in beiden Verfahren, dem Untersagungsverfahren wie dem Verwaltungsstrafverfahren, als Vorfrage zu beantworten. Von einer fortgesetzten Verletzung der Beschwerdeführerin in Rechten durch den angefochtenen Bescheid kann somit keine Rede sein. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (insbesondere Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) gewähren einer Partei nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit an sich, sondern nur auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei (sozusagen fortwirkend) eingreifen (siehe u. a. den hg. Beschluss vom 30. September 2002, Zl. 2001/10/0232).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997, ist dann, wenn bei einer Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nachträglich wegfällt, dies bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Nach § 58 Abs. 2 VwGG kommt der im § 58 Abs. 1 VwGG verankerte Grundsatz, dass mangels einer ausdrücklichen Regelung über einen Aufwandersatz jede Partei ihren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwachsenen Aufwand selbst zu tragen hat, im Falle einer Einstellung wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde nicht zum Tragen. Wenn der Verwaltungsgerichtshof daher in solchen Fällen Kosten zuspricht, hat er zu beurteilen, wie das verwaltungsgerichtliche Verfahren aller Voraussicht nach ohne Eintritt der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde ausgegangen wäre. Dies wird dann, wenn der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht völlig eindeutig ist, zur Rückkehr zum Grundsatz des § 58 Abs. 1 VwGG, mithin zur gegenseitigen Aufhebung der Kosten führen (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 3. September 2005, Zl. 2001/03/0097).

Im vorliegenden Fall war der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen rechtswidrig:

Gemäß § 38 Abs. 1 Stmk. Baugesetz 1995 (Stmk. BauG) in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003, hat der Bauherr nach Vollendung von Neu- , Zu- oder Umbauten (§ 19 Z. 1) von Garagen (§ 19 Z. 3 und § 20 Z. 2 lit. b), von Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern (§ 20 Z. 1) und von Hauskanalanlagen oder Sammelgruben (§ 20 Z. 3 lit. g) und vor deren Benützung um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen.

Gemäß § 38 Abs. 8 Stmk. BauG in der Stammfassung hat die Behörde die Benützung zu untersagen, wenn eine bauliche Anlage ohne Benützungsbewilligung benützt wird.

Gemäß § 19 Z. 3 Stmk. BauG sind folgende Vorhaben, sofern sich aus dem §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt, bewilligungspflichtig:

"3. die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, Garagen und Nebenanlagen".

§ 20 Z. 2 lit. b Stmk. BauG i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003, betreffend anzeigepflichtige Vorhaben bezieht sich auf Garagen mit einer bestimmten Anzahl von Krafträdern bzw. von bestimmten Kraftfahrzeugen und auf Nebenanlagen einer Garage.

Nach § 38 Abs. 1 Stmk. BauG in der Fassung der angeführten Novelle sind von den gemäß § 19 Z. 3 Stmk. BauG bewilligungspflichtigen Vorhaben (u.a. die Errichtung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge) nur mehr Garagen benützungsbewilligungspflichtig. Mit der angeführten Novelle entfiel in § 38 Abs. 1 Stmk. BauG die uneingeschränkte Bezugnahme auf die Bewilligungstatbestände des § 19 Z. 3 Stmk. BauG. § 38 Abs. 8 Stmk. BauG kann sich aber nur auf benützungsbewilligungspflichtige Tatbestände gemäß § 38 Abs. 1 Stmk. BauG beziehen. Eine Anwendung des § 38 Abs. 8 Stmk. BauG stellt sich schon aus diesem Grund im vorliegenden Fall als rechtswidrig dar.

Da die Beschwerdeführerin obsiegt hätte und diese Beurteilung keinen unverhältnismäßigen Aufwand erforderte, sind ihr die Kosten gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zuzusprechen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des konkreten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG) i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Gebührenbefreiung für Gebietskörperschaften kommt für die Beschwerdeführerin, die keine Gebietskörperschaft, sondern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, also eine juristische Person privaten Rechtes, nicht zur Anwendung.

Wien, am 26. Jänner 2006

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