Normen
BAO §289;
FinStrG §91 Abs2;
ZollRDG 1994 §26 Abs1;
BAO §289;
FinStrG §91 Abs2;
ZollRDG 1994 §26 Abs1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Am 21. Februar 2000 beschlagnahmten Organe des Hauptzollamtes Wien im Zuge eines Zollstrafermittlungsverfahrens (betreffend gewerbsmäßigen Schmuggel von Zigaretten aus Ungarn in das Zollgebiet der Gemeinschaft sowie vorsätzlichen Eingriff in die Rechte des Tabakmonopols) auf einem Parkplatz in Wien vier in Ungarn zum Verkehr zugelassene Fahrzeuge, deren Kfz-Schlüssel sowie die jeweils auf den Namen einer der mitbeteiligten Parteien lautenden Zulassungsscheine bei den jeweiligen Inhabern dieser Gegenstände. Es handelte sich dabei um
1. einen Pkw der Marke Volvo, der auf den Namen der erstmitbeteiligten Partei in Ungarn zugelassen war und als dessen Inhaber der ungarische Staatsangehörige Sandor S sen. festgestellt wurde,
2. einen Pkw der Marke VW Passat, der auf den Namen der zweitmitbeteiligten Partei in Ungarn zugelassen war, und als dessen Inhaber der ungarische Staatsangehörige Peter B festgestellt wurde,
3. einen Pkw der Marke Renault Megane mit dem behördlichen ungarischen Kennzeichen GX, der auf den Namen der drittmitbeteiligten Partei zugelassen war und als dessen Inhaber der ungarische Staatsangehörige Sandor S jun. festgestellt wurde, und
4. einen Pkw der Marke Renault Megane mit dem ungarischen Kennzeichen GU, der auf den Namen der viertmitbeteiligten Partei zugelassen war und als dessen Inhaber wiederum Sandor S sen. festgestellt wurde.
Jeweils am 25. Juli 2000 stellten die mitbeteiligten Parteien durch ihren gemeinsamen rechtsfreundlichen Vertreter beim Hauptzollamt Wien unter Hinweis auf ihre jeweilige Eigentümer- und Zulassungsbesitzerschaft Anträge auf Ausfolgung der beschlagnahmten Kraftfahrzeuge.
Das Hauptzollamt Wien wies diese Anträge im Wesentlichen mit der Begründung ab, die beschlagnahmten Fahrzeuge seien zwar laut den ungarischen Zulassungspapieren auf die Namen der mitbeteiligten Parteien angemeldet worden. Die Ermittlungen hätten aber ergeben, dass
1. der Pkw der Marke Volvo tatsächlich im Eigentum des Laszlo M,
- 2. der Pkw der Marke VW Passat im Eigentum des Peter B,
- 3. der Pkw der Marke Renault Megane mit dem Kennzeichen GX im Eigentum des Laszlo M und
4. der Pkw der Marke Renault Megane mit dem Kennzeichen GU im Eigentum des Sandor S sen. stehe.
Die mitbeteiligten Parteien erhoben dagegen jeweils Berufung.
Das Hauptzollamt Wien erließ am 6. November 2000 abweisende Berufungsvorentscheidungen, in denen es ausführte, die erfolgten Beschlagnahmen seien wegen des Vorliegens von Gefahr im Verzug notwendig gewesen, um die zumindest teilweise Einbringung der bei dem Zigarettenschmuggel angefallenen Eingangsabgaben sicherzustellen bzw. nicht zu gefährden. Die Eigentumsverhältnisse an den beschlagnahmten Waren seien nicht relevant.
Die mitbeteiligten Parteien erhoben Beschwerden, in welchen sie darauf hinwiesen, dass Gefahr im Verzug nicht mehr vorliege, weil die Ermittlungen mittlerweile abgeschlossen seien und es auch schon zu rechtskräftigen Verurteilungen gekommen sei.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungsvorentscheidungen aufgehoben. Begründend führte die belangte Behörde aus, beschlagnahmte Gegenstände seien von Amts wegen unverzüglich demjenigen, dem sie abgenommen worden seien, zurückzugeben, wenn sich die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme als nicht mehr notwendig erweise. Allfällige Eigentumsrechte seien nicht zu überprüfen. Über die Rückgabepflicht sei kein Bescheid zu erlassen, weil diese Pflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes eintrete. Die beschlagnahmten Gegenstände seien demjenigen, welcher diese zum Zeitpunkt der Beschlagnahme - sei es rechtmäßig, sei es unrechtmäßig - inne gehabt habe, zurückzugeben. Eine Person, der gegenüber weder die Beschlagnahme ausgesprochen, noch eine Beschlagnahmequittung ausgestellt worden sei, habe hingegen kein Recht auf Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes an sie. Mangels einer solchen Berechtigung wäre daher ein von dieser gestellter Antrag auf Rückgabe bzw. Ausfolgung von der Zollbehörde zurückzuweisen gewesen. Demzufolge wären im Beschwerdefall die "Ausfolgungsanträge" von der erstinstanzlichen Zollbehörde nicht (meritorisch) ab-, sondern richtigerweise (aus Formalgründen) als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Dadurch, dass das Hauptzollamt Wien dies verkannt und - anstatt den Erstbescheid als unrichtig aufzuheben - die Berufung als unbegründet abgewiesen habe, habe es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien erweise sich aber auch deswegen als rechtswidrig, weil sie nicht berücksichtige, dass es sich bei der Beschlagnahme um eine bloß vorläufige, bei Gefahr im Verzug von einem Zollorgan gesetzte Maßnahme gehandelt habe, hinsichtlich welcher ohne unnötigen Aufschub eine endgültige Entscheidung darüber zu treffen gewesen wäre, ob die Fahrzeuge entweder wieder freizugeben seien (durch Ausfolgung an die seinerzeitigen Inhaber) oder ob diese auf Dauer eingezogen blieben und damit nach den Bestimmungen des Zollrechts die Verfügungsgewalt und das Eigentumsrecht den Berechtigten gegenüber endgültig entzogen werde. Aus den Verwaltungsakten sei nicht erkennbar, dass derartige behördliche Verfahrensschritte bislang gesetzt worden seien. Es seien lediglich die mitbeteiligten Parteien einvernommen worden, ohne dass dies aber eine endgültige Klärung der Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugen zur Folge gehabt hätte. Die belangte Behörde sehe - auch abgesehen von der bislang über drei Jahre andauernden Aufrechterhaltung der Beschlagnahme, die dadurch über eine Maßnahme von bloß vorläufigem Charakter bei weitem hinausgegangen sei - ohne Hinzutreten allfälliger weiterer rechtsrelevanter Sachumstände keine rechtliche Handhabe für eine weitere Aufrechterhaltung der Beschlagnahme. Seit dem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 16. Mai 2000, 28 Vr 376/00, Hv 3/00, und dem darin verhängten Wertersatz sei der Beschlagnahmegrund der Verfallsdrohung endgültig weggefallen. Die Fahrzeuge seien seinerzeit auch unter (zulässiger) Inanspruchnahme des Zollverfahrens zur vorübergehenden Verwendung in das Zollgebiet eingeführt worden. Für die Begründung eines Pfandrechts an den Fahrzeugen zur Sicherung der hinsichtlich der zollbehördlichen Überwachung entzogenen ausländischen Zigaretten vorgeschriebenen Eingangsabgabenschuldigkeiten fehle es bis heute an einer entsprechenden behördlichen Entscheidung. Die Zollbehörde hätte jedenfalls genug Zeit und Gelegenheit gehabt, den Sachverhalt hinreichend zu klären.
Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden, mit denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Die erst-, zweit- und drittmitbeteiligte Partei erstatteten Äußerungen in ungarischer Sprache. Den Aufforderungen durch den Verwaltungsgerichtshof, deutsche Übersetzungen derselben vorzulegen, wurde nicht entsprochen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 ZollR-DG sind die Zollorgane bei Gefahr im Verzug befugt, Waren zu beschlagnahmen, wenn ohne diese Beschlagnahme die spätere Geltendmachung der Sachhaftung oder die Abnahme von Gegenständen, auf deren Verfall oder Einziehung rechtskräftig erkannt worden ist, oder die Einbringung von gemeinschaftlichen oder bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen zu diesen oder von Geldstrafen, Wertersatzstrafen oder Kosten eines Finanzstrafverfahrens gefährdet wären.
Die abgenommenen Waren sind gemäß § 26 Abs. 3 ZollR-DG iVm § 91 Abs. 2 FinStrG unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist.
Die in § 91 Abs. 2 FinStrG normierte Rückgabepflicht stellt nicht auf die Eigentumsverhältnisse ab. Vielmehr geht aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nach der dazu vorliegenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes klar hervor, dass beschlagnahmte Gegenstände, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist, unverzüglich demjenigen, dem sie abgenommen wurden, zurückzugeben sind. Die Gegenstände sind an die Person zurückzustellen, die zum Zeitpunkt der Beschlagnahme die Sache innegehabt hat. Hiebei obliegt es nicht der Behörde, allfällige Eigentumsrechte zu prüfen oder festzustellen. Es ist daher unmaßgeblich, ob die Person, der die Sachen auszufolgen sind, diese rechtmäßig oder unrechtmäßig innegehabt hat (VfGH 9. Oktober 1997, Zl. A 4/97, VfSlg. Nr. 14.971). Gleiches gilt auch für die Beschlagnahme nach § 26 Abs. 1 ZollR-DG.
Das beschwerdeführende Zollamt gesteht zwar zu, dass die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf Herausgabe der beschlagnahmten Fahrzeuge mangels deren Berechtigung zurückgewiesen hätten werden müssen. Allerdings sei nach Ansicht des beschwerdeführenden Zollamtes die Aufhebung der Berufungsvorentscheidungen durch die belangte Behörde insofern rechtswidrig, als deren Gegenstand die Herausgabe der beschlagnahmten Fahrzeuge an die jeweiligen Antragsteller gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei die Frage, ob die Beschlagnahme zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Recht aufrecht erhalten werde, nicht zu klären gewesen.
Gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG idF BGBl. I Nr. 97/2002 gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO, soweit die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.
Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273 BAO) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1, § 275 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274 BAO) zu erklären, kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung gemäß § 289 Abs. 1 BAO durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebende, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat (§ 289 Abs. 1 BAO).
Die aufhebende Berufungserledigung setzt somit voraus, dass Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung überhaupt hätte unterbleiben können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2004, 2004/16/0065).
In den Beschwerdefällen beschränkt sich der Spruch der angefochtenen Bescheide auf die Aufhebung der Berufungsvorentscheidungen. Über eine allfällige Zurückverweisung zur Durchführung von Ermittlungen wird keine Aussage getroffen. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Begründung der angefochtenen Bescheide (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/17/0232, wonach bei Unklarheiten des Spruches auf dessen Begründung zurückzugreifen ist).
Eine ersatzlose Aufhebung darf nur erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. die bei Ritz, BAO3, Rz 33 zu § 289 zitierte hg. Rechtsprechung).
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich darüber hinaus als rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidungen nicht mit der Begründung hätte aufheben dürfen, dass die Anträge der mitbeteiligten Parteien von der erstinstanzlichen Behörde abgewiesen (und nicht zurückgewiesen) worden waren und dieser Umstand durch die Berufungsvorentscheidungen nicht aufgegriffen wurde. Durch die meritorische Erledigung der Anträge auf Herausgabe der beschlagnahmten Fahrzeuge wurden nämlich die mitbeteiligten Parteien in ihren Rechten nicht verletzt.
Auch die weiteren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden betreffend die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme zeigen keine Rechtswidrigkeit der Berufungsvorentscheidungen auf, denn gegenüber den mitbeteiligten Parteien hat eine allfällige Rückgabeverpflichtung im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keinesfalls bestanden.
Indem die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidungen des beschwerdeführenden Zollamtes aufhob, belastete sie ihre Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 23. Februar 2006
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